Kleine Anfrage

Grüne fragen nach neuen Erkenntnissen zum Rx-Versandhandel

Berlin - 01.03.2018, 12:05 Uhr

Gibt es tatsächlich finanzielle Risiken für die Bundesrepublik, wenn sie den Rx-Versand verbietet? (Bild: BVDVA)

Gibt es tatsächlich finanzielle Risiken für die Bundesrepublik, wenn sie den Rx-Versand verbietet? (Bild: BVDVA)


Staatshaftungsrisiken – das war ein Schlagwort, das die Befürworter des Arzneimittelversandhandels im vergangenen Jahr in den Ring warfen, als es um den Gesetzentwurf des Bundesgesundheitsministers zum Rx-Versandverbot ging. Das ließ auch das CDU-geführte Finanzministerium hellhörig und skeptisch gegenüber Hermann Gröhes (CDU) Plänen werden. Die Grünen-Fraktion im Bundestag greift das Thema nun in einer Kleinen Anfrage auf.

Union und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, sich für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln einzusetzen. Die Grünen im Bundestag waren stets gegen ein solches Verbot. Kordula Schulz-Asche, Arzneimittelexpertin ihrer Fraktion, betonte immer wieder, dass den Verbrauchern dieser Vertriebsweg nicht vorenthalten werden dürfe. Dabei berief sie sich auch auf verfassungs- und europarechtliche Bedenken. Nun hakt die Fraktion mit einer Kleinen Anfrage unter dem Titel „Finanzielle Risiken für den Bundeshaushalt durch das beabsichtigte Verbot des Versandhandels für verschreibungspflichtige Arzneimittel“ bei der Bundesregierung nach.

Aufhänger: Zweifel des Bundesfinanzministeriums

In der Vorbemerkung weisen die Grünen darauf hin, dass offen sei, ob bei einem Verbot, das gegen Verfassungs- und/oder Europarecht verstößt, ein Staatshaftungsrisiko bestehen könnte. Sie verweisen auf eine Stellungnahme des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) aus dem März vergangenen Jahres zum damaligen Gesetzentwurf Hermann Gröhes für ein Rx-Versandverbot. Darin zitiert das Ministerium ein vom Bundesverband Deutscher Versandapotheken in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten von Prof. Christian Koenig, das zu dem Schluss kommt, Deutschland setze sich mit einem Rx-Versandverbot der EU-rechtlichen Staatshaftung aus. Für das BMF – in dem seinerzeit übrigens der Bundesgesundheitsminister in spe Jens Spahn als Staatssekretär agierte – ergab sich daraus „die Möglichkeit eines beträchtlichen fiskalischen Risikos“. Es machte seine Zustimmung zum Versandverbot seinerzeit vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) abhängig: Erst wenn dieses keine europarechtlichen Bedenken mehr habe, könne man grünes Licht geben. Bekanntlich blieb das BMWi bei seinen Bedenken.

Die Grünen verweisen nun auf das in dem Koenig-Gutachten angesprochene Francovich-Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 1991, nach dem ein unmittelbarer Haftungsanspruch von einer „hinreichend qualifizierten“ Verletzung des Europarechts abhängt. Eine solche hinreichende Qualifizierung bejaht Koenig. Das Nachweisdefizit bei der Rechtfertigung eines „kategorischen Versandhandelsverbotes“ ist für den Juristen offenkundig. Das Bundesgesundheitsministerium habe „noch nicht einmal im Ansatz tragfähige statistisch-empirische Befunde bzw. Prognosegrundlagen“ zur Rechtfertigung des Verbotes vorgelegt. Zudem habe es die Erfolgsaussichten möglicher milderer Mittel nicht ausgelotet. Andere Juristen sehen die Gefahr einer Staatshaftung übrigens anders – aber das bleibt unerwähnt.

Grüne verweisen auf BMWi-Honorargutachten

Bestärkt in ihren Zweifeln an der Verhältnismäßigkeit des Versandverbots sind die Grünen nun zudem durch das vom BMWi beauftragte Gutachten zur „Ermittlung der Erforderlichkeit und des Ausmaßes von Änderungen der in der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) geregelten Preise“. Denn dieses komme zu dem Schluss, dass die flächendeckende Versorgung in Deutschland aktuell nicht gefährdet und ein Verbot des Versandhandels „nicht vor dem Hintergrund der flächendeckenden Versorgung zu rechtfertigen“ sei. Botendienste von Vor-Ort-Apotheken und Lieferungen von Versandapotheken seien vielmehr „effiziente ergänzende Versorgungsformen der Bevölkerung in der Fläche“, so die Gutachter.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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3 Kommentare

Nichts ist den Grünen zu schäbig

von Ratatosk am 01.03.2018 um 18:34 Uhr

Fast alle anderen EU Staaten haben das Verbot, aber natürlich wäre es für Deutschland nicht möglich.
Wie schäbig kann man werden, um sich dem Großkapital anzudienen und jegliche Sorge für die flächendeckende und dezentrale Versorgung dafür zu negieren ?
Die Antwort geben die Grünen !

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Gutachten Gutachten Gutachten...

von Pharmi am 01.03.2018 um 12:25 Uhr

Da berufen sich die Grünen nun auf ein Gutachten von Doc Morris Anwalt König, dass irgendeine Staatshaftung propagiert und ein anderes Gutachten von einer PR Agentur, dessen Vize Amazon.de mit aufgebaut hat und dessen Autoren Sportökonomen sind die zum Urteil kommen, das man Versand nicht verbieten könne. Ein anderes Urteil hätte vermutlich auch die Arbeit deren Chefs lächerlich erscheinen lassen...

Warum fragen die Grünen nicht warum sich jene Versender nicht mehr an den Rahmenvertrag halten müssen, warum die Kassen das zulassen, warum der Versand nicht der GDP unterliegt, warum die sich die gewinnbringenden Rosinen rauspicken dürfen... Das wäre mal interessant...

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Gutachten Gutachten Gutachten

von Anita Peter am 01.03.2018 um 13:02 Uhr

Warum fragen die Grünen nicht nach einer Studie über die Ökobilanz des Versandhandels? Die ist nämlich verheerend.....

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