Niedersachsen

Ostfriesische Apotheke lässt Vergangenheit aufleben

Aurich - 09.02.2018, 16:30 Uhr


Einmal jährlich schickt eine traditionsreiche Apotheke im ostfriesischen Aurich Besucher zurück in alte Zeiten. Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit der Pharmazie ist auch für den Inhaber immer wieder ein besonderes Erlebnis. Am Rosenmontag ist es wieder soweit.

Eine alte, dunkle Holztruhe steht im HV-Bereich der fürstlichen Hof-Apotheke. Lars Bakker öffnet den schweren Deckel. Die eisernen Werkzeuge, die er entnimmt, wirken im fahlen Licht der Petroliumlampen furchterregend. Dann betrachtet der Apotheker den „blutigen“ Unterschenkel der „Kundin“, die von einem Hund gebissen wurde. „Das müssen wir desinfizieren“, sagt er und greift zu einem sauberen Leinentuch und einem langstieligen Werkzeug. Neugierig verfolgen die Zuschauer die geschickten Handgriffe des Apothekers und das schmerzverzerrte Gesicht der Verletzten beim „Ausbrennen“ der Wunde. Dann ist die Behandlung vorüber und das rot gefärbte Tuch verschwindet zusammen mit den Werkzeugen wieder in der alten Truhe. Applaus.

Eine Stunde Vorbereitung

Einmal im Jahr „versorgt“ der Apotheken-Chef Lars Bakker seine Kundschaft auf diese traditionelle Art. Die Szene gehört zu einer historischen Stadtführung, die nach Ladenschluss in der Offizin stattfindet. „Viel Zeit für die Vorbereitung habe ich nicht,“ erklärt der 45-Jährige. Eine Stunde bleibt ihm, um den Raum auszustatten und sich selbst mittelalterlich herzurichten. Zuerst verschwinden die modernen Medikamente im Freiwahlbereich hinter roten Samtvorhängen. Dann schleppt Bakker alte Standgefäße und die hölzerne Truhe aus dem Keller nach oben und platziert sie im Verkaufsraum. Nachdem er die Deckenbeleuchtung gelöscht und Lampen entzündet hat, schlüpft er in sein mittelalterliches Gewand – Knickerbocker und Weste – und wartet, bis es gegen halb acht an der Ladentüre klopft.

Apotheken-Einrichtung teilweise aus dem 17. Jahrhundert

Seit mehr als zehn Jahren geht die Hof-Apotheke auf diese besondere Reise in die eigene Vergangenheit.1433 zum ersten Mal urkundlich genannt, befand sie sich zunächst innerhalb des fürstlichen Schlosses. Aus Angst vor einem Giftmord, dem Mitte des 17. Jahrhunderts Herrschende reihenweise zum Opfer fielen, verlegte Graf Enno III. sie in die Auricher Innenstadt. Geschickter PR-Coup: Gegenüber dem Volk verkaufte der Herrscher die Auslagerung als gemeinnützige Wohltat, so die Überlieferung.

Einen Sinn für Marketing hat auch Bakker, der die Hofapotheke im Jahr 2005 übernommen hat. Teile der Einrichtung stammen noch aus dem 17. Jahrhundert – beispielsweise eine holzgeschnitzte Rezeptureinfassung. Auch wenn sie nicht genutzt werden darf, der museale Charakter kommt an: „Regelmäßig sagen Kunden, wie schön die Apotheke sei“, erzählt der gebürtige Auricher.



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