Kommentar

DocMorris das Feld überlassen

Berlin - 24.01.2018, 07:00 Uhr

Auch aus vielen Debatten zum Thema E-Health entzieht sich die ABDA. (Foto: iconimage / stock.adobe.com)

Auch aus vielen Debatten zum Thema E-Health entzieht sich die ABDA. (Foto: iconimage / stock.adobe.com)


Auf einem Kongress in Berlin kamen am gestrigen Dienstag Experten aus ganz Europa zusammen, um über modernste Versionen der E-Patientenakte und des E-Rezeptes zu sprechen. Aber anstelle eines ABDA-Vertreters oder eines Gesundheitspolitikers saßen da zwei sichtlich vergnügte DocMorris-Mitarbeiter als Ausrichter der Veranstaltung. Auch in diesem Bereich ist die Verweigerungshaltung der ABDA mehr als fahrlässig, meint DAZ.online-Chefredakteur Benjamin Rohrer.

Das war schon beeindruckend, was sich auf dem Kongress des Bundesverbandes Managed Care (BMC) am gestrigen Dienstag in Berlin abspielte. Da stand zunächst der Chef des staatlichen, dänischen E-Health-Portals Hans Erik Henriksen und erklärte, wie unsere Nachbarn ihre Versorgung in den vergangenen Jahren von Kopf auf die Füße gestellt haben. Während die Debatte um eine fortschrittliche, qualitätsorientierte Klinikplanung und -finanzierung hierzulande im Lobbyismus-Kreuzfeuer erstickt, erzählte Henriksen stolz, dass in Dänemark zuletzt viele Kliniken geschlossen hätten. Das eingesparte Geld wurde in die Sanierung und insbesondere Spezialisierung der verbleibenden Häuser investiert.

Noch viel imposanter war die Vorstellung in Sachen E-Health: Henriksen zeigte den Zuhörern im gut besetzten Hörsaal sein Handy, auf dem er eine App aktivierte. Mit dieser App hat er nach Eingabe einer PIN Zugriff auf seine auf einem Server gespeicherte Patientenakte. Außerdem kann er sehen, welche Ratschläge seine Ärzte und Apotheker hinsichtlich seiner Arzneimittel-Verordnungen geben. Will er ein Folgerezept haben, kann er seinem Arzt dies per App mitteilen, der lädt die Verordnung auf den Server – auf dieses Rezept kann dann jede von Henriksen ausgewählte Apotheke zugreifen. Toll, oder?

Auch der Auftritt des Esten Artur Novek war nicht uninteressant. Der IT-Spezialist beim staatlichen E-Health-Portal schloss an seinen Laptop einen Adapter an, führte seine Gesundheitskarte ein, wurde nach seinem Passwort gefragt und schon befand er sich in seiner persönlichen Patientenakte. Ähnlich wie bei seinem Vorredner enthielt dies Diagnosen, Medikationsplan, Arzttermine, etc.

Hinter Henriksen und Novek saß ein vergnügter, gut gelaunter Christian Franken, seines Zeichens Chefapotheker bei DocMorris, der bei jedem Versorgungs-Coup lächelte. Für Doc Morris war das eine tolle Bühne beim BMC-Kongress. Man konnte sich wieder einmal als seriöser Versorgungspartner verkaufen, der innovative Prozesse, von denen die Patienten fraglos profitieren würden, am liebsten gleich am nächsten Tag umsetzen würde. „Ihr seht jetzt, wie es in anderen Ländern geht. Wenn ihr mit uns kooperiert, könnt ihr das auch hier so haben“ – so oder so ähnlich war die politische Botschaft, die DocMorris da gestern absendete.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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4 Kommentare

Kein Anschluss unter dieser Nummer ...

von Christian Timme am 26.01.2018 um 8:27 Uhr

Ich denke da an ein „rotes Telefon“ und wenn es klingelt geht keine ran ... und dann kommt die Bandansage: Sie können uns nur über Handy erreichen, vielen Dank für den Anruf.

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Auf die ABDA warte ich nicht mehr...

von Christiane Patzelt am 24.01.2018 um 17:55 Uhr

Dieser Altherrenclub verpennt eine Innovationsrunde nach der anderen!!
Ich will auch ein e-Rezept über apotheken.de
Stelle mich gern als Testapotheke in Brandenburg zur Verfügung, verfüge über genügend technisches know-how und habe keine Angst vor gar nichts, außer, dass wir die Zukunft verschlafen!
Der Kommentar des Kollegen ist wieder so sinnbildlich.....ich will modern bleiben, die, denen das zu anstrengend ist, mögen doch leise die Tür schließen um sich selber nicht aufzuwecken! Ich habe einen quicklebendigen Betrieb, warum soll ich heute stehen bleiben?? Die Pharmazie bleibt doch auch nicht stehen!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

"DocMorris das Feld überlassen"

von Dr. Detlef Eichberg am 24.01.2018 um 8:44 Uhr

Wer meine des öfteren veröffenrlichte Meinung zur Digitalisierung des Gesundheitswesens und damit auch unserer Zunft verfolgt hat weiß, dass ich auf solcherlei Aktionen wie der oben beschrieben und kommentierten nichts gebe. Ich bleibe schmollend bei meiner Vision, dass diese verpixelte Gesundheits-"Betreuung" einer fortschreitenden Ent-Menschlichung einer ursprünglich ganzheitlich am Heil der Menschen orientierte Fürsorge Vorschub leistet.
Ich vermisse den Beistand der ABDA wesentlich berufsgefährdender im politischen Bereich, wenn es z.B. um die Unsäglichkeit der Begründung des EuGH - Urteiles geht, dass nämlich der Wettbewerbs-Vorteil einer persönlichen Beratung (sic!) der deutschen Apotheken vor Ort gegenüber europäischen Mitbewerbern durch eine Lockerung des RX-Boni-Verbotes und weiterer wirtschaftlicher Vorteile für ausländische Versender kompensiert werden müsse. Geht´s noch? In Holland beläuft sich der Mehrwertsteuer-Satz für Arzneimittel auf 6%. Das sind vorneweg 13% Wettbewerbsvorteil gegenüber 19% in Deutschland.
Ich kommuniziere tagtäglich von Angesicht zu Angesicht unseren Patienten gegenüber die wirtschaftliche Schieflage zwischen pekuniär bevorzugten Versendern und und unserem Kampf um´s Überleben, was Vorurteils-gesteuerte Einschränkungen der Vergütung und den Kampf um qualifizierte Mitarbeiter(innen) anbelangt.

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AW: "DocMorris das Feld überlassen&

von Bernhard Kappus am 24.01.2018 um 10:14 Uhr

Ich stimme Herrn Dr. Eichbereg bis auf einen wichtigen Punkt in seinem Kommentar zu.
Es ist sicherlich nicht die Lösung der Probleme im Gesundheitssystem und AApothekensektor wenn mann, wenn auch wie hier nur partiell, schmollend in der Ecke verbleibt.
Die Zukunft wurde und wird weiterhin gestalltet, ob wir als Pharmazeuten und selbständige Apotheker an diesem Prozess teilnehmen und partizipieren oder diesen von anderen Akteuren gestalten lassen und aus dem Markt gedränkt werden, hängt von unserem Gestaltungswillen und der Teilnahme an ALLEN Diskussionen zu diesem Thema ab.
Das die ABDA, selbstverschuldet weder an dieser Veranstaltung teilgenommen noch aktive Diskussionsteilnehmer entsandt hat und darüber hinaus sich aus der öffentlich wahrnehmbaren Diskussion über Versandhandel, Digitalisierung, pharmazeutischer Kompetenz und Honorargutachten veraschiedet hat, ist nicht hinnehmbar.
Es zeigt wieder einmal mehr, dass die ABDA (Präsident, Vorstand etc.) in der derzeitigen Zusammensetzung für die Durchsetzung der Interessen unseres Berufsstandes nicht geeignet ist und durch innovative, aktive und zukunfstorientierte Kollegen und Kolleginnen ersetzt werden sollte.

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