Medienbericht

NDR warnt vor Lieferengpässen bei Krebsarzneimitteln

Stuttgart - 10.01.2018, 17:45 Uhr

Das Arzneimittel DepoCyte wird direkt in die Rückenmarksflüssigkeit injiziert. Laut NDR-Bericht ist es seit Monaten nicht lieferbar. (Foto: Screenshot ndr.de)

Das Arzneimittel DepoCyte wird direkt in die Rückenmarksflüssigkeit injiziert. Laut NDR-Bericht ist es seit Monaten nicht lieferbar. (Foto: Screenshot ndr.de)


Immer wieder kommt es in Deutschland zu Problemen bei der Versorgung mit lebenswichtigen Arzneimitteln – auch Krebspatienten sind betroffen. Laut NDR sind vor allem Mängel in der Produktion dafür verantwortlich. Helfen könnten die Verpflichtung zur Vorratshaltung sowie empfindliche Strafen für die Pharmaunternehmen bei ausbleibender Lieferung.

Die TV-Sendung „Visite“ des NDR beschäftigte sich am gestrigen Dienstag mit Lieferengpässen bei wichtigen Arzneimitteln. Ein Thema, das Apotheken und Kliniken bereits seit langem Sorgen bereitet und immer wieder von den Medien aufgegriffen wird. Zwar sei das deutsche Gesundheitssystem mit Ausgaben von rund 350 Milliarden Euro eines der teuersten der Welt, heißt es im Beitrag. Dennoch komme es immer wieder zu Engpässen.

Besonders dramatisch ist das, wenn Krebspatienten betroffen sind. „Es ist für die Menschen eigentlich kaum vorstellbar, dass es in einem Land wie Deutschland zu der Situation kommen kann, dass dringend benötigte Medikamente nicht lieferbar sind", sagt Onkologe Prof. Carsten Bokemeyer vom Universitäts-Klinikum Hamburg in der Sendung.

Als Beispiel für häufig autretende und problematische Lieferengpässe nennt der NDR-Beitrag die beiden Zytostatika DepoCyte® und Melphalan. DepoCyte® enthält den Antimetaboliten Cytarabin und wird bei Meningeosis lymphomatosa, einer lebensbedrohlichen Komplikation von Lymphomen, intrathekal angewendet. DepoCyte® gibt den Wirkstoff nur langsam ab und muss daher nur alle zwei Wochen verabreicht werden. Die Alternativen, so heißt es im Beitrag, kommen zwei- bis dreimal pro Woche zum Einsatz. Für DepoCyte® war von März bis November 2017 zuletzt ein Lieferengpass gemeldet.

Bereits Anfang des vergangenen Jahres beklagte sich die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) über Lieferengpässe bei dem Alkylanz Mephalan, die in den letzten Jahren wiederholt auftraten. Der unter dem Handelsnamen Alkeran® bekannte Wirkstoff zählt zur Standardtherapie bei Patienten mit Multiplem Myelom und wird zur Vorbereitung von Stammzelltransplantationen eingesetzt, wo es signifikant die Überlebenszeit erhöht. Der Beitrag verweist darauf, dass infolge des letzten Melphalan-Engpasses in Deutschland über 50 Therapien verschoben werden mussten, möglicherweise mit dramatischen Folgen für die Erkrankten.

Pharmafirmen häufig von nur einem Hersteller abhängig

Als Ursachen für die Lieferengpässe führt der Bericht Mängel in der Produktion an, die in 90 Prozent der Fälle verantwortlich sein sollen. Viele Pharmafirmen ließen in Ländern wie Indien produzieren, um so den Gewinn zu steigern, wie der NDR erklärt. Dort seien die Unternehmen häufig von nur einem Hersteller abhängig. Kommt es zu Problemen in der Produktion, ist gleich die ganze Versorgung in Gefahr, da bei Arzneimitteln wie Melphalan die Vorräte schnell aufgebraucht seien.

Im NDR-Beitrag wird auch die Lieferengpass-Liste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erwähnt. Diese schaffe zumindest Transparenz und ermögliche es den behandelnden Ärzten, die Restbestände den Patienten zukommen zu lassen, die es am dringendsten benötigen. Doch das allein reiche nicht. Deshalb, so der Beitrag, forderten Ärzte und Apotheker, dass Pharmaunternehmen dazu verpflichtet werden, wichtige Arzneimittel vorrätig zu halten. Für ausbleibende Lieferungen solle es massive Strafen geben.


Dr. Mathias Schneider, Apotheker, Volontär DAZ
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Typisch

von Bernd Jas am 11.01.2018 um 16:35 Uhr

Das Zitat von Prof. Carsten Bokemeyer in Kombination mit der Aussage bezüglich empfindlicher Strafen für Pharmafirmen spricht Bände.

"Wer will nochmal wer hat noch nicht; ein Vertrag zur Schlachtbank, heute wieder im Angebot!"

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Strategische Reserve

von Dr. Arnulf Diesel am 10.01.2018 um 19:15 Uhr

Die Pflicht, wichtige Mittel vorrätig zu halten gibt es nur für Apotheken, finanziert von der Apotheke selbst, die die meisten der Mittel regelmäßig entsorgen muß. Wäre eine bessere Versorgung gewünscht, ließe sich daß über einen Bevorratungszuschlag auf jede Packung darstellen - ähnlich wie beim Mineralöl. Sie ist aber politisch nicht gewollt. Hauptsache, es geht noch billiger. Die Parteien, die für Umweltschutz uns soziale Gerechtigkeit gestanden haben sind bekanntlich die schlimmsten Preistreiber. Die Zustände in Indien und China, was Umweltschutz und Arbeitsbedingungen angehen, sind dabei völlig egal. Bei einem Versorgungsengpaß sind zwar alle Menschen gleich, aber einige sind etwas gleicher als der Rest. Gegen Geld läßt sich irgendwie doch noch eine Dosis auftreiben.

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