Kampf gegen Adipositas

WHO will Bierwerbung einschränken

Genf / Stuttgart - 29.12.2017, 10:15 Uhr

Brauereien werben in Deutschland gerne mit schönen Bildern. Einschränkungen gibt es keine. (Foto: julianki / stock.adobe.com)

Brauereien werben in Deutschland gerne mit schönen Bildern. Einschränkungen gibt es keine. (Foto: julianki / stock.adobe.com)


Immer mehr Menschen sind zu dick – Erwachsene, aber auch Kinder. Gesündere Ernährung und mehr Bewegung lauten die Ratschläge der WHO. In Deutschland will die Organisation zudem bei der Werbung ansetzen, unter anderem für Bier. Denn das mache besonders dick, die Firmen dürften aber uneingeschränkt dafür werben, kritisieren die WHO-Experten. Die freiwillige Selbstkontrolle funktioniere nicht. 

Schöne, zufriedene, gesunde Menschen auf einem Segelboot, am Strand oder sonst wo in gemütlicher Runde – mit solchen Bildern werben Brauereien in Deutschland für ihre Produkte. Und das gefällt der WHO gar nicht. Nach deren Meinung muss nämlich das Problem der Fettleibigkeit rigoroser bekämpft werden. Denn die habe in Deutschland, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, alarmierende Ausmaße angenommen. Daher müsse vor allem die Werbung für Süßwaren und  Junk-Food, aber eben auch für Bier stärker eingeschränkt werden. Bier mache besonders dick und Werbung dafür sei in Deutschland nicht verboten, sagt Ernährungswissenschaftlerin Juana Willumsen, WHO-Expertin für Fettleibigkeit bei Kindern, der Deutschen Presse-Agentur. Das trage womöglich zum steigenden Gewicht vieler Erwachsener, aber auch vieler Jugendlicher bei. Es reicht ihrer Ansicht nach nicht, bei Werbung auf eine freiwillige Selbstkontrolle durch die Hersteller zu setzen. Die Werbung müsse klar reguliert sein, die Einhaltung müsse überwacht werden und es müsse Strafen bei Verstößen geben.

WHO: Selbstkontrolle funktioniert nicht

Zur Effizienz freiwilliger Selbstkontrollen legten vorläufige Ergebnisse zahlreicher Studien vor allem eines nahe, so Willumsen: „Es funktioniert nicht.“ Hersteller von Süßwaren und -getränken und anderem Junk Food verpflichteten sich oft nur zu sehr begrenzten Einschränkungen. Dann werde etwa auf Werbung in Zeichentricksendungen oder Programmen nur für unter Fünfjährige verzichtet. „Junge Leute sind aber bis 16 sehr anfällig für Werbung, und die sehen auch andere Programme“, meinte Willumsen.

Auch nach Ansicht der Verbraucherorganisation Foodwatch trägt die Lebensmittelindustrie eine Mitverantwortung für Übergewicht und Fehlernährung bei Kindern, da sie fast ausschließlich unausgewogene Produkte für Kinder vermarkte, etwa Süßigkeiten oder salzig-fettige Snacks. „Damit muss Schluss sein“, sagte Foodwatch-Sprecher Andreas Winkler. „Es geht nicht darum, Süßigkeiten zu verbieten, sondern darum, Kinder vor den Übergriffen der Industrie zu schützen.“ Die Politik müsse endlich handeln. Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie sowie der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde waren am Freitag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

2016: In Deutschland 11,2 Prozent der Jungen fettleibig

Die WHO empfiehlt neben den Werbeeinschränkungen mehr Schulsport sowie eine Stadt- und Transportplanung, die Laufen, Fahrradfahren und sportliche Freizeitbeschäftigung fördert. Schulkinder hätten laut Statistik in Deutschland 2014 weniger Obst- und Gemüse gegessen als 2002. Der Softdrink-Konsum sei zwischen 2002 und 2006 gesunken, steige aber wieder. Nach der von der WHO genutzten Statistik des Wissenschaftler-Netzwerks NCD-RisC waren 2016 in Deutschland 6,9 Prozent der Mädchen und 11,2 Prozent der Jungen zwischen 5 und 19 Jahren fettleibig. 1980 waren es bei den Jungen nur vier Prozent, im Jahr 2000 waren es 8,1 Prozent. Ab welchem Gewicht ein Kind als fettleibig gilt, wird weltweit einheitlich berechnet. Dabei werden Alter und Größe berücksichtigt. 2016 fielen in Österreich 11,3 Prozent der Jungen in die Kategorie, in der Schweiz sieben Prozent.

Mehr fettleibige Jungen als in Deutschland gibt es unter anderem in Spanien (12,9 Prozent), Italien (14,5 Prozent), China (15,4 Prozent) und den USA (23,3 Prozent). Weniger sind es dagegen in Großbritannien mit 10,9 Prozent oder in Frankreich mit 8,9 Prozent. In Indien lag der Anteil erst bei 2,4 Prozent.


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.