Britische Arzneimittelbehörde 

Bei Clozapin an anticholinerge Nebenwirkungen denken

Stuttgart - 18.12.2017, 16:15 Uhr

Vergessene Nebenwirkung? Die britische Arzneimittelbehörde erinnert an den Einfluss von Cloazapin auf die Darmperistaltik. (Foto: Stockfotos-MG / stock.adobe.com)

Vergessene Nebenwirkung? Die britische Arzneimittelbehörde erinnert an den Einfluss von Cloazapin auf die Darmperistaltik. (Foto: Stockfotos-MG / stock.adobe.com)


Geht es um Nebenwirkungen des atypischen Neuroleptikums Clozapin, fallen vermutlich den meisten als erstes die gefürchteten Blutbildstörungen ein. Doch auch die Auswirkungen auf die Darmperistaltik dürfen nicht vergessen werden. Daran erinnert aktuell die britische Arzneimittelbehörde. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft hat das Thema aufgegriffen. 

Die antipsychotische Wirkung von Clozapin beruht hauptsächlich auf einer Hemmung des Dopamin-D4-Rezeptors. Damit unterscheidet es sich maßgeblich von den meisten anderen Neuroleptika, die ihre Wirkung vor allem über Dopaminrezeptoren vom Typ D2 beziehungsweise D3 entfalten. Doch Clozapin wirkt, wie die anderen Neuroleptika auch, auf eine ganze Reihe anderer Rezeptorsysteme, unter anderem die muscarinen Acetylcholinrezeptoren vom Typ M1, zu denen Clozapin eine vergleichsweise hohe Affinität besitzt. Die Blockade von M1-Rezeptoren wird, neben der D4-Selektivität, einerseits mit dem Fehlen des Auftretens extrapyramidal-motorischer Störungen (EPMS) in Zusammenhang gebracht – ein Alleinstellungsmerkmal von Clozapin, aber eben auch mit einer Reihe unerwünschter Wirkungen.

An diese erinnert nun die britische Arzneimittelbehörde. Konkret geht es um den Einfluss von Clozapin auf die Darmperistaltik. Clozapin kann zu Verstopfungen führen, was laut Packungsbeilage sehr häufig der Fall ist, aber eben auch zu Darmverschluss, Koprostase und paralytischem Ileus. Letztere treten zwar sehr selten auf, sind aber wegen ihrer Schwere klinisch relevant. Im Einzelfall können sie sogar tödlich enden. 

Haben Ärzte das Risiko nicht auf dem Schirm?

Dass Clozapin dieses Risiko birgt, ist lange bekannt und sowohl in den britischen als auch in den deutschen Fachinformationen erwähnt. Dennoch äußerte vor kurzem ein Gerichtsmediziner, der einen der Todesfälle untersuchte, gegenüber der britischen Behörde Bedenken, dass Medizinern diese Risiken nicht ausreichend bewusst seien – insbesondere das Risiko einer Pseudoobstruktion oder eines paralytischen Ileus sowie die Tatsache, dass diese unerwünschten Wirkungen sich sehr schnell entwickeln können.

Daher weist die Behörde eindringlich noch einmal darauf hin, dass Clozapin bei paralytischem Ileus kontraindiziert ist. Bei Patienten, die andere Arzneimittel anwenden, die ebenfalls zu Obstipation führen, gilt es, besonders vorsichtig zu sein. Das können beispielsweise andere Antipsychotika, Antidepressiva oder Antiparkinsonmittel sein. Auch Patienten mit Dickdarmerkrankungen oder die Operationen am Unterbauch in der Vorgeschichte aufweisen sowie Patienten ab 60 Jahren zählen zur Risikogruppe.

Patienten, die mit Clozapin behandelt werden, sollen über das Risiko informiert werden. Zudem sind sie angehalten, entsprechende Beschwerden unverzüglich anzusprechen. Tritt unter Clozapin eine Obstipation auf, sollte sie aktiv behandelt werden. 

Clozapin

Das atypische Neuroleptikum Clozapin wird zur Behandlung therapieresistenter Schizophrenie eingesetzt. Auch schizophrene Patienten, die mit schweren, nicht zu behandelnden neurologischen unerwünschten Reaktionen auf andere Neuroleptika reagieren, können einen Therapieversuch mit Clozapin starten. Außerdem setzen Ärzte es zur Behandlung von Psychosen im Verlauf eines Morbus Parkinson nach Versagen der Standardtherapie ein.

Die Wirkung beruht auf einer Blockade von Dopamin-D4-Rezeptoren. Das Besondere an Clozapin ist, dass es auch in hoher Dosierung keine EPMS (extrapyramidal-motorischen Störungen) verursacht. Allerdings birgt Clozapin das Risiko einer Agranulozytose, weswegen es nur unter Auflagen, wie regelmäßige Blutbildkontrollen, verordnet werden darf. 


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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