Abgabefehler in der Apotheke

In der Schweiz häufiger, in UK eine Straftat

Schweiz / United Kingdom - 30.11.2017, 09:50 Uhr

Abgabefehler in Apotheken: in UK derzeit noch eine Straftat für Apotheker. (Foto: dpa)

Abgabefehler in Apotheken: in UK derzeit noch eine Straftat für Apotheker. (Foto: dpa)


Abgabefehler, der Horror des pharmazeutischen Personals in der Apotheke. Ein Schweizer Radio- und Fernsehsender hat das Thema jetzt aufgriffen. Und auch in Großbritannien wird eine Gesetzesänderung diskutiert, die die Apotheker wegen eines solchen Versehens „entkriminalisieren“ soll. Dort sind Abgabefehler bislang eine Straftat.

In der Schweiz stellt das „Schweizer Radio und Fernsehen (SRF)“ online zum Thema Abgabefehler in Apotheken den Patienten Mohammad Semsarkhiabani vor, der unter zu hohen Blutfettwerten leidet. Der Arzt hatte ihm das Medikament Lipanthyl verschrieben. Seine Frau brachte allerdings aus der Apotheke statt dessen Litalir mit. Da das Präparat für den Patienten neu war, wollte er sich vor der Einnahme über etwaige Nebenwirkungen informieren. Dabei stellte er fest, dass das Arzneimittel eine ganz andere Indikation hatte, nämlich Krebserkrankungen. Außerdem klebte auf der Packung ein Etikett mit dem Namen einer anderen Person, für die das Medikament bestimmt war, offenbar ein Abgabefehler.

Leberschaden statt Heilung

Die Apotheker-Kette Topwell, zu der auch die abgebende Apotheke gehört, habe zu ihrer Verteidigung Folgendes erklärt: Die beiden Medikamente seien für zwei unterschiedliche Personen mit ähnlichen fremdländischen Familiennamen reserviert gewesen. Außerdem seien die Medikamentennamen ähnlich, und sie hätten identische Anfangsbuchstaben. Man gab zu, dass der personifizierte Abholschein nicht ordnungsgemäß mit dem reservierten Medikament und dem korrekten Patientennamen verglichen worden war. Es folgte eine Entschuldigung beim Patienten.

Kein Einzelfall

Diese Falschmedikation hätte böse Folgen haben können, sagt Enea Martinelli, Chefapotheker der Spitäler Frutigen, Meiringen und Interlaken und Experte für Patientensicherheit gegenüber dem SRF: „Die Einnahme des falschen Medikaments über längere Zeit hätte das Blutbild des Patienten stark verändern können und sogar zu einer Schädigung der Leber führen können.“ Martinelli bestätigte gegenüber dem Sender, dass Fehler bei der Abgabe von Medikamenten immer wieder vorkämen. Offizielle Zahlen gebe es dazu jedoch nicht. Er schätzt, dass allein in seinen Apotheken im Schnitt eine Falschmedikation pro Monat passieren könnte.

Vier-Augen-Prinzip ist Pflicht

Die Schweizer Regeln für die Gute Abgabepraxis verlangen für die Abgabe von Arzneimitteln das Vier-Augen-Prinzip, das heißt eine Doppelkontrolle. Dabei muss eine der beiden kontrollierenden Personen für die Abgabe qualifiziert und dazu berechtigt sein. In vielen Apotheken finde einen Tag später sogar noch eine weitere Überprüfung der Daten statt, berichtet SRF, und dennoch sollen selbst bei mehrfachem Kontrollsystem immer wieder Fehler unterlaufen.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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