„Amazonisierung“ des Arzneimittelhandels

Wie Onlinehändler den OTC-Markt in den USA umkrempeln

Berlin - 23.11.2017, 16:30 Uhr

In den USA zeigt sich der Einfluss der großen OTC-Versandhändler bereit deutlich in den Bilanzen von Pharmakonzernen und Apothekenketten. (Foto: BVDVA)

In den USA zeigt sich der Einfluss der großen OTC-Versandhändler bereit deutlich in den Bilanzen von Pharmakonzernen und Apothekenketten. (Foto: BVDVA)


Der E-Commerce, also der Einkauf via Internet, macht sich auch im Pharmamarkt immer mehr breit. Insbesondere bei US-Apotheken und -Drogerien hinterlässt die sogenannte Amazonisierung des Geschäftes mittlerweile deutliche Spuren. Die Blüte der Onlinehändler geht allerdings zulasten etablierter Pharmakonzerne, die insbesondere im OTC-Geschäft deutliche Umsatzrückgänge verbuchen.

Dass der Internetriese Amazon seit geraumer Zeit ein Auge auf den Arzneimittelmarkt geworfen hat, ist kein Geheimnis. Während sich der Handelskonzern hierzulande bislang noch mit stillen Sondierungen zu begnügen scheint, schürten in den USA die kürzlich abgeschlossene 14-Milliarden-Dollar-Übernahme der Supermarktkette Whole Foods als auch der Erwerb von Pharma-Großhandelslizenzen in mehreren Bundesstaaten Spekulationen, der Onlineriese könnte als nächstes in das Geschäft mit Arzneimitteln einsteigen. Es wäre ein durchaus lukratives Business, denn mit einem Volumen von 45 Milliarden Dollar stellen die USA den weltweit größten OTC-Markt – der Zweig des Medikamentengeschäftes, in dem die Onlinewelt aktuell den meisten Umsatz erzielt.

Wenngleich Amazon zu derartigen Überlegungen konsequent schweigt, sind die Auswirkungen des zunehmenden Online-Einkaufs von Arzneimitteln vor allem jenseits des Atlantiks bereits deutlich spürbar. So ist die Zahl der eigenständigen „Drugstores“ und Pharmashops bei großen Einzelhändlern und Apothekenketten wie Walmart, CVS, Walgreens oder Rite Aid deutlich gesunken. „In diesem Jahr werden weitaus mehr Läden schließen, als es während der Finanzkrise 2008 und 2009 der Fall war“, zitierte das Handelsblatt kürzlich Erica Mann, die im Bayer-Vorstand die Consumer-Health-Division verantwortet. Mann sprach in diesem Zusammenhang vom „Amazon-Effekt“, Fachleute nennen dies die „Amazonisierung" des Geschäfts mit rezeptfreien Pillen – eine Entwicklung, die übrigens nicht an Landesgrenzen Halt macht. So hat beispielsweise das neuseeländische Beratungsunternehmen Moore Stephens Markhams ermittelt, dass das Nettoergebnis der dortigen Apotheken in Relation zum Umsatz kontinuierlich zurückgeht. Ein wesentlicher Grund: technologische Entwicklungen.

Markt ist reif für grundlegenden Wandel

„Die Gewichte verschieben sich immer stärker Richtung E-Commerce“, beobachtet auch Bayer-Chef Werner Baumann und spricht laut Handelsblatt von einer „schwierigen Situation“. Tatsache ist: Der Preisdruck und die Konkurrenz nehmen zu, der Onlinehandel erfasst immer mehr Bereiche insbesondere des OTC-Marktes. Passend dazu wies der US-Wirtschaftssender CNBC kürzlich darauf hin, dass nach Einschätzung zahlreicher Branchenexperten der US-Apothekenmarkt reif für einen grundlegenden Wandel sei, in dem die Spielregeln neu definiert werden.

Die Ursachen für diese Entwicklung liegen auf der Hand. Einkäufe via Computer und Smartphone sind zur Normalität geworden. Wo Elektroartikel und Lebensmittel online erworben und nach Hause geliefert werden, stellen auch Arzneimittel keine Ausnahme mehr dar. Dabei ist für viele Kunden ein wesentlicher Kaufanreiz, dass Arzneimittel im Internet oft billiger als in der stationären Apotheke sind. „Die OTC-Welt wird flach, und das ziemlich schnell“, zitiert das Handelsblatt den auf den Gesundheitsmarkt spezialisierten Berater Ed Rowland von der Strategieberatung Rowland Global. Vor 15 Jahren sei es noch möglich gewesen, im stationären Handel unterschiedliche Preise an unterschiedlichen Orten zu nehmen. Das gehe heute nicht mehr.

So haben die Non-Profit-Organisation Peterson Center on Healthcare und die auf Analysen in der Gesundheitsbranche spezialisierte Kaiser Family Foundation ermittelt, dass die Preise für Generika in den USA seit 2008 um nahezu 75 Prozent zurückgegangen sind.



Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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