Neuroleptikum mit Sensor

FDA lässt Big-Brother-Tablette zu

Stuttgart - 17.11.2017, 14:15 Uhr

Die FDA hat die Sensor-Tablette vor Kurzem zugelassen. (Foto: picture alliance / AP Photo)

Die FDA hat die Sensor-Tablette vor Kurzem zugelassen. (Foto: picture alliance / AP Photo)


Schummeln bei der Arzneimitteleinnahme? Mit AbilifyMyCite keine Chance. Die Tablette enthält neben dem Neuroleptikum Aripiprazol einen Sensor, der, sobald er mit der Magensäure in Kontakt kommt, ein Signal sendet. Die amerikanische Aufsichtsbehörde FDA hat das Arzneimittel nun zugelassen. 

Aus dem Magen, an ein Pflaster, auf das Smartphone – auf diesem Weg sendet AbilifyMyCite das Signal, dass es eingenommen wurde. In die Aripiprazol-Tablette ist ein Sensor aus Kupfer, Magnesium und Silizium eingebaut, der bei Berührung mit der Magensäure reagiert und ein elektrisches Signal an ein Pflaster sendet. Das Pflaster wird links am Brustkorb getragen und nach sieben Tagen erneuert. Die Übertragung vom Pflaster an das Smartphone funktioniert per Bluetooth. Willigt der Patient ein, kann der behandelnde Arzt auf die Daten zugreifen und so die Einnahme kontrollieren.

Was ziemlich futuristisch klingt, ist in den USA nun zugelassen worden. Zulassungsinhaber ist Otsuka Pharmaceutical, die Technologie, also Sensor und Pflaster, stammen von Proteus Digital Health. 2016 wurde mit ersten Praxistests in bestimmten Krankenhäusern begonnen. Die Sensortechnologie wurde erstmalig im Jahr 2012 von der FDA zugelassen. Sie wird bereits vereinzelt eingesetzt, zum Beispiel bei Arzneimitteln gegen Bluthochdruck oder Hepatits C. Bislang konnte der Sensor allerdings nicht in Tabletten verpresst werden, sondern wurde ausschließlich von Apotheken in Kapseln verarbeitet.   

Bei Schizophrenie und bipolarer Störung

AbilifyMyCite ist zugelassen bei Schizophrenie sowie zur Akutbehandlung manischer und gemischt manisch-depressiver Episoden im Zusammenhang mit einer Bipolar-I-Störung. Außerdem kann es als Add-on bei Depressionen eingesetzt werden. Die neue Technologie dient allerdings nur der Kontrolle der Adhärenz. Um die Einnahme in Echtzeit oder im Notfall nachzuvollziehen, eignet sie sich laut FDA nicht – das Signal werde erst mit einiger Verzögerung oder unter Umständen auch gar nicht übertragen. Die FDA weist zudem darauf hin, dass nicht belegt ist, ob diese Kontrolle wirklich die Bereitschaft zur Arzneimitteleinnahme erhöht.

Auch beim Thema Datenschutz scheinen noch einige Fragen offen zu sein. So befürchtet Ameet Sarpatwari, ein Epidemiologe von der Harvard Medical School, gegenüber der New York Times, dass die Daten in den falschen Händen mehr Schaden als Nutzen verursachen könnten. Er sieht aber auch das Potenzial der Technologie. So könnten seiner Meinung nach insbesondere Patienten profitieren, die die Einnahme oft vergessen, ihre Arzneimittel aber grundsätzlich gerne einnehmen würden.  

Ist Schizophrenie die richtige Indikation?

Einige Experten fragen sich zudem, ob Schizophrenie die richtige Indikation ist, um so ein System flächendeckend zu testen. Zwar setzten diese Patienten tatsächlich besonders oft Arzneimittel aufgrund von Nebenwirkungen ab, was häufig zu Rückfällen führt. Aber ob Menschen, die ohnehin zum Teil unter Paranoia als Teil ihres Krankheitsbildes leiden, eine Therapie akzeptieren, bei der der Arzt sie überwachen kann, wird als fraglich erachtet.

Ein Preis für AbilifyMyCite ist bislang nicht bekannt. Nächstes Jahr soll die Vermarktung beginnen, heißt es seitens des Herstellers – zuerst bei wenigen Versicherungen. Der Preis, aber auch inwiefern das Arzneimittel wirklich die Adhärenz verbessert, werde ausschlaggebend für die Verbreitung sein.


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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