Jahresgutachten

Wirtschaftsweise fordern mehr Digitalisierung im Gesundheitswesen

Stuttgart - 08.11.2017, 14:20 Uhr

Die Wirtschaftsweisen haben am heutigen Mittwoch ihr Jahresgutachten an die Kanzlerin überreicht. (Foto:dpa)

Die Wirtschaftsweisen haben am heutigen Mittwoch ihr Jahresgutachten an die Kanzlerin überreicht. (Foto:dpa)


„Die Rückstände bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen sind abzubauen.“ Das fordert der Wirtschafts-Sachverständigenrat in seinem aktuellen Jahresgutachten. Konkrete Forderungen zum Apothekenmarkt finden sich diesmal nicht – lediglich allgemeine Kritik an innovationshemmenden Regulierungen, die nach Ansicht des Gremiums die Verbreitung der Digitalisierung  verhindern. Exemplarisch nennt es den restriktiven Umgang mit Online-Apotheken – neben Taxis und Presseverlagen.  

Wie jedes Jahr hat der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ein Jahresgutachten erstellt. Es wurde am heutigen Mittwoch in Berlin vorgestellt. Darin unterbreiten die sogenannten Wirtschaftsweisen Vorschläge „für eine zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik“. Nach Ansicht des Gremiums bietet die derzeit sehr gute konjunkturelle Lage beste Bedingungen für eine Neujustierung der Wirtschafts- und Steuerpolitik – ein Arbeitsauftrag an die neue Bundesregierung. Dazu gehöre auch eine Entlastung vor allem mittlerer Einkommen von Steuern und Abgaben, heißt es.

Anreize für sektorenübergreifende Versorgung 

Auch der Gesundheitsversorgung ist ein Absatz gewidmet. Er ist überschreiben mit „Effizienzpotenziale bei der Gesundheitsversorgung“. Diese gilt es nämlich nach Ansicht des Gremiums zu heben. Auf konkrete Äußerungen zum Apothekenmarkt verzichten die Wirtschaftsweisen dieses Mal. Im vergangenen Jahr hatte sich noch die Forderung nach der Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbots von Apotheken im Gutachten gefunden. Nun heißt es nur, dass die Leistungserbringer allgemein ein Ansatzpunkt sein, Effizienzpotenziale zu heben. So zeichneten sie sich durch eine hohe Regulierungsdichte aus, die einer sektorenübergreifenden Versorgung entgegenstehe. Das Gremium fordert daher, die Anreize für Leistungserbringer zur sektorenübergreifenden Versorgung auszubauen. 

Zudem erachtet es der Sachverständigenrat für notwendig, den Rückstand Deutschlands bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens abzubauen. Vor allem gelte es die elektronische Gesundheitsakte in Gang zu bringen, damit Leistungserbringer, darunter auch Apotheker, jederzeit auf für die Behandlung von Patienten wichtige Informationen zugreifen können. Auf diese Weise könnten Doppeluntersuchungen reduziert, die Medikation von Patienten mit einer Vielzahl an einzunehmenden Arzneimitteln transparenter gestaltet und die Diagnostik unterstützt werden, heißt es. Verbesserungsbedarf sehen die Wirtschaftsweisen auch bei der Innovationsoffenheit im Gesundheitswesen generell, insbesondere im Bereich der digitalen Angebote, der Telemedizin, der Robotik und Sensorik. Denn diese Angebote böten nicht nur das Potenzial, dem Fachkräftemangel mittelfristig entgegen zu wirken, sondern könnten auch ein Lösungsansatz für die medizinische Versorgung ländlicher und strukturschwacher Regionen sein, schreiben die Wirtschaftsweisen. 

Innovationshemmende Regulierungen – bei Online-Apotheken und im Taxigeschäft

Auch Online-Apotheken kommen im Gutachten vor. Sie werden in einem Atemzug mit dem Taximarkt und Presseverlagen genannt. Die Wirtschaftsweisen kritisieren nämlich im Kapitel „Arbeitsmarkt: Fachkräftesicherung im digitalen Wandel“, dass die Potenziale der digitalen Infrastruktur bislang nicht ausgeschöpft würden, und zwar sowohl angebots- als auch nachfrageseitig. Auf der Nachfragseite stünden bisweilen innovationhemmende Regulierungen der Verbreitung der Digitalisierung im Wege, finden die Wirtschaftsweisen. Als Beispiele führen sie hier, neben der mangelnden Liberalisierung des Taximarktes und dem nach Auffassung des Gremiums innovationsfeindlichen Leistungsschutzrecht für Presseverlage, den „restriktiven Umgang mit Online-Apotheken“ an.


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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