Atemwegsinfekte

Gezieltere Antibiotikatherapie dank Procalcitonin

Remagen - 07.11.2017, 09:10 Uhr

Ein bakterieller Infekt lässt sich oft nur schwer von einem viralen unterscheiden. (Foto: Alexander Raths / Fotolia)

Ein bakterieller Infekt lässt sich oft nur schwer von einem viralen unterscheiden. (Foto: Alexander Raths / Fotolia)


Der körpereigene Marker Procalcitonin kann dabei helfen, den Einsatz von Antibiotika bei Infektionen gezielt zu steuern. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass damit die Antibiotikatherapie von Atemwegsinfekten verkürzt werden kann. Auch die Nebenwirkungen und die Mortalität der Patienten nehmen ab. 

Forscher von der Universität und vom Universitätsspital Basel sowie vom Kantonsspital Aarau haben in einer umfangreichen Metaanalyse analysiert, welche Rolle die Steuerung der Antibiotikatherapie über das Prohormon Procalcitonin bei der Therapie von akuten Atemwegsinfektionen spielen könnte. Die Ergebnisse ihrer Studie wurden in der Fachzeitschrift „The Lancet Infectious Diseases“ veröffentlicht. 

Procalcitonin (PCT) ist das Prohormon des Schilddrüsenhormons Calcitonin. Es kann außer in neuroendokrinen Zellen (C-Zellen im Gewebe der Schilddrüse, der Lunge und der Bauchspeicheldrüse) im Rahmen bakterieller Infekte wahrscheinlich in vielen Geweben produziert und anschließend in das Blut ausgeschüttet werden. Im Blut gesunder Menschen ist PCT praktisch nicht nachweisbar. Bei systemischen und septisch verlaufenden Infektionen, besonders beim septischen Schock sowie beim Versagen mehrerer Organe (z. B. Leber- und Niereninsuffizienz) tritt es in hohen Konzentrationen im Plasma auf. Nach Einschwemmung von Bakterien in die Blutbahn steigt PCT innerhalb von drei bis vier Stunden an, ein signifikanter Anstieg erfolgt nach acht bis zehn Stunden und bleibt mindestens 24 Stunden erhalten.

Diesen Mechanismus können sich Mediziner bei der Diagnose von Infektionskrankheiten zunutze machen, denn eine Antibiotika-Behandlung ist bekanntermaßen nur bei bakteriellen Infektionen sinnvoll. Besonders bedeutsam könnte dies für Atemwegsinfektionen sein. Gerade bei diesen ist oft schwer zu entscheiden, ob die Infektion bakterieller und viraler Natur ist. 

Geringere Mortalität und weniger Antibiotika

Die aktuelle Metaanalyse unter Leitung von Philipp Schütz vom Departement Klinische Forschung der Universität Basel, Kantonsspital Aarau, poolte Patientendaten aus 26 klinischen Studien in zwölf Ländern. In diesen erhielten rund 6700 Personen mit akuten Atemwegsinfekten entweder Antibiotika basierend auf den Procalcitonin-Konzentrationen oder ohne eine solche Steuerung. Primärer Endpunkt war die 30-Tages-Mortalität. Sekundäre Endpunkte waren der Antibiotika-Gebrauch, die Länge der Behandlung und die Nebenwirkungen. Für die Patienten mit der Procalcitonin-gesteuerten Behandlung fanden die Autoren nach 30 Tagen eine signifikant niedrigere Mortalität (286, bzw. 8,6 Prozent) von 3336 Patienten, die mithilfe des Infektionsmarkers therapiert worden waren, gegenüber 336 bzw. 10 Prozent in der Kontrollgruppe von 3372 Patienten. Der Nutzen bezüglich der Mortalität war unabhängig von der Umgebung und der Art der Infektion immer gleich, obwohl die Mortalität bei Patienten in der Primärversorgung und bei Patienten mit akuter Bronchitis sehr niedrig war.

Die Steuerung der Therapie über Procalcitonin ging außerdem mit einer Verkürzung der Therapiedauer um zwei bis vier Tage einher (5,7 versus 8,1 Tage), und auch die Nebenwirkungen durch die Antibiotika waren geringer (16 versus 22 Prozent).

In den USA als Marker zur Steuerung der Therapie zugelassen

„Diese Resultate machen auch Hoffnung, dass dem weltweiten Trend der Antibiotika-Resistenzbildung entgegengewirkt werden kann“, kommentiert Schütz die Studie.  

In den USA hat die FDA Procalcitonin im Februar 2017 als Infektionsmarker zur Steuerung der antibiotischen Therapie von akuten Atemwegsinfektionen zugelassen


Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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