Morbi-RSA

Gutachter: Arzneimittel stärker bei Kassen-Finanzierung berücksichtigen

Berlin - 20.10.2017, 12:50 Uhr

(Foto: pgonici / stock.adobe.com)

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Seit Jahren streiten sich die Krankenkassen über den Morbi-RSA, ein finanzieller Ausgleichs-Mechanismus zur Verteilung der Gelder aus dem Gesundheitsfonds. Insbesondere die AOK muss sich Vorwürfe gefallen lassen, nach denen sie bevorteilt wird. Nun liegt ein vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) in Auftrag gegebenes Gutachten mit Reformvorschlägen vor.

Der sehr komplizierte Verteilungsmechanismus nennt sich morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA). Der wurde entworfen, damit Kassen mit älteren und kränkeren Versicherten, die somit auch höhere Ausgaben haben, im Wettbewerb mit Kassen bestehen können, die viele junge und gesunde Versicherte haben. Deswegen hängt die Höhe der Ausschüttungen aus dem Fonds unter anderem vom Alter und Krankheitsstand der Versicherten ab. Für einen älteren Patienten mit chronischen Krankheiten erhält eine Krankenkasse zusätzlich zu einer Grundpauschale diverse Zuschüsse aus dem Fonds. Gleichzeitig muss die gleiche Kasse aber Abschläge an der Grundpauschale für einen jungen, gesunden Versicherten hinnehmen.

Bereits seit Längerem steht der Morbi-RSA in der Kritik: Viele Krankenkassen beschweren sich darüber, dass das AOK-System mehr von dem Verteilungsmechanismus profitiere als andere Kassen. Das Bundesland Bayern fordert außerdem, dass bei der Ausschüttung der Gelder aus dem Fonds an die Kassen auch regionale Aspekte berücksichtigt werden.

Zuletzt kamen dann noch Beschwerden von TK-Chef Jens Baas dazu: Der erklärte gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, dass die Kassen von 2014 bis 2016 eine Milliarde Euro für die Manipulation des Morbi-RSA ausgegeben hätten, um an mehr Geld zu kommen. Durch diese Aussage kam noch mehr Bewegung in die Diskussion.

Gutachter: Auch Arzneimittel-Verordnungen berücksichtigen

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) gab beim wissenschaftlichen Beirat des Bundesversicherungsamts daraufhin ein Sondergutachten in Auftrag, dessen Kurzfassung nun vorliegt. Das Gutachten bestätigt die Vorwürfe, dass einzelne Kassen durch den Morbi-RSA begünstigt und andere benachteiligt wurden. Die Gutachter haben auch Belege dafür gefunden, dass die Ausschüttungen des Fonds von den Kassen manipuliert wurden. Allerdings wollen die Gutachter nicht auf die Arztdiagnosen verzichten, vielmehr soll die bisherige Auswahl von 80 Krankheiten auf alle Krankheiten erweitert werden. Außerdem sollen künftig auch die bei den Kassen abgerechneten Arzneimittel-Verordnungen stärker bei den Ausschüttungen berücksichtigt werden.

Während die Vorschläge von der AOK begrüßt werden, üben die benachteiligten Kassen heftige Kritik. So äußerte Jens Baas: „Ein Vollmodell würde den vorhandenen Kodieranreiz weiter stärken und die Manipulationsanfälligkeit des Morbi-RSA-Systems weiter erhöhen.“ Der Vorschlag widerspreche „eklatant politischen Zielsetzungen“, denn Union, FDP und Grüne hätten angekündigt, faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen und den Morbi-RSA weniger manipulationsanfällig zu machen. Auch Franz Knieps vom BKK Dachverband zeigte sich enttäuscht und beklagte: „Die Vorschläge des Beirats geben benachteiligten Kassen Steine statt Brot.“ 


Dr. Christine Ahlheim (cha), Chefredakteurin AZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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