Methode mit Zukunft?

Krebsfrüherkennung über zirkulierendes Tumor-Erbgut 

Baltimore/Heidelberg - 21.08.2017, 10:00 Uhr

Noch ist es Zukunftsmusik: die zuverlässige Früherkennung von Tumoren per Bluttest. (Foto: Alexander Rates / Fotolia)

Noch ist es Zukunftsmusik: die zuverlässige Früherkennung von Tumoren per Bluttest. (Foto: Alexander Rates / Fotolia)


Bisher galt es als Vision: per Bluttest verschiedene Tumorarten im Frühstadium erkennen. Eine Studie, in der für bestimmte Tumorentitäten charakteristische DNA-Fragmente aufgespürt wurden, brachte nun vielversprechende Ergebnisse. Die Entwicklung praxistauglicher Tests wird allerdings noch einige Jahre dauern.

Ein Bluttest kann vier verschiedene Tumorarten schon im frühen Stadium erkennen. Der Test ermittelt im Blut zirkulierendes Tumor-Erbgut (ctDNA) und reagiert auf Karzinome von Lunge, Darm, Brust und Eierstock. In einer Studie an rund 200 Patienten schlug das Verfahren auf 62 Prozent der Tumore im frühen und 75 Prozent im späteren Stadium an. Allerdings müsse der Test noch in größeren Studien geprüft werden, schreibt das Forscherteam aus den USA, Dänemark und den Niederlanden im Fachblatt „Science Translational Medicine“. Ein deutscher Experte spricht von einer sehr guten Arbeit von einer der führenden Forschergruppen auf dem Gebiet.

Weltweit wird bei mehr als 14 Millionen Menschen jährlich eine Krebserkrankung neu diagnostiziert - allerdings oft erst in spätem Stadium. „Frühe Erkennung und Behandlung sind wahrscheinlich die wirksamsten Mittel, um die Krankheitslast und Sterblichkeit durch Krebs zu senken“, schreibt das Team um Victor Velculescu von der Johns Hopkins University in Baltimore. Schon seit Längerem versuchen Forscher daher, verräterische DNA-Schnipsel aufzuspüren, die von Tumoren ins Blut abgegeben werden. 

Keine falsch positiven Ergebnisse

Dazu ermittelte das Team zunächst 58 sogenannte Treibergene, die an vielen Krebsarten maßgeblich beteiligt sind und aus insgesamt knapp 81.000 Bausteinen bestehen. Der Test analysiert das Blut auf auffällige DNA-Sequenzen dieser Gene, die mit Tumoren einhergehen.Die Forscher testeten das Verfahren an 44 gesunden Menschen und 194 Patienten, die Tumore an Lunge, Darm, Brust oder Eierstock in verschiedenen Stadien hatten. Resultat: Bei fortgeschrittenen Tumoren erkannte der Test mehr als drei Viertel der Betroffenen. Im frühen Stadium lag der Anteil im Mittel noch bei 62 Prozent (86 von 138 Patienten): 71 Prozent bei Darmkrebs, 68 Prozent bei Eierstock-Krebs und jeweils 59 Prozent bei Tumoren von Lunge und Brust. Ebenfalls wichtig: Bei allen gesunden Teilnehmern schlug der Test nicht an.

„Diese Analysen bieten einen Ansatz für eine nichtinvasive direkte Ermittlung von Patienten mit gängigen Tumorarten im Frühstadium“, schreibt das Team. „Diese Studie zeigt, dass die Früherkennung von Krebs über DNA-Veränderungen im Blut möglich ist und dass unser Verfahren ein vielversprechender Ansatz ist, um dieses Ziel zu erreichen“, wird Velculescu in einer Mitteilung seiner Universität zitiert. Das Verfahren müsse aber in wesentlich größeren Studien bestätigt werden, räumen die Forscher ein. Grundsätzlich lasse es sich noch weiter verfeinern. Ein Verfahren, das die Hälfte bis drei Viertel der Patienten mit Darm-, Eierstock-, Lungen- oder Brustkrebs ermitteln könne, ermögliche eine zeitigere Behandlung, schreibt das Team. Dies könnte - zumindest rechnerisch - weltweit pro Jahr mehr als eine Million Leben retten.

Noch ist der Test nicht gut genug

„Das ist die beste Studie, die ich bisher zu dem Thema gesehen habe“, sagt Holger Sültmann, Leiter der Abteilung „Krebsgenomforschung“ am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. „62 Prozent ist ein guter Wert, aber für die Diagnostik reicht das noch nicht.“ Damit gebe der Test bei zu vielen Menschen fälschlich Entwarnung. Dass in der Zukunft solche Verfahren auf den Markt kommen, daran zweifelt der Experte nicht. So könne man bestimmte Risikogruppen untersuchen, etwa Raucher auf Lungen- und Blasenkrebs oder erblich vorbelastete Frauen auf Brustkrebs. Wichtig seien solche Verfahren auch für jene Tumore, die erst sehr spät bemerkt werden, etwa Krebs der Bauchspeicheldrüse. Die Entwicklung praxistauglicher Tests werde allerdings noch einige Jahre dauern.


Walter Willems, dpa
redaktion@daz.online


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