Gender-Medizin

Wie Testosteron das Entzündungsgeschehen steuert

14.08.2017, 09:00 Uhr

 Arzneimittel können bei Männern und Frauen unterschiedlich wirken – eine Herausforderung für die Forschung. (Foto: Jan-Peter Kasper/FSU)

Arzneimittel können bei Männern und Frauen unterschiedlich wirken – eine Herausforderung für die Forschung. (Foto: Jan-Peter Kasper/FSU)


Pharmazeuten von der Universität Jena haben zusammen mit einem internationalen Forscherteam geschlechtsspezifische Wirkungen von Entzündungshemmern aufgedeckt. Eine Schlüsselrolle spielt dabei das männliche Sexualhormon Testosteron.

Dass entzündliche Erkrankungen wie Asthma, Psoriasis oder Rheumatoide Arthritis bei Frauen sehr viel häufiger vorkommen als bei Männern, ist bekannt. Testosteron kann vor Entzündungserkrankungen schützen. Auch das haben verschiedene Studien bereits früher belegt. Aber warum das so ist, war bis dato nicht geklärt.

Nun konnten der Pharmazeut Oliver Werz und sein Team von der Friedrich-Schiller-Universität Jena gemeinsam mit Fachkollegen aus Italien, Dänemark und Schweden eine wesentliche Ursache für diese Unterschiede auf molekularer Ebene aufklären. Außerdem haben sie gezeigt, dass dies auch die therapeutische Wirkung von Arzneistoffen beeinflusst. In zwei Publikationen in den Magazinen „Journal of Clinical Investigation“ und „Scientific Reports“ berichten die Forscher über ihre neuen Ergebnisse.

Blockierung von 5-LO und FLAP

Die Wissenschaftler analysierten und verglichen Entzündungsprozesse in unterschiedlichen Tiermodellen, aber auch an Immunzellen aus dem Blut von männlichen und weiblichen Versuchspersonen. „Wir haben die Bildung von entzündungsfördernden Substanzen, wie Leukotrienen und Prostaglandinen, untersucht und geschaut, ob sich die Wirkung von Entzündungshemmern in männlichen und weiblichen Zellen unterscheidet“, erläutert Werz.

Zunächst fanden sie heraus, dass Testosteron in die Biosynthese der Leukotriene eingreift, indem es die Wechselwirkung der dafür notwendigen Eiweiße 5-Lipoxygenase (5-LO) und 5-Lipoxygenase-activating protein (FLAP) blockiert. Zum anderen konnten sie nachweisen, dass durch die verminderte Leukotriensynthese vermehrt Prostaglandine entstehen, die ihrerseits das Entzündungsgeschehen fördern. Dem Testosteron kommt damit eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Entzündungen und der Modulation der Immunantwort zu. 

Inhibitoren der Leukotrien-Biosynthese wirken bei Frauen besser

Um etwaige geschlechtsspezifische Auswirkungen auf die Therapie entsprechender Erkrankungen besser abschätzen zu können, setzten sie in ihren Experimenten Inhibitoren der Leukotrien-Biosynthese ein, die sich derzeit in der klinischen Erprobung zur Behandlung von Atemwegs- und Herzkreislauferkrankungen befinden. Wie die Forscher erwarteten, wirkten sie bei Frauen, bei denen das Entzündungsgeschehen insgesamt deutlich ausgeprägter ist, tatsächlich anders als bei Männern. Diverse FLAP-Inhibitoren und die 5-LO-Inhibitoren Licofelon und Sulindac zeigten in weiblichen Blutproben eine stärkere Wirkung. Frauen könnten demnach mehr von der Therapie profitieren als Männer. „Diese Unterschiede lassen sich aber durch die Gabe von Testosteron komplett ausgleichen“, sagt die Erstautorin der beiden Publikationen Simona Pace Postdoktorandin vom Lehrstuhl für Pharmazeutische und Medizinische Chemie der Uni Jena.

Damit liefern die Jenaer Forscher einmal mehr konkrete Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer geschlechtsspezifischen Medizin. Diesem Umstand sollte bei der Entwicklung neuer Medikamente, besonders zur Behandlung von Entzündungserkrankungen, künftig deutlich stärker Rechnung getragen werden müssen, so ihre Schlussfolgerung.


Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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