Interview Fabian Vaucher, Präsident Schweizer Apothekerverband

„Was zur Rose macht, hat mit Versorgung nichts zu tun“

Berlin - 17.07.2017, 07:00 Uhr


Nicht nur in Deutschland mischt der Pharmahandelskonzern Zur Rose derzeit den Apothekenmarkt auf. Auch in seiner Heimat bereitet Zur Rose den Schweizer Apothekern Sorgen. DAZ.online hat mit Fabian Vaucher, Präsident des Schweizer Apothekerverbandes (pharmaSuisse) über die Erfahrungen mit der DocMorris-Mutter gesprochen. Warum kooperiert pharmaSuisse mit Kettenbetreibern wie Phoenix, verurteilt aber das Vorgehen von Zur Rose?

Der Schweizer Pharmahandelskonzern Zur Rose expandiert derzeit massiv. Das von Ärzten gegründete Unternehmen ist kürzlich an die Börse gegangen, um weiteres Geld für seine Expansion in ganz Europa einzutreiben. Geschätzte 230 Millionen Euro stehen nun zusätzlich zur Verfügung, um die „grüne Wiese Europa“, wie Zur Rose-Chef Walter Oberhänsli sagt, zu erobern. Oberhänsli will „jene disruptive Firma“ sein, die der Konkurrenz das „Fürchten lehre“. Insbesondere Deutschland hat es ihm angetan: Mit der Tochterfirma DocMorris will Zur Rose den Rx-Markt weiter aufsprengen. Die Politik spielt den Schweizern dabei in die Karten: Denn die Große Koalition konnte sich nicht auf ein Vorgehen nach dem EuGH-Urteil einigen. Für DocMorris und die Rx-Boni heißt das zunächst: Freie Fahrt.

Aber auch in der Schweiz selbst treibt Oberhänsli das Geschäft voran. Vor zwei Jahren noch vor dem Bundesgerichtshof mit einem OTC-Versandmodell gescheitert, will Zur Rose nun ins Vor-Ort-Geschäft einsteigen. Der Konzern kooperiert mit Krankenkassen und dem Supermarktkonzern Migros. In einem Berner Supermarkt gibt es seit Kurzem die erste Zur Rose-Vor-Ort-Apotheke, eine zweite ist in Planung. Der Schweizer Apothekerverband pharmaSuisse ist einiges gewöhnt: Bei unseren Nachbarn gibt es kein Fremd- und Mehrbesitzverbot, der Markt ist bunt: Es gibt große und kleine Ketten, unabhängige Einzelapotheker und große Kooperationen. Doch das Vorgehen von Zur Rose sieht pharmaSuisse kritisch. DAZ.online hat bei Fabian Vaucher, Präsident bei pharmaSuisse, nachgefragt, warum das so ist.

DAZ.online: Herr Vaucher, was Apotheker in Deutschland befürchten, ist in der Schweiz schon gelebte Realität: Krankenkassen lotsen ihre Versicherten zu Versandapotheken wie Zur Rose mit dem Verweis auf Rabatte. Leidet die flächendeckende Versorgung in der Schweiz nicht darunter?

Vaucher: Noch haben wir in der Schweiz eine ausreichend gute Versorgung. Allerdings sind 26 Prozent der Schweizer Apotheken wirtschaftlich bedroht, und das liegt auch an den aggressiven Werbe- und Kooperationsstrategien der Versandapotheken. Das Vorgehen einiger Krankenkassen, die Zur Rose sogar noch unterstützen, ist für uns Apotheker ein Affront. Denn wir glauben, dass er dem Anspruch der Krankenkassen widerspricht: Die Versicherten gut zu versorgen.

DAZ.online: Warum?

Vaucher: Die Krankenkassen müssten eigentlich wissen, dass nur die Beratung durch einen Apotheker die Therapietreue der Versicherten verbessern kann. Und die Krankenkassen sollten auch ein finanzielles Interesse daran haben, dass die Versicherten von Apothekern beraten werden. Denn wir wissen, dass therapietreue Patienten vier Mal weniger Kosten erzeugen als Versicherte, die ihre Medikamente falsch einnehmen.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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