Reiseapotheke

Apotheker als „Urlaubs-Abzocker“ in der „Bild“

Stuttgart - 30.06.2017, 16:00 Uhr

Die Bild fühlt sich von Stuttgarter Apothekern „abgezockt". (Foto: wes / DAZ)

Die Bild fühlt sich von Stuttgarter Apothekern „abgezockt". (Foto: wes / DAZ)


„Urlaubs-Abzocke bei Stuttgarts Apotheken“ – das ist die Schlagzeile der Stuttgarter Lokalseiten von Deutschlands größter Boulevard-Zeitung am heutigen Freitag. In fünf Apotheken hatte sich eine Reporterin eine Reise-Apotheke für den Mallorca-Urlaub zusammenstellen lassen – mit durchaus unterschiedlichen Ergebnissen.

Fünf Apotheken in Stuttgarts großer Einkaufsmeile, der Königstraße, hatte die Bild-Reporterin aufgesucht. Sie bereite sich auf ihren Sommerurlaub vor, welche Reiseapotheke sie denn „für Malle“ brauche – so wird die Ausgangssituation auf den Stuttgarter Lokalseiten der „Bild“ heute geschildert. Dann folgen die Ergebnisse aus fünf Innenstadtapotheken.

Als „Abzocke“ beurteilt die Bild-Redaktion den Einkauf in der ersten Apotheke: „Dort empfiehlt die Verkäuferin definitiv zu viele Medikamente für ein absolut harmloses Reiseland.“ Ein Desinfektionsmittel sei sogar doppelt angeboten worden. Die nächste Apotheke habe dagegen „nur die absolute Basismedikation“ angeboten, bei den anderen drei „Stationen“ lag das Ergebnis irgendwo dazwischen. Konkret erkennt man auf den Bild-typischen großen Fotos über dem eher kurzen Text folgende „Einkaufskörbe“:

Fünf Apotheken, fünf verschiedene Pakete

Apotheke 1 (mit den „definitiv zu vielen Medikamenten“) verkaufte: Blasenpflaster, ein Verbandpäckchen, Tetryzolin-Augentropfen in Einzeldosispipetten gegen gereizte Augen, Loratadin-Tabletten gegen Allergien, ein Hydrocortison-Gel (Mückenstiche, Sonnenbrand), Loperamid-Schmelztabletten gegen Durchfall sowie tatsächlich zwei Desinfektionsmittel – eines zur Haut- und eines zur Wunddesinfektion. Gesamtpreis laut Bild: 35,08 Euro.

Apotheke 2 verkaufte: ein Anti-Mückenspray, Loperamid-Schmelztabletten und Ibuprofen-Tabletten gegen Schmerzen. Gesamtpreis: 22,47 Euro

Apotheke 3: Wunddesinfektion, Pflaster, Ibuprofen-Tabletten und Kohle-Compretten: 22,39 Euro.

Apotheke 4: Ibuprofen-Tabletten, Bisacodyl-Dragees gegen Verstopfung, eine Hydrocortison-Creme, Loperamid-Schmelztabletten, ein pflanzliches Arzneimittel gegen Magen-Darm-Beschwerden sowie ein abschwellendes Nasenspray mit Xylometazolin für 33,88 Euro

Apotheke 5 (die mit der „Basismedikation“): Loperamid-Kapseln, eine Hydrocortison-Creme, Ibuprofen-Tabletten sowie ein Pflaster-Set. Kostenpunkt: 28,90 Euro.

Expertenmeinung darf nicht fehlen

Natürlich darf bei einem solchen „Apothekentest“ der Experte nicht fehlen. In diesem Fall ist es ein Stuttgarter „Facharzt für Reise-Medizin“, der meint, dass nach Mallorca eigentlich überhaupt keine Arzneimittel mitgenommen werden müssten. Bräuchte man dann doch welche, seien sie „dort oft billiger als hier, und einen Lieferengpass gibt es nicht“. Wer jedoch vorbereitet sein wolle, dem empfiehlt er „Mückenschutz, Desinfektion, Pflaster und Schmerzmittel“. Zu dieser Empfehlung dürfte es durchaus geteilte Meinungen geben …


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4 Kommentare

Muß man Bild überhaupt noch kommentieren?

von Heiko Barz am 01.07.2017 um 11:33 Uhr

Dürfte die "Bild"Zeitung das 'geschützte' Apotheken A überhaupt für diesen zweifellos schwachsinnigen Bericht benutzen?
Natürlich, so schreibt ein Kommentator, laufen wir mit unseren Leistungen immer gegen eine Wand irrationaler Ignoranz. Der Versuch, unsere Arbeit gegen die in der breiten Bevölkerung immer noch positive Apotheken-Bewertung zu diskriminieren, ist offensichtlich.
Bei den Radakteuren, die ja in sklavenhafter Abhängigkeit die Basisstimmung ihrer Chefs wiedergeben müssen, kann ja keine objektive Meinung existieren.
Wer dort seinen Arbeitsplatz behalten möchte, der Muss eben diesen Schwachsinn verbreiten.

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Oh nein! Apotheker wollen Geld verdienen!

von Christian Becker am 01.07.2017 um 10:00 Uhr

Mal wieder ein typisches Thema, um künstlich Aufregung und Stimmung gegen Apotheken zu machen.

Wenn Leute ohne Rezept in die Apotheke kommen (abgesehen von denen, die Geld wechseln, mal aufs Klo, nur die Umschau, Informationen wo es zu x geht, etc. wollen), haben sie meist schon einen Produktwunsch - manchmal nur einen vagen (wollen etwas kaufen, wissen aber nicht, was).

Apotheker sind Kaufleute und wollen und müssen Waren verkaufen, um die Apotheke und deren Angestellte finanzieren zu können und vielleicht auch noch selbst zu überleben.

Oft genug werden Kunden nach einer Beratung aber auch weggeschickt (nicht selbst therapierbar → Arzt (nun ja, die kommen dann oft mit Rezept wieder), passendes/ genehmes Produkt konnte nicht gefunden werden). Zumindest ich sage Kunden auch immer mal, dass sie da nicht unbedingt was kaufen müssen oder sie auch das Ibu, das sie noch zu Hause haben, nehmen können, und bei Zahnschmerzen kein eigenes Zahnschmerzmittel brauchen etc.

Wenn nun also jemand in die Apotheke kommt und eine Reiseapotheke möchte, man sich dann die Arbeit (mehr oder weniger) macht, was zusammenzustellen und der Kunde es dann so nimmt (steht ja jedem frei zu sagen, dass man noch Pflaster, Ibu, Loperamid etc. da hat), dann ist das keine Abzocke (wenn das Paket denn nicht teurer als die Summe der Einzelartikel ist + evtl. einer kleinen Gebühr fürs Zusammensuchen).

Der befragte Experte ist ja auch ganz toll. Wenn was benötigt wird, im Ausland kaufen, da ist es auch billiger... super! So Leute brauchen wir. Vielleicht können die Mediziner in Zukunft auch Patienten mit nicht so dringenden Behandlungen empfehlen, das im nächsten Urlaub zu machen - könnte billiger sein.
Dass auch auf Mallorca die Verständigung in der Apotheke vielleicht nicht immer 100%ig klappt und die Produkte vielleicht auch anders heißen (macht bei manchen Leuten ja schon einen Unterschied) und die Packungsbeilage nicht auf Deutsch vorhanden ist, macht ja nichts.

Mal abgesehen davon... wenn die Leute mit "Ach, für Mallorca brauchen Sie nichts!" weggeschickt worden wären... hätten wir dann halt stattdessen die Überschrift "Apotheker zu faul Kunden eine Reiseapotheke zusammenzustellen!"?

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Urlaubsabzocker in Bild

von Oliver Müller-Pfaff am 01.07.2017 um 9:05 Uhr

Der Artikel zielt darauf, ein negatives Bild von der Apotheke zu zeichnen. Schließlich muss das Vertrauen, das Kunden in die Apotheke haben, endlich zerstört werden.
Egal wie die Apotheken gehandelt hätten, es wäre eine negative Schlagzeile daraus geworden.

Die Situation: Die Kundin kommt mit einem Wunsch in die Apotheke.
1. die Apotheken gehen auf den Wunsch ein und empfehlen etwas, wie geschehen - Ergebnis bekannt

2. Die Apotheken handeln entsprechen dem Rat des Bildexperten, dann hätte die Schlagzeile geheißen:
Inkompetente Stuttgarter Apotheken verweisen an mallorquinische Kollegen.

3. Der Reporterin fällt partout keine negative Schlagzeile ein - Berufswahl der Reporterin verfehlt.

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Was ist daran überteuert??

von Armin Spychalski am 30.06.2017 um 19:07 Uhr

Folgende Analogie zur Autowelt: Stellen Sie sich vor, Apothekenkunde A geht mit dem allseits beliebten Premiumfahrzeug Audi A oder Q .. (oder Mercedes oder BMW) zur Wartung in die Fachwerkstatt, wir sprechen also nicht von Reparaturen und aufwändigen Arbeiten, sondern von einer Standard-Dienstleistung. Zeigt mir den Kunden, der mit einer Rechnung über 35 Euro heimgeht! Aha, hab's verstanden, die Gesundheit ist Apothekenkunde A "natürlich" nicht so viel wert! Logisch!

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