Versorgungssicherheit

Schmidt und Hennrich wollen Lieferengpässe europäisch lösen

Berlin - 23.06.2017, 13:15 Uhr


ABDA-Präsident Friedemann Schmidt und CDU-Gesundheitspolitiker Michael Hennrich wollen das Problem der zunehmenden Lieferengpässe auf europäischer Ebene lösen. Auf einer politischen Veranstaltung des Großhändlers Gehe sagten beide, dass man sich überlegen müsse, wie man die Arzneimittelproduktion wieder nach Europa „zurückholen“ könne. Interessante Details erzählten Hennrich und Schmidt auch dazu, wie sie die Stunden rund um das EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung erlebt haben.

Der Großhändler Gehe hatte am vergangenen Mittwochabend zu einem politischen Dinner geladen. Auf der Veranstaltung diskutierten CDU-Arzneimittelexperte Michael Hennrich mit Gehe-Geschäftsführer Peter Schreiner, mehrere Apotheker sowie ABDA-Präsident Friedemann Schmidt über die Zukunft des Apothekenmarktes. Angesprochen wurde unter anderem das Thema Lieferengpässe. 

Anlass der Diskussion war die Frage eines Apothekers, ob das deutsche Arzneimittelsystem nicht viel zu abhängig von der Lieferfähigkeit anderer Länder sei. Gebe es bei einem indischen Lohnhersteller ein Werksproblem, breche hierzulande die Versorgung zusammen, so der Pharmazeut. Hennrich erklärte, dass er sich schon seit einigen Jahren mit diesem Problem auseinandersetze: „Bei den Lieferengpässen ist das Problem, dass wir nicht genau wissen, wer nun dafür verantwortlich ist. Wahrscheinlich gibt es mehrere Gründe dafür. Deswegen verstehe ich auch Verbände nicht, die die bloße Einführung der Mehrfachvergabe bei Rabattvertrags-Arzneimitteln fordern und glauben, dass dann alles besser wird.“

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Der CDU-Politiker sagte weiterhin, dass er schon verschiedene Modelle durchdacht habe, um die Versorgungssicherheit zu verbessern. „Wir haben ja auch schon über eine Arzneimittel-Reserve gesprochen. Und ich sage ganz ehrlich: Ich habe mich sogar schon mit Notproduktions-Stätten der Bundeswehr in Koblenz beschäftigt.“ Grundsätzlich gab er dem Apotheker aber Recht: „Wir müssen wieder Anreize für Pharmafirmen setzen, damit diese wieder anfangen in Europa zu produzieren. Das allerdings müssten wir auf europäischer Ebene klären. Wenn man es hinkriegt, Energiepolitik europäisch zu regeln, dann muss das mit Arzneimitteln auch gehen. Ich könnte mir sogar europäische Preise vorstellen“, so der CDU-Politiker.


Uns allen war schnell klar, dass das Verbot die einzige sichere, schnelle und richtige Lösung sein könnte.


Friedemann Schmidt stimmte Hennrich zu. Die ABDA hatte sich in den vergangenen Monaten mehrfach für eine verbindliche Meldepflicht für Pharmahersteller ausgesprochen. Offenbar kann sich Schmidt aber noch weitergehende Maßnahmen vorstellen. Bei der Gehe-Veranstaltung sagte er: „Der Arzneimittelmarkt ist kein einfacher Markt, in dem man ein Produkt einfach vom Markt nehmen kann, weil man in einem anderen Land mehr Geld bekommt. Das mag sich vielleicht unmodern und zu regulatorisch anhören, aber neben dem Anreizsystem sollte es auch eine EU-Behörde geben, die die Versorgungssicherheit im Arzneimittelbereich kontrolliert.“



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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6 Kommentare

Gesundheitspolitikers Sichtweise

von Reinhard Rodiger am 24.06.2017 um 15:09 Uhr

@ T.Schreiner

Ich zweifle auch daran, ob die führenden Gesundheitspolitiker diese Abhängigkeit sehen (wollen).Schliesslich haben sie die KK in ihrer Grenzenlosigkeit und Anstandsverlust stetig unterstützt.Als Körperschaft öffentlichen Rechts ist juristisch wenig möglich (siehe Ausschreibungen), wird aber auch anscheinend nicht gewollt.Die Debatte zeigt auch, dass die zentrale Rolle der KK als Versorgungsgefährder ja von unserer Seite gar nicht fokussiert wird.Oder ist das von FS irgendetwas bekannt ausser den Kollegen Dieffenbach im Regen stehen zu lassen?

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Wurzel des Übels ist die Kassenpolitik

von Reinhard Rodiger am 23.06.2017 um 17:01 Uhr

Hauptursache von Lieferengpässen und in der Folge Versorgungsengpässe ist die erpresserische Kassenpolitik.
Wird der Preisdruck überreizt, steigt der Hersteller aus. Wer bei den Tenderaufträgen der "Kassenlotterie" nur einmal eine Art zeitlich begrenzte Umsatzgarantie bekommt, hat keine längerfristige Planbarkeit. Das bekannte Ergebnis ist Konzentration,Monopolisierung und Aussteigen bei fehlender Rentabilität.Diese erwartbare Nebenwirkung der Rabattverträge dh der Machtmissbrauch der Krankenkassen ist der Schlüssel.

Wenn die Politik nicht einsieht,dass hier nicht zuerst der Hersteller, sondern der Verursacher zur Räson gebracht werden muss, wird sich nichts ändern.Im Gegenteil,die Zahl nicht mehr rentabler Substanzen bzw Zubereitungen wird drastisch steigen.Das trifft besonders Altsubstanzen,für die neue Anwendungen entdeckt werden.

Nicht zuletzt sei darauf hingewiesen, dass die Apotheken der Rabattpolitik unter Inkaufnahme eigenen Glaubwürdigkeitsverlusts derartige Rabatte erst möglich gemacht haben.Weitere Nebenwirkungen der Rabattverträge wie Complianceminderung,Vertrauensverlust etc. wurden
aufgefangen. Die Quittung der Kassen sind Schikanen der übelsten Art.

Solange die Krankenkassen sich nicht partnerschaftlich verhalten und weiter ungestraft agieren können ist nur eine Verschärfung der Situation zu erwarten.Hier ist endlich die Politik gefragt,ohne Druck wird nichts geschehen.Versorgungssicherheit gibt es nur durch Fairness und Fairplay der Engpassverursacher.

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AW: Wurzel des Übels ist die Kassenpolitik

von Torben Schreiner am 23.06.2017 um 20:34 Uhr

Bin da zu hundert 100% Ihrer Meinung, das AMVSG wird, so wie des Öfteren suggeriert, die zunehmende Arzneimittelknappheit nicht ansatzweise lösen können. Die Wurzel sitzt in der momentanen Gestaltung von Rabattverträgen, vollkommen richtig.
Ob die führenden Gesundheitspolitiker dies genauso sehen und das auch zugeben darf bezweifelt werden.

AW: Wurzel des Übels ist die Kassenpolitik

von Heiko Barz am 24.06.2017 um 11:42 Uhr

Ihre Analyse ist eindeutig und stimmt mit der grundsätzlichen Haltung der Kollegen wohl überein.
Solange die KKassen permanent ihre uneingeschränkte Macht ausschöpfen und mit Ihrer selbstbestimmten Rabatt-und Retaxkultur ( siehe: Barmer !! ) alle sogenannte partnerschaftlichen Abmachungen nach ihrem finanzielle Gusto bestimmen, wird es keine signifikante Veränderung der gegenwärtigen Versorgungslage geben.
Das heißt, die Hauptverursacher der unübersichtlichen Versorgungslage sind nun mal die KKassen mit ihrer desolaten Verbilligungspolitik. Den KKassen ist es doch völlig egal, ob eine durch ein "Gebietslos" in eine Versorgungsoption gelangte PharmaFirma liefern kann.
Hauptsache, es -kost - sie billiger!
Und die Vertragstrafen in € bei Nichtlieferung sind dabei auch nicht ohne Gewicht.
Die Führungsetagen der KKassen sind heute die Oberkapitalisten im Gesundheitsmarkt. Natürlich immer mit dem Schutzmantel der Patientenverantwortung warm bekleidet.
Sehenden Auges aber schweigt die Politik, vor allem die, die sich als sozialführenden Parteien in den Vordergrund drängen.
Gerechtigkeit, Martin Schulz, muß wohl neu formuliert werden!!

AW: Wurzel des Übels ist die Kassenpolitik

von Reinhard Rodiger am 24.06.2017 um 15:17 Uhr

@ T.Schreiner

Siehe meine Antwort als neuen Kommentar.Ich hab wohl was übersehen.

"andere Apotheker"

von Pharmi am 23.06.2017 um 14:04 Uhr

Welche "anderen Apotheker" haben denn am dem Gespräch teilgenommen? Etwa die "Apotheke" DocMorris. Liegt fast Nahe, wenn der Gastgeber Gehe war, so als früherer Besitzer (Celesio)...

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