DAZ auf dem Pharmacon-Kongress

Hat die ABDA-Medientochter Avoxa ein Problem mit der Pressefreiheit?

Berlin - 30.05.2017, 07:00 Uhr

Eingeschränkte Pressefreiheit oder Vertriebsmaßnahme? Kammerpräsidenten sind teils uneinig über das Vorgehen der ABDA-Tochter Avoxa auf dem Pharmacon-Kongress. (Foto: DAZ)

Eingeschränkte Pressefreiheit oder Vertriebsmaßnahme? Kammerpräsidenten sind teils uneinig über das Vorgehen der ABDA-Tochter Avoxa auf dem Pharmacon-Kongress. (Foto: DAZ)


Immer noch erhitzt die Apothekenpolitik der FDP die Gemüter vieler Apotheker. DAZ.online hat in der vergangenen Woche kritisch darüber berichtet, dass die ABDA-Tochter Avoxa den FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff für eine Festrede engagiert hatte. Die Avoxa beschloss darauf kurzerhand, die gedruckte DAZ nicht – wie üblich – auf dem Pharmacon-Kongress auszulegen. Bei den Kammerpräsidenten wird das teils als Beschneidung der Pressefreiheit ausgelegt. Andere verstehen die Entscheidung der ABDA-Tochter.

Zweimal im Jahr veranstalten die ABDA-Medientochter Avoxa und die Bundesapothekerkammer die Pharmacon-Kongresse. Zur Eröffnung der diesjährigen Fortbildungsveranstaltung in Meran hatte die Avoxa den FDP-Europapolitiker Alexander Graf Lambsdorff engagiert. Lambsdorff sprach in Meran zum Thema „Die Zukunft Europas – wie geht es weiter nach Brexit, Trump & Co.?“. In sozialen Netzwerken stellten einige Apotheker diese Auswahl der ABDA-Tochter infrage: Schließlich hatte sich die FDP nur wenige Wochen zuvor für Apothekenketten ausgesprochen und diese Forderung in ihr Bundestags-Wahlprogramm aufgenommen.

DAZ und DAZ.online waren mit mehreren Redakteuren in Meran vor Ort. Die Berichterstattung beschäftigte sich mit mehreren fachlichen Vorträgen der Fortbildungsveranstaltung. DAZ.online berichtete allerdings auch darüber, dass einige Apotheker das Engagement von Graf Lambsdorff unglücklich fanden und sich öffentlich darüber beschwert hatten. Als Reaktion auf diese Berichterstattung beschloss die Avoxa kurzerhand, die DAZ nicht wie gewohnt für die Teilnehmer des Pharmacons auszulegen. Sehr wahrscheinlich landeten die Exemplare im Müll.

Siemsen: Erster Schritt in die eingeschränkte Pressefreiheit

Dieser Vorgang wiederum stößt nicht bei allen Präsidenten der 17 deutschen Apothekerkammern auf Verständnis. Hört man sich unter den Präsidenten um, wird die Entscheidung teils als „zu emotional“ kritisiert. Hamburgs Kammerpräsident Kai-Peter Siemsen, der an dem Kongress teilnahm, erklärte gegenüber DAZ.online: „Ich war mit der Entscheidung der Avoxa, die DAZ aufgrund der FDP-Berichterstattung nicht auszulegen, nicht einverstanden. Auch ich fand die Berichterstattung zum Thema FDP in den vergangenen Wochen grenzwertig. Aber ich finde, man muss kritische Berichterstattung aushalten. Die Pressefreiheit zu bewahren, ist für mich gerade in der heutigen Zeit extrem wichtig. Eine Veröffentlichung nicht mehr verfügbar zu machen, ist für mich der erste Schritt in eine eingeschränkte Pressefreiheit.“

Andernorts hat man wiederum Verständnis für das Vorgehen der ABDA-Tochter. Bayerns Kammerpräsident Thomas Benkert nahm ebenfalls am Pharmacon teil und sagte gegenüber DAZ.online: „Die Entscheidung der Avoxa verstehe ich gut. Auch ich wurde in Meran von Referenten angesprochen, die mich fragten, warum die DAZ so negativ über den Gastredner berichtet, dessen Vortrag exzellent war. Der Vizepräsident des europäischen Parlaments war unser Gastredner und es ging um aktuelle Probleme Europas. Referenten dieses Formates werden üblicherweise schon viele Monate im Voraus verpflichtet.“

Die Vorwürfe seiner Kollegen hinsichtlich der Pressefreiheit will Benkert nicht gelten lassen. „Dass die Avoxa die DAZ nicht ausgelegt hat, hat überhaupt nichts mit Einschränkung der Pressefreiheit zu tun. Der Vergleich ist an dieser Stelle wirklich nicht zulässig. Die Bundesapothekerkammer hat noch nie Einfluss auf die redaktionelle Berichterstattung (mit Mitteln der Zensur) genommen. Ich denke, es geht hier um reine Vertriebsfragen. Die nicht erfolgte Auslage von Zeitschriften, die ohnehin in fast alle Apotheken verschickt werden, mit einer Einschränkung der Pressefreiheit gleichzusetzen, kann ich nicht nachvollziehen. Aber auch das ist eine redaktionelle Entscheidung, auf die wir keinen Einfluss nehmen wollen.“


Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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Ein Kommentar von Doris Uhl

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2 Kommentare

B. B. auf der nächsten Pharmacon

von G. Ruechte am 30.05.2017 um 17:30 Uhr

Ich habe gerüchteweise gehört, dass die Festrednerin auf dem nächsten Pharmacon-Kongress Biggi Bender ist. Man möchte mit ihr laut ABDA-Präsident Friedemann Schmidt trotz ihrer "inkonsistenten Argumentation in der Fremdbesitz-Frage" im Gespräch bleiben. Dafür soll das berufspolitische Diskussion auf der Pharmacon entfallen. Die PZ, die sich in der Vergangenheit hier und da kritisch mit den Apotheken-Positionen von Bündnis 90/Die Grünen auseinander gesetzt hatte, soll, wie aus gut unterrichteten Quellen zu erfahren war, für die Dauer des Kongresses aus Meran verbannt werden, um die Referentin nicht all zu sehr zu irritieren. Stimmt das Gerücht? Avoxa übernehmen Sie!

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: B. B. auf der nächsten Pharmacon

von G. Ruechte am 30.05.2017 um 17:33 Uhr

Muss natürlich "die berufspolitische Diskussion" heißen...

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