Forschungschef von Sanofi Deutschland

„Antibiotikaforschung muss sich auszahlen“

23.05.2017, 11:55 Uhr

Um das Resistenzproblem in den Griff zu bekommen, sind neue Wirkprinzipien gefragt. (Foto: cassis / Fotolia)

Um das Resistenzproblem in den Griff zu bekommen, sind neue Wirkprinzipien gefragt. (Foto: cassis / Fotolia)


Längere Patentlaufzeiten oder öffentliche Zuschüsse schlägt der Forschungschef von Sanofi Deutschland im Interview mit dem Handelsblatt vor, um Pharmafirmen Anreize zu geben, neue Antibiotika zu entwickeln. Die von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) ins Spiel gebrachte Erfolgsprämie von einer Milliarde US-Dollar begrüßt er. Die reiche allerdings, um genau ein Antibiotikum zu entwickeln. 

Derzeit lohnt es für Pharmaunternehmen kaum, neue Antibiotika zu entwickeln, schreibt das Handelsblatt in seiner Ausgabe vom heutigen Dienstag. Denn die Pharmafirmen stünden vor dem Dilemma, dass die Ausfallraten in der Forschung bei Antibiotika ähnlich hoch seien wie bei anderen Medikamenten, das Marktpotenzial im Vergleich zu Arzneien gegen chronische Krankheiten aber bescheiden bleibe. Daher hätten sich die großen Pharmafirmen schon seit den 1990er-Jahren weitgehend aus diesem Bereich verabschiedet und widmen sich den lukrativeren Gebieten wie Krebs oder Diabetes. So seien beispielsweise die drei führenden deutschen Unternehmen Bayer, Boehringer und Merck im Bereich der Antibiotikaforschung gar nicht mehr tätig und hätten es nach eigenen Angaben auch nicht vor.

Angesichts von weltweit zunehmenden Antibiotika-Resistenzen wird jedoch in der Politik der Ruf nach einer neuen Offensive gegen Keime laut. Der Forschungschef von Sanofi Deutschland, Jochen Maas, sprach sich in diesem Zusammenhang für mehr finanzielle Anreize für die Entwicklung neuer Antibiotika aus. Es müsse eine direkte Förderung etwa durch europäische Initiativen und nationale Regierungen geben, sagte Maas dem „Handelsblatt“. Dies sei zum Teil auch schon geplant.

Die Milliarde ist willkommen

Der Sanofi-Deutschland-Forschungschef begrüßte daher die von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) ins Spiel gebrachte Erfolgsprämie von einer Milliarde US-Dollar. Der Vorschlag basiert auf einer Studie, die die Boston Consulting Group für das Bundesgesundheitsministerium durchgeführt hat. Allerdings würde dieser Betrag nur für ein einziges Antibiotikum reichen, denn die Entwicklung eines Mittels koste mehr als eine Milliarde Euro. „Wir brauchen aber viel mehr neue Antibiotika.“

Für die Refinanzierung der Investitionskosten seien einerseits neue Preisgestaltungsmodelle mit Anreizen wie etwa längeren Patentlaufzeiten oder öffentlichen Zuschüssen denkbar – aber auch höhere Preise. „Wenn ein Reserveantibiotikum in Deutschland nur hundert Mal im Jahr in ansonsten aussichtslosen Fällen eingesetzt wird und das Leben dieser Menschen rettet, dann muss eine solche – alternativlose – Behandlung auch einmal eine Größenordnung von 50.000 Euro kosten dürfen“, so Maas.

Kleiner Lichtblick

Einen kleinen Lichtblick scheint es jedoch zu geben. Laut Handelsblatt nehmen die Neuzulassungen zu. Vor allem kleine Biotechfirmen scheinen sich hier zu engagieren. Aber auch die Großen der Branche engagierten sich offenbar wieder in diesem Bereich, wie es heißt. Etwa Roche und Sanofi. So habe Sanofi 2014 eine Allianz mit einem Fraunhofer-Institut gestartet, in die der französische Konzern seine umfangreiche Sammlung an Naturstoffen einbringt. Der US-Konzern Merck & Co. habe sich 2014 durch den Kauf der Biotechfirma Cubist vergrößert und Pfizer habe die Antibiotikasparte von Astra-Zeneca erworben.

Das Problem bleibt dabei allerdings, dass ganz neue Ansätze weiterhin nicht entwickelt werden, schreibt das Handelsblatt weiter. Die meisten Substanzen, die sich derzeit klinischer Entwicklung befinden, setzten auf bekannte Wirkstoffklassen. Mit Blick auf das Resistenzproblem seien jedoch neue Wirkprinzipien gefragt. 


dpa-afx / jb
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Renditen

von Holger am 24.05.2017 um 8:28 Uhr

Den Ansatz von Herrn Maas kann ich aus seiner Sicht nachvollziehen, halte ihn aber in Anbetracht der Ertragssituation auch seines Unternehmens für falsch. Ich würde eher politisch die Renditen und Dividenden, die jedwedem Grundsatz eines ehrbaren Kaufmanns widersprechen, mit einem dermaßen hohen Steuersatz beaufschlagen, dass die Firmen das Geld lieber in die Entwicklung weniger ertragsstarker Produkte wie z.B. Antibiotika investieren, als es dem Finanzminister zu überweisen. Für mich erfüllen zweistellige Umsatzrenditen diese Definition von "unanständig", insbesondere wenn/weil sie aus den Kassen eines Solidarsystems gezockt werden.

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