Großbritannien

Apotheker impfen mehr als 820.000 Patienten gegen Grippe

Remagen - 18.04.2017, 07:00 Uhr

Impfung in der Apotheke: in Großbritannien wird das gute angenommen. (Foto: Richard Villalon / Fotolia)

Impfung in der Apotheke: in Großbritannien wird das gute angenommen. (Foto: Richard Villalon / Fotolia)


In anderen europäischen Ländern, wie zum Beispiel in Großbritannien und in der Schweiz, haben die Kollegen uns eine ganz besondere Kompetenz voraus. Sie dürfen impfen, jedenfalls gegen bestimmte Infektionskrankheiten. Das kommt gut an: Apotheker in England haben in der gerade zu Ende gegangenen Grippesaison mehr als 820.000 Impfungen verabreicht.

Nach ersten Auswertungen des Pharmaceutical Services Negotiating Committee (PSNC) haben die öffentlichen Apotheker in England zwischen dem 1. September 2016 und dem 31. März 2017 fast 820.000 Grippeimpfungen verabreicht, gegenüber knapp 600.000 in 2015 / 2016. Die Zahl ist damit um rund 221.000 angestiegen. Endgültige Zahlen sollen später im Jahr veröffentlicht werden. Darin sollen dann auch die Impfungen in Apotheken enthalten sein, die nicht wie diejenigen in der jetzigen Auswertungen mit elektronischen Erfassungssystemen dokumentiert wurden. 

„Dies ist ein fantastisches Ergebnis für die Teams in den öffentlichen Apotheken.“ sagt Alistair Buxton, Direktor für NHS-Dienstleistungen beim PSNC. „Es zeigt, wie hart die Apotheker landauf und landab gearbeitet haben, um das Bewußtsein für die Grippeimpfung zu stärken und den Grippe-Impfdienst zu erbringen. Es zeigt auch, dass immer mehr Patienten es schätzen, dass die Grippeimpfung in einer öffentlichen Apotheken so bequem und leicht zu bekommen ist.“ 

Rund drei Viertel aller Apotheken machen mit

Der nationale Grippe-Impfdienst (Flu Vaccination Service) läuft in England seit 2015 / 2016. Er wurde gegründet, um die Inanspruchnahme der Impfung durch Risikogruppen zu maximieren. Anspruchsberechtigte Patienten sind alle Personen ab 65 Jahren oder Personen ab 18 Jahren mit bestimmten ernsthaften Erkrankungen, darunter chronischen Erkrankungen der Atemwege, Herz-, Nieren- oder Lebererkrankungen sowie schwangere Frauen und Pflegepersonal. Bis September 2016 hatten sich 8.424 Vertrags-Apotheken (rund 72 Prozent) zur Teilnahme an dem Service während der Grippe-Saison 2016 / 2017 angemeldet. In der vorherigen Grippesaison waren erst 61 Prozent der Apotheken mit im Boot gewesen.  

Nur Apotheker dürfen die Impfung verabreichen und auch sie nur in den Apothekenräumen und nicht etwa im Rahmen eines Hausbesuchs bei den Patienten. In Pflegeeinrichtungen ist dies mit Genehmigung des NHS möglich. Die Impfung muss in einem Beratungsraum durchgeführt werden, der bestimmte Anforderungen erfüllen muss. Er muss unter anderem deutlich von den für die Patienten normalerweise zugänglichen Bereichen abgetrennt sein. Beide, der Apotheker und die zu impfende Person müssen dort eine Sitzgelegenheit haben und sich unterhalten können, ohne dass jemand – auch nicht das übrige Apothekenpersonal – mithört.

Ausbildung muss alle zwei Jahre aufgefrischt werden 

Die Kenntnisse und Fähigkeiten, die Angehörige der Gesundheitsberufe inklusive der Apotheker zum Impfen besitzen müssen, sind in den nationalen Mindeststandards für die Ausbildung zur Immunisierung niedergelegt. Außerdem muss ein Grundausbildungsprogramm für die Immunisierung absolviert werden. Nach den Vorgaben des NHS England müssen Apotheker, die die Dienstleistung in Apotheken erbringen, alle zwei Jahre ein Training sowohl für die Injektionstechnik als auch für lebensrettende Massnahmen absolvieren, und zwar unabhängig davon, ob und wie viele Impfungen sie in der Vorjahres-Grippesaison durchgeführt haben. Näheres ist einem umfangreichen Frage und Antwort-Dokument auf der Webseite des PSNC zu entnehmen

Schweiz: Impfboom in Apotheken

Neben Großbritannien gibt es noch andere Länder, in denen das Impfen in der Apotheke bereits etabliert ist, so zum Beispiel in der Schweiz, in Irland und in Portugal. In der Schweiz wurde das Impfen im Jahr 2015 vorbehaltlich bestimmter Voraussetzungen und Genehmigungen erlaubt. Die Impfbefugnisse sind in den Kantonen unterschiedlich ausgelegt und in der Regel beschränkt auf Impfungen gegen Grippe und Frühsommer-Meningo-Enzephalitis (Zeckenimpfung) sowie auf bestimmte Folgeimpfungen. Auch hier müssen die Apotheker ein spezielle Befähigung dafür werben. Mit der letzten Änderung der Medizinalberufegesetzes lernen die Pharmazeuten das Impfen dann schon während des Studiums. Mittlerweile darf in zwölf Kantonen, hauptsächlich in der Westschweiz direkt geimpft werden. Zusätzlich wurde in Bern, Waadt und Wallis ein Pilotprojekt zur Impfung der saisonalen Grippe in den Apotheken gestartet. Die Winterthurer Apotheker sprachen im Dezember 2016 von einem regelrechten „Impfboom“ in den Apotheken.


Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Impfen in Apotheken

von Wolfgang Kempf am 18.04.2017 um 9:16 Uhr

Das European Pharmacists Forum (EPF) hat in seinem White Book diesem Thema ein eigenes Kapitel gewidmet. Die deutschen EPF-Mitglieder haben diese Thematik und die positiven Erfahrungen in anderen europäischen Ländern u.a. mit der ABDA-Spitze und Vertretern der Politik in Berlin diskutiert. Angesichts der Durchimpfungsraten in Deutschland und der aktuellen politischen Situation (RX-Versandhandel) sollte unser Berufsstand ernsthaft und zeitnah in diese Diskussion einsteigen.

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