DAZ-Tipp der Woche

Brintellix sagt „Goodbye Deutschland“ – für immer

Stuttgart - 23.03.2017, 14:00 Uhr

Wenn auch nicht Richtung einsame Insel: Brintellix® verabschiedet sich aus den deutschen Apotheken. (Foto: InfinityMC / Fotolia)

Wenn auch nicht Richtung einsame Insel: Brintellix® verabschiedet sich aus den deutschen Apotheken. (Foto: InfinityMC / Fotolia)


Schon seit Sommer 2016 gibt es keine deutschen Packungen vom Antidepressivum Vortioxetin (Brintellix®) mehr. Jetzt sind auch die Reimport-Schubladen leer. Der Hersteller bedauert es sehr, aber der Abschied von Brintellix® aus Deutschland wird endgültig sein. Wie es so weit kommen konnte und warum Apotheker vorsichtig sein sollten, lesen Sie in der aktuellen DAZ.

Die Gründe für eine Auswanderung sind vielfältig, wie uns diverse Sendungen im Privatfernsehen dokumentieren: keine rosigen Job-Aussichten, der Liebe wegen und natürlich der Traum von der eigenen Bar auf Mallorca. Beim Hersteller Lundbeck waren es wirtschaftliche Interessen, die ihn zum Marktrückzug seines Antidepressivums Brintellix® aus Deutschland bewegten.

Man konnte sich mit dem GKV-Spitzenverband partout nicht auf einen Erstattungspreis einigen. Am Ende wurde dieser von der Schiedsstelle auf dem niedrigsten generischen Preisniveau festgesetzt, der nach Aussage des Herstellers nicht einmal die Produktionskosten abdeckte. So gibt es Brintellix® nun fast überall in Europa – nur eben nicht in der Gesundheitshochburg Deutschland. Schwer nachvollziehbar für die Patienten. Aber es gibt ja Ärzte und Apotheker, die es den AMNOG-Verantwortlichen abnehmen, diesen Bruch zu erklären. Und es gibt einen kleinen Trost: Brintellix® hat bei seiner Auswanderung nicht alle Brücken abgebrochen. Es ist weiterhin in der EU zugelassen und kann als Einzelimport bezogen werden. Theoretisch. Praktisch gibt es die gesetzlichen Krankenkassen, die solche Auslands-Geschichten gar nicht gerne sehen.

Der GKV-Spitzenverband macht denn auch deutlich, dass es sich bei Vortioxetin um ein Arzneimittel handelt, das keinen Zusatznutzen attestiert bekommen hat und das in einem Indikationsgebiet eingesetzt wird, in dem es Alternativoptionen gibt, und dass es wirklich auf die besondere Einzelfallsituation ankommt, damit eine Krankenkasse einen Einzelimport befürworten wird.

Richtig schwierig wird es, die Kostenübernahme genehmigt zu bekommen, solange noch Reimporte in der Lauer-Taxe gelistet sind, die nicht AV gemeldet, aber auch nicht lieferbar sind: „Antrag abgelehnt“ mit der Begründung, dass der Vertrieb offensichtlich noch nicht von allen Pharmafirmen eingestellt wurde (mehr dazu in „Abschied von Vortioxetin fällt schwer“). Apotheken sollten sich vor Belieferung von Brintellix® vergewissern, dass die Kostenübernahme auch wirklich geklärt ist. Selbst wenn sie arzneimittelrechtlich nicht dazu verpflichtet sind, so landen die Retaxationen doch am Ende bei ihnen. Und das kann bei diesem Auswanderer teuer werden. 

DAZ-Redakteurin Rika Rausch

Nicht, dass auch die Arzneimittelfachleute  Deutschland irgendwann den Rücken kehren. Tatsächlich soll es Länder geben, in denen man ihre Kompetenzen zu schätzen weiß. Folgende Themen in der aktuellen DAZ spiegeln wider, worüber sich Apotheker in Deutschland gerade ärgern müssen.

Existenzangst nach dem EuGH-Urteil

Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), nach dem die deutsche Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gegen das Unionsrecht verstößt, wurde ausländischen Versandapotheken in die Hände gespielt.

Sollten jetzt noch die Rabatte des pharmazeutischen Großhandels gekürzt und die Frage der Honorierung der apothekerlichen Leistung auf die lange Bank geschoben werden, ist die flächendeckende Versorgung tatsächlich in Gefahr, warnt Professor Andreas Kaapke in seinem Meinungsbeitrag „(Zu) Kurz gesprungen“. 

2. Stufe - Medikationsplan ohne Apotheker

Ab 1. April 2017 müssen Ärzte den bundeseinheitlichen Medikationsplan nutzen, zu dem auch ein elektronisch zu verarbeitender QR-Code gehört. Formal gesehen sind die Apotheken nicht betroffen, praktisch wachsen damit aber die Nutzungsmöglichkeiten für den Plan und die Chancen für Patienten und Apotheken. Dr. Thomas Müller-Bohn verrät in „Nächste Runde für den Medikationsplan“, wie genau diese aussehen.

Und damit eine gute Nachricht zum Schluss: Angesichts der bisher erkennbaren Zurückhaltung vieler Ärzte beim Medikationsplan könnte bald die Stunde der Apotheker schlagen.


Rika Rausch, Apothekerin
redaktion@daz.online


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