Saccharomyces cerevisiae

Verschlimmern Hefepilze Morbus Crohn?

Salt Lake City / Stuttgart - 09.03.2017, 10:00 Uhr

Schadet der Hefepilz Saccharomyces cerevisiae – die klassische Bäckerhefe – Morbus Crohn-Patienten? (Foto: emuck / Fotolia)

Schadet der Hefepilz Saccharomyces cerevisiae – die klassische Bäckerhefe – Morbus Crohn-Patienten? (Foto: emuck / Fotolia)


Saccharomyces cerevisiae soll – einer Studie nach – die Darmwand bei Morbus Crohn-Patienten poröser machen, deren Harnsäurewerte erhöhen und so den Entzündungsprozess bei der chronischen Darmerkrankung verschärfen. Die amerikanischen Wissenschaftler postulierten nun Allopurinol als mögliche Therapie bei Morbus Crohn. Gastroenterologe Professor Axel Dignass ist skeptisch. 

Bestimmte Hefepilze könnten einer Studie zufolge die Symptome bei Patienten mit Morbus Crohn verschlimmern. Dies hat ein Team um June Round von der University of Utah in Salt Lake City herausgefunden. In Mäusen mit Darmentzündungen untersuchten sie den Effekt zweier Hefepilze – Saccharomyces cerevisiae und Rhodotorula aurantiaca. 

„Die mit Saccharomyces cerevisiae gefütterten Mäuse hatten deutlichen Gewichtsverlust, Durchfall und blutigen Stuhlgang – genau wie ein Mensch mit einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung“, wird Erstautor Tyson Chiaro in einer Mitteilung der Universität zitiert. Die weitere Analyse ergab, dass diese Tiere im Vergleich zu jenen, die den Pilz Rhodotorula aurantiaca erhalten hatten, erhöhte Konzentrationen bestimmter Stickstoffverbindungen – Purine – aufwiesen. Diese werden den Wissenschaftlern zufolge von Saccharomyces cerevisiae nicht verstoffwechselt und stattdessen zu Harnsäure abgebaut, die die Entzündung verschärft und auch weitere Gesundheitsprobleme wie etwa Gicht oder Nierensteine verursachen kann.

Den Zusammenhang zwischen Saccharomyces cerevisiae – auch als Bäckerhefe bekannt – und Harnsäure prüften die Forscher auch, indem sie gesunde Erwachsene untersuchten. „Jede menschliche Blutprobe, die viele Antikörper gegen Saccharomyces cerevisiae enthielt, hatte auch hohe Harnsäure-Werte“, sagt Studienleiterin June Round.

Allopurinol gegen Morbus Crohn?

Die Wissenschaftler folgerten aus diesen Ergebnissen, dass Arzneimittel wie Allopurinol, die Harnsäurewerte reduzieren, somit potenzielle Wirkstoffe auch in der Therapie des Morbus Crohn sein könnten. Denn: Bei den mit Saccharomyces cerevisiae gefütterten Mäusen besserte die Arznei die Entzündungen im Verdauungstrakt. „Unsere Studie deutet darauf hin, dass eine Blockierung der Harnsäure-Produktion, eventuell mit Allopurinol, Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen eine neue Option gegen Entzündungen bieten könnte, was dem Darm Zeit zum Heilen verschaffen könnte“, glaubt Round. Allerdings betonen die Forscher, dass dies in gezielten Studien weiter geprüft werden müsste.

Bei diesen Patienten wäre dagegen die Einnahme von Antibiotika kontraproduktiv. „Der Einsatz von Antibiotika bei Menschen mit entzündlichen Darmerkrankungen könnte nicht nur jene Bakterien abtöten, die eine gesunde Immunreaktion fördern, sondern auch eine Umgebung schaffen, in der der verminderte Wettbewerb den Pilzpopulationen übermäßiges Wachstum erlaubt“, schreibt das Team um Round. Dieser Wettbewerbsvorteil der Pilze könne selbst nach dem Absetzen der Antibiotika weiter bestehen. Die Forscher betonen jedoch ausdrücklich, dass die beobachtete Wirkung nicht für alle Pilzarten gilt – möglicherweise sogar nicht einmal für alle Varianten der Bäckerhefe.

Deutsche Experten skeptisch

Professor Axel Dignass, Chefarzt der Medizinischen Klinik I vom Agaplesion Markus Krankenhaus in Frankfurt am Main, überzeugt die Studie nicht. Die Befunde an den verwendeten Mäusen seien nicht auf den Menschen übertragbar. „Seit mehr als 20 Jahren diskutiert man alle möglichen Mikroorganismen und Gendefekte als Ursache entzündlicher Darmerkrankungen“, sagt der Experte der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS).

Antikörper gegen Bäckerhefe hätten etwa 50 Prozent der Morbus-Crohn-Patienten, sagt Axel Dignass. Würde bei ihnen das gängige Gicht-Arzneimittel Allopurinol die Beschwerden lindern, wäre dies schon früher aufgefallen. Die Arznei werde Morbus-Crohn-Patienten zwar mancherorts verordnet, aber nur um die Wirkung des Immunsuppressivums Azathioprin zu optimieren. Dennoch könne die Publikation der Studie Untersuchungen anstoßen, die die Rolle von Saccharomyces cerevisiae bei entzündlichen Darmerkrankungen gezielt analysieren.

In der Bundesrepublik sind von der chronisch-entzündlichen Darmerkrankung Morbus Crohn etwa 350.000 Menschen betroffen. Die Therapie verläuft bislang rein symptomatisch – eine Heilung ist derzeit nicht möglich.


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