Analyse von Zahnstein

Neandertaler nutzten offenbar gezielt Arznei-Stoffe

Adelaide/Leipzig - 09.03.2017, 07:00 Uhr

In Zahnstein von Neandertalern fanden Forscher Salicylsäure und Penicillium rubens. (Foto: hairymuseummatt / Wikimedia, CC BY-SA 2.0)

In Zahnstein von Neandertalern fanden Forscher Salicylsäure und Penicillium rubens. (Foto: hairymuseummatt / Wikimedia, CC BY-SA 2.0)


Nashorn mit Pilzen oder Moos und Pinienkerne – der Speiseplan der Neandertaler war erstaunlich vielfältig. Noch verblüffender: Sie nutzten offenbar absichtlich Naturstoffe, die Salicylsäure enthielten, auch Penicillium rubens ließ sich in Zahnproben nachweisen. Mit Vertretern der Gattung Homo Sapiens tauschten sie offenbar durch Küsse Krankheitserreger aus.

Über Zahnabszesse und Zahnbelag freut sich gewöhnlich niemand. Doch bei dem Neandertaler „El Sidrón 1“ auf der iberischen Halbinsel erwiesen sich die Mundraum-Probleme als Glücksfall – für die Forschung. Rund 50 000 Jahre später bringt die mangelnde Mundhygiene Wissenschaftler zum Staunen, verrät sie doch verblüffende Details über die nächsten Verwandten des modernen Menschen. Wie ein internationales Forscherteam im Fachmagazin „Nature“ berichtet, ernährten sich Neandertaler offenbar vielseitiger als bislang bekannt – und nutzten gezielt Schmerzmittel und möglicherweise sogar Antibiotika aus der Natur, um Leid zu lindern.

Neandertaler (Homo neanderthalensis) starben vor etwa 40.000 Jahren aus – just zu jener Zeit, als sich der moderne Mensch (Homo sapiens) in Europa verbreitete. Lange galten die verschwundenen Cousins als rückständige Höhlenbewohner, doch seit Jahrzehnten rütteln immer mehr wissenschaftliche Erkenntnisse an diesem Klischee – auch die neue Studie.

Zähne aus Belgien und Spanien

Die Wissenschaftler um Laura Weyrich und Alan Cooper von der australischen University of Adelaide untersuchten Neandertaler-Zähne aus zwei Höhlen im heutigen Belgien und Spanien. Und dabei erwies es sich als Glückfall, dass auch die Urmenschen schon Zahnstein und Entzündungen im Mundraum hatten.

Denn das Team, darunter etliche deutsche Forscher, fand im Zahnbelag Erbgut-Schnipsel, die es genauer unter die Lupe nahm. Die genetischen Analysen der in den Plaques „weggesperrten“ DNA geben einzigartige Einblicke in Ernährung und Gesundheit der Neandertaler, wie Erstautorin Weyrich erklärt.

„Zahnbeläge halten im Mund lebende Mikroorganismen und Keime aus dem Verdauungstrakt und den Atemwegen unter Verschluss“, sagt sie. „Ebenso Essensreste, die zwischen den Zähnen hängen blieben. Die DNA dieser Stoffe bleibt über Jahrtausende erhalten.“



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