Lieferengpässe

AOK will Mitteilungs-Pflicht für Apotheker

Berlin - 08.03.2017, 16:00 Uhr

Mehr Transparenz in der Lieferkette: Weil im Arzneimittelmarkt immer wieder Lieferengpässe entstehen, fordert AOK-Chef Christopher Hermann (2.v.l.) eine Meldepflicht für alle Marktbeteiligten. Auf dem Foto (v.l.n.r.): Rudolf Bernard (ADKA), Hermann, Karl Lauterbach (SPD) und Wolf-Dieter Ludwig (AkdÄ). (Foto: AOK BaWü)

Mehr Transparenz in der Lieferkette: Weil im Arzneimittelmarkt immer wieder Lieferengpässe entstehen, fordert AOK-Chef Christopher Hermann (2.v.l.) eine Meldepflicht für alle Marktbeteiligten. Auf dem Foto (v.l.n.r.): Rudolf Bernard (ADKA), Hermann, Karl Lauterbach (SPD) und Wolf-Dieter Ludwig (AkdÄ). (Foto: AOK BaWü)


Die AOK Baden-Württemberg sieht im Apothekenmarkt keine Probleme mit der Lieferfähigkeit von Arzneimitteln. Während Patienten im ambulanten Bereich eigentlich immer an ihre Arzneimittel kämen, gebe es in der Klinikversorgung hingegen große Schwierigkeiten. Trotzdem fordert die Kasse mehr Transparenz in der gesamten Lieferkette. So sollen alle Marktbeteiligten ihre Lagerbestände künftig den Behörden melden.

Das Problem der Nicht-Lieferfähigkeit von Arzneimitteln beschäftigt den gesamten Arzneimittelmarkt. Wie Engpässe zukünftig vermieden werden können und warum die Lieferprobleme entstehen, kann aber nicht geklärt werden, weil sich alle beteiligten Akteure die Schuld immer wieder gegenseitig in die Schuhe schieben. Die Hersteller meinen, dass Apotheker und Großhändler immer häufiger Arzneimittel gewinnbringend exportieren. Die Großhändler hingegen vermuten, dass die Hersteller Arzneimittel mit Absicht zurückhalten, um sie direkt an die Apotheken auszuliefern und die Großhandelsmarge zu kassieren. Und die Apotheker machen auch die Rabattverträge der Krankenkassen verantwortlich.

Um Licht ins Dunkel zu bringen, hat die AOK Baden-Württemberg beim Meinungsforschungsinstitut Forsa eine Umfrage in Auftrag gegeben, an der sich Im Februar etwa 2000 Menschen beteiligten, die regelmäßig Rx-Arzneimittel benötigen. Ziel der Studie war es, die Versorgung über Vor-Ort-Apotheken zu untersuchen. Das Resultat der Studie ist laut AOK: Die Arzneimittelversorgung über Apotheken sei „absolut gesichert“. 99 Prozent der Befragten erhielten ihr Medikament entweder an dem Tag, als sie das Rezept in der Apotheke einreichten oder einen Tag später.

AOK: Im ambulanten Sektor gibt es keine Probleme

In acht von zehn Fällen musste der Apotheker das gewünschte Präparat oder das Rabattarzneimittel bestellen. Etwa vier von zehn Befragten wurde laut AOK ein Austauschpräparat angeboten, weil das gewünschte Medikament nicht verfügbar war. An dieser Stelle kritisiert die AOK die Apotheker: Denn in 22 Prozent dieser Austausch-Fälle habe der Apotheker keine Extra-Beratung und Erklärungen zum Austausch angeboten. 11 Prozent der Befragten gaben sogar an, dass der Arzt ein neues Rezept ausstellen musste, weil das erste Rezept aufgrund eines Engpasses nicht erfüllt werden konnte. Von diesen 11 Prozent gaben wiederum 28 Prozent der Betroffenen an, dass sie vom Apotheker nicht darüber informiert wurden, warum weder das aufgeschriebene noch ein Ersatzmedikament verfügbar ist. Die Interpretation der AOK dieser Werte liest sich so: Die Versorgung durch Offizin-Apotheken zeige nur ein „punktuelles Lieferversagen“ auf, wobei die Gründe nicht verifizierbar seien.

Das eigentliche Problem liegt laut AOK daher im Klinikbereich. Rudolf Bernard, Chef des Bundesverbandes Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA), präsentierte auf der Pressekonferenz Zahlen, denen zufolge derzeit Arzneimittel mit 280 verschiedenen Wirkstoffen in Kliniken fehlen. 30 davon würden von der jeweiligen Klinikapotheke als versorgungskritisch eingestuft, in nur acht Fällen hätten die Hersteller dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) den Engpass gemeldet.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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7 Kommentare

Verursacher sind die KK

von Karl Friedrich Müller am 09.03.2017 um 10:04 Uhr

Wenn sich die AOK Firmen als Rabattpartner aussucht, teilweise als einzigen, wie Heumann oder Aurobindo, dann ist das nicht der Fehler der Apotheken, sondern der Kasse.
Diese Firmen können selten liefern. Die Apotheken können dann die Konsequenzen ausbaden: Kunden überzeugen, immer wieder Umstellungen (!),, die beim Patienten unerwünscht sind (!), Dokumentation, Risiko des Retax.

Hier mit dem Finger auf die Apotheken zu zeigen, ist eine perfide Unverschämtheit, da das Chaos einzig und allein die Krankenkassen zu verantworten haben wegen ihrer unstillbaren Geldgeilheit. Der Patient kommt bei den Verantwortlichen nicht mehr vor.

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AOK Thesen

von Dr.Diefenbach am 08.03.2017 um 22:07 Uhr

Es wäre mal angebracht großflächig zu plakatieren WAS es alles nicht gibt und was man gar nicht austauschen kann.man betrachte zB das Beispiei mit Penicillin Säften 400000 Einheiten,kurz zuvor die Sache Metronidazol.Es ist festzuhalten dass es mehr Defekte denn je gibt!!Gerne beseitigen wir Engpässe,wenn die Unsäglichkeit des Erfüllenmüssens von Rabattvertägen(Unwort des Jahres 2030) beseitigt wird.Die AOK Herren sind gerne eingeladen einmal zu erleben wie oft vor Ort die korrekte Belieferung Probleme aufwirft,weil es die Dinge nicht gibt.Und bockiges Negieren von Fakten löst doch nichts!Insofern wird der AOK Spitze demnächst eine neue Datensammlung präsentiert ,immer in der Hoffnung,dass Lesen schlauer macht!

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Die Zahlen sind schon schlimm genug - aber deren Interpretation ist ein Hohn

von Hummelmann am 08.03.2017 um 19:26 Uhr

Das muss man sich erst mal auf der Zunge zergehen lassen:
Da lässt die AOK ein unabhängiges Institut eine Umfrage machen und das Ergebnis lautet:
40% aller Rezepte konnten nicht wie gewünscht beliefert werden, es musste ein Ersatzpräparat beschafft werden.
11% musste zurück zum Arzt und das Rezept ändern lassen.

So ein erschütterndes Ergebnis wird von den vier Herren auf dem Bild so interpretiert:
Die Arzneiversorgung ist absolut gesichert.
Der Apotheker ist der böse Bube, weil er dem Patienten nicht erklärt, warum das verordnete AM bzw. Rabatt-AM nicht verfügbar ist.

Meine lieben Herren, die ja sonst immer so auftreten, als würden Sie die Weisheit mit dem Löffel essen:
Der Apotheker kann den Patienten nicht erklären, WARUM das Präparat gerade nicht verfügbar ist. Das weiß er nämlich nicht! Aber vielleicht erklären die scheinbar so klugen AOK-Köpfe und Politiker mal, warum sie Rabattverträge an Firmen vergeben, die gar nicht im benötigten Umfang liefern können. Vielleicht erklären Sie auch, warum ein neues Rezept nötig ist, wenn gleichzeitig keines der drei preisgünstigsten Alternativen zur Verfügung steht. Und am besten erklären Sie uns auch gleich, warum der Apotheker eine Nullretaxation bekommt, wenn er beim notwendigen Austausch die PZN für die Nichtverfügbarkeit aus Versehen nicht aufs Rezept druckt, warum man diesen Lapsus nicht nachträglich heilen kann und warum nicht nur die Differenz zum Rabatt-AM retaxiert wird, sondern gleich das gesamte Präparat? Da Sie ja offensichtlich alles wissen und die Dinge auf einfache Weise erklären, sagen Sie uns doch mal, warum wir jeden Tag hunderttausendfach den Karren für Sie kostenlos aus dem Dreck ziehen und am Ende statt einem Dank zu bekommen, uns auch noch von Ihnen beschimpfen lassen?
Wenn Sie es ernst meinen mit einer adäquaten Entlohnung, hier ein Vorschlag mir:
Für jedes Rabatt-Arzneimittel, das der Hersteller nicht liefern kann, bekommt der Apotheker eine Handlungspauschale von 2 Euro von der Krankenkasse. Sie können sich den Betrag ja später gerne im Rahmen der Rabattzahlungen wieder vom nicht-lieferfähigen Rabattpartner zurück geben lassen!
Für 5 Euro pro Vorfall erkläre ich dieses, von Ihnen ausgedachte und ohne Zustimmung der Apotheker entwickelte System auch gerne in aller Ausführlichkeit meinen Kunden. Obwohl ich dann leider noch immer nicht weiß, WARUM der Hersteller nicht liefern kann...

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AW: Treffende Beschreibung

von Dr. Kloebner am 09.03.2017 um 15:39 Uhr

Man muss sich ja nur auf dem Foto anschauen, wer sich da getroffen hat, um über die Lieferfähigkeit von Arzneimitteln zu diskutieren. Von der (Fach-)Öffentlichkeit werden wir selbst da ignoriert.Ob wegen angeblich mangelnder Kompetenz oder weil man erkannt hat, dass wir da zu kompetent sind, sei dahingestellt.

Bitte tun Sie uns allen den Gefallen und veröffentlichen diesen Kommentar, der es treffender nicht beschreiben kann, als Leserbrief. Nicht nur in der Fachpresse! Ich hätte mir gewünscht, dass einmal unsere Standesvertreter sich so zu Wort melden.

Aha

von Stefan Haydn am 08.03.2017 um 19:25 Uhr

Zitat Karl Lauterbach:
"Arzneimittel sind keine einfache Ware. Sie werden nicht wie Edelmetalle an irgendwelchen Börsen gehandelt. Jeder, der ein Arzneimittel herstellt, sollte sich über das besondere Privileg und die Verantwortung im Klaren sein. Überhöhte Arzneimittelpreise sind unethisch"

Im Klartext: Geld verdienen darf jeder, nur die Pharmaindustrie und die Apotheker nicht! Ist ja unethisch.
Markt hätte man gerne überall, aber nur wenns auch für den eigenen Geldbeutel passt. Ja was denn nun?

Wer vom Arzneimittel als besonderem Gut redet und dem Versandhandel die Stange hält, braucht sich wenigstens um seine eigene Glaubwürdigkeit keine Sorgen zu machen.

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Die Zahlen sind schon schlimm genug - aber deren Interpretation ist ein Hohn

von Hummelmann am 08.03.2017 um 19:19 Uhr

Das muss man sich erst mal auf der Zunge zergehen lassen:
Da lässt die AOK ein unabhängiges Institut eine Umfrage machen und das Ergebnis lautet:
40% aller Rezepte konnten nicht wie gewünscht beliefert werden, es musste ein Ersatzpräparat beschafft werden.
11% musste zurück zum Arzt und das Rezept ändern lassen.

So ein erschütterndes Ergebnis wird von den vier Herren auf dem Bild so interpretiert:
Die Arzneiversorgung ist absolut gesichert.
Der Apotheker ist der böse Bube, weil er dem Patienten nicht erklärt, warum das verordnete AM bzw. Rabatt-AM nicht verfügbar ist.

Meine lieben Herren, die ja sonst immer so auftreten, als würden Sie die Weisheit mit dem Löffel essen:
Der Apotheker kann den Patienten nicht erklären, WARUM das Präparat gerade nicht verfügbar ist. Das weiß er nämlich nicht! Aber vielleicht erklären die scheinbar so klugen AOK-Köpfe und Politiker mal, warum sie Rabattverträge an Firmen vergeben, die gar nicht im benötigten Umfang liefern können. Vielleicht erklären Sie auch, warum ein neues Rezept nötig ist, wenn gleichzeitig keines der drei preisgünstigsten Alternativen zur Verfügung steht. Und am besten erklären Sie uns auch gleich, warum der Apotheker eine Nullretaxation bekommt, wenn er beim notwendigen Austausch die PZN für die Nichtverfügbarkeit aus Versehen nicht aufs Rezept druckt, warum man diesen Lapsus nicht nachträglich heilen kann und warum nicht nur die Differenz zum Rabatt-AM retaxiert wird, sondern gleich das gesamte Präparat? Da Sie ja offensichtlich alles wissen und die Dinge auf einfache Weise erklären, sagen Sie uns doch mal, warum wir jeden Tag hunderttausendfach den Karren für Sie kostenlos aus dem Dreck ziehen und am Ende statt einem Dank zu bekommen, uns auch noch von Ihnen beschimpfen lassen?
Wenn Sie es ernst meinen mit einer adäquaten Entlohnung, hier ein Vorschlag mir:
Für jedes Rabatt-Arzneimittel, das der Hersteller nicht liefern kann, bekommt der Apotheker eine Handlungspauschale von 2 Euro von der Krankenkasse. Sie können sich den Betrag ja später gerne im Rahmen der Rabattzahlungen wieder vom nicht-lieferfähigen Rabattpartner zurück geben lassen!
Für 5 Euro pro Vorfall erkläre ich dieses, von Ihnen ausgedachte und ohne Zustimmung der Apotheker entwickelte System auch gerne in aller Ausführlichkeit meinen Kunden. Obwohl ich dann leider noch immer nicht weiß, WARUM der Hersteller nicht liefern kann...

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Müssen wir "nett" bleiben?

von Karl Friedrich Müller am 08.03.2017 um 16:58 Uhr

Immer schön den Druck auf die Apotheken aufrecht erhalten, gell? Schwafeln, auch wenn es der größte Unsinn ist.

Ich halte diesen Horror nicht mehr aus.
Ich kann beim Anlick dieser Gesichter nicht beschreiben, was ich empfinde. Es würde die Netiquette bei weitem sprengen.

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