Interpharm 2017

Wie in der Evolution der Zweck die Mittel heiligt

Bonn - 07.03.2017, 11:00 Uhr

Ein Gehirn das täuscht und Täuschung erkennt gilt als Meilenstein der Primatenevolution. (Foto: Patrick Rolands / Fotolia)

Ein Gehirn das täuscht und Täuschung erkennt gilt als Meilenstein der Primatenevolution. (Foto: Patrick Rolands / Fotolia)


Welche Rolle spielt die Fähigkeit zu Lügen in der menschlichen Evolution? Ist sie eine Eigenschaft von wahrer Intelligenz, ja sogar Empathie und Mitgefühl? Prof. Dr. Volker Sommer über das Lob der Lüge.

Sozialleben hat Vorteile – etwa beim Verteidigen von Ressourcen, Schutz vor Feinden oder gemeinsamer Brutpflege. Das gilt für uns ebenso wie für unsere nächsten Verwandten, die nicht menschlichen Primaten. Sozialleben hat aber auch Nachteile, weil Gruppengenossen wegen überlappender Interessen zugleich Konkurrenten sind.

Allerdings lässt sich der Wettbewerb abmildern, indem wir andere mit Falschinformation füttern, um sie in unserem Interesse zu manipulieren. Als Beispiel sei der falsche Alarm genannt: Jener Affe, der Konkurrenten durch fingierte Warnrufe zur Flucht verleitet, wird mehr reife Früchte ernten. Im Gegenzug werden die Betrogenen allerdings eigene Tricks und Tücken ausspielen.

Gehirne, die nicht nur gut täuschen können, sondern zugleich potente Lügendetektoren sind, gelten darum als wichtige Erfindungen der Primatenevolution.

Die Lüge lässt sich somit geradezu als Wetzstein der Intelligenz begreifen. Wer dabei die Absichten anderer durchschaut, vermag umso besser zu betrügen. Sich in andere mental hineinversetzen zu können, ist jedoch nicht nur dem Eigennutz förderlich. Vielmehr ermöglicht intelligentes Gedankenlesen auch effektiveres Zusammenarbeiten nach dem Motto „der wahre Egoist kooperiert“. Paradoxerweise hat das Lügen deshalb zugleich Empathie und Mitgefühl begründet.

Interpharm-Vortrag

„Lob der Lüge – Wie in der Evolution der Zweck die Mittel heiligt“

Prof. Dr. Volker Sommer, am Samstag, den 1. April 2017, auf der INTERPHARM in Bonn.

Buchtipp

Lob der Lüge. Wie in der Evolution der Zweck die Mittel heiligt

Wie ist die menschliche Intelligenz entstanden? Hat etwa unsere Fähigkeit zum Lügen und Betrügen dazu beigetragen? Volker Sommer zeigt in seinem Buch, wie das Täuschen im Tierreich immer differenzierter wurde und sich besonders komplex unter uns Menschen entfaltete. Moralische Appelle und religiöse Sanktionen konnten daran nichts ändern. So hat der Wettbewerb zwischen Unehrlichkeit und dem Kampf dagegen im Lauf von Jahrtausenden unsere Entwicklung vorangebracht. Es ist Zeit, die Lüge als Teil unserer intellektuellen Fähigkeiten und unserer Kultur zu akzeptieren - und richtig mit ihr umzugehen.


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