Europa-Vergleich

Beim Mindestlohn ist noch Luft nach oben

Berlin - 01.03.2017, 11:25 Uhr

Große Unterschiede beim Mindestlohn: Apotheker und Großhändler müssen seit Jahresbeginn einen höheren Mindestlohn zahlen. Laut Hans-Böckler-Stiftung liegen aber noch einige westeuropäische EU-Länder über dem Lohnniveau in Deutschland. (Foto: Fotogreber / Fotolia)

Große Unterschiede beim Mindestlohn: Apotheker und Großhändler müssen seit Jahresbeginn einen höheren Mindestlohn zahlen. Laut Hans-Böckler-Stiftung liegen aber noch einige westeuropäische EU-Länder über dem Lohnniveau in Deutschland. (Foto: Fotogreber / Fotolia)


Obwohl der Mindestlohn in Deutschland erst zu Jahresbeginn angestiegen ist, hinkt er den Werten aus anderen EU-Staaten noch hinterher. Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung hat eine Analyse veröffentlicht, nach der die meisten westeuropäischen Länder über der Lohnuntergrenze von 8,84 Euro liegen.

In 22 EU-Staaten gibt es derzeit einen Mindestlohn. Hierzulande war die Untergrenze 2015 eingeführt worden, der erste Wert lag damals bei 8,50 Euro. Die Apothekergewerkschaft Adexa hatte damals mit der Arbeitgebergemeinschaft Deutscher Apotheker (ADA) vereinbart, den durchschnittlichen Verdienst von 7,90 Euro auf 8,50 Euro anzupassen. Auch die Großhändler waren von der neuen Lohnuntergrenze betroffen: Der Verdienst Tausender Lagerarbeiter wurde angepasst. In der Folge berechneten viele Großhändler Extra-Zuschläge auf den Apotheken-Rechnungen, die sie auf den Mindestlohn zurückführten. Nachdem die sogenannte Mindestlohnkommission im vergangenen Jahr eine Erhöhung um 34 Cent vorgeschlagen hatte, stieg der Wert zum 1. Januar dieses Jahres auf 8,84 Euro an.

Laut der Hans-Böckler-Stiftung liegt Deutschland damit aber immer noch deutlich hinter anderen westeuropäischen Ländern. Einer Analyse zufolge zahlen Arbeitgeber in Luxemburg, Frankreich, Irland, den Niederlanden und Belgien mehr als in Deutschland. Den Spitzenwert gibt es mit 11,27 Euro in Luxemburg. Der Großteil der EU-Mitgliedstaaten hat jedoch Lohnuntergrenzen, die unter der von Deutschland liegen. Großbritannien zahlt mit umgerechnet 8,79 Euro nur etwas weniger als Deutschland. Insgesamt fällt auf, dass die Mindestlöhne europaweit stark variieren. Das zeigt allein der Unterschied zwischen Luxemburg und Bulgarien, wo es mit 1,42 Euro die niedrigste Untergrenze gibt. Aber auch Staaten wie Spanien (4,29 Euro) und Griechenland (3,35 Euro) liegen deutlich hinter der Spitzengruppe.

Zuletzt große Sprünge beim Mindestlohn

Die Hans-Böckler-Stiftung untersuchte auch, wie sich die Löhne zuletzt entwickelten. Den Ergebnissen zufolge gab es insbesondere zum Jahreswechsel 2016/2017 große Entwicklungen in ganz Europa. In Spanien stieg der Mindestlohn beispielsweise um 8,1 Prozent an, in Rumänien sogar um mehr als 19 Prozent. Auch in Ungarn und Bulgarien gab es zum Jahreswechsel deutliche Anhebungen von jeweils mehr als 14 Prozent. Grundsätzlich stellte die Stiftung fest, dass die Mindestlöhne seit 2011 im EU-Schnitt wieder ansteigen. Hatte es bei den nominalen Lohnuntergrenzen 2010 noch ein sehr geringes Plus von 1,7 Prozent gegeben, stiegen die Mindestlöhne zum 1. Januar 2016 in der EU durchschnittlich wieder um mehr als 5 Prozent an.

Die Analyse enthält auch einen Blick über den EU-Tellerrand. Laut Hans-Böckler-Stiftung gibt es in 80 Nicht-EU-Ländern auf der Welt einen Mindestlohn. Moldawien soll mit 56 Cent Schlusslicht sein, in den USA gilt ein Wert von umgerechnet 6,85 Euro, in der Türkei erhalten Arbeitnehmer mindestens 2,73 Euro, und in Australien gilt eine Untergrenze von mindestens 11,89 Euro.


Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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