Zulassungsempfehlung

Erste Hormonersatztherapie bei Nebenschilddrüsen-Unterfunktion

Stuttgart - 27.02.2017, 11:15 Uhr

Die Hauptursache für eine Unterfunktion der Nebenschilddrüsen sind Schilddrüsenoperationen, bei denen die Nebenschilddrüsen – absichtlich oder versehentlich – mitentfernt werden. (Foto: Alexandr Mitiuc / Fotolia)

Die Hauptursache für eine Unterfunktion der Nebenschilddrüsen sind Schilddrüsenoperationen, bei denen die Nebenschilddrüsen – absichtlich oder versehentlich – mitentfernt werden. (Foto: Alexandr Mitiuc / Fotolia)


Der Humanarzneimittelausschuss der EMA hat mit Naptar die erste Hormonersatztherapie bei Unterfunktion der Nebenschilddrüsen zur bedingten Zulassung empfohlen. Da diese Erkrankung sehr selten ist, hat das Arzneimittel, dessen wirksamer Bestandteil mit dem menschlichen Parathormon identisch ist, Orphan-Drug-Status. 

Hypoparathyreoidismus ist eine Unterfunktion der Nebenschilddrüsen, bei der zu wenig oder kein Parathormon (PTH) ausgeschüttet wird. Häufigste Ursache sind Schilddrüsenoperationen, bei denen die Nebenschilddrüsen – absichtlich oder versehentlich – mitentfernt werden. Durch den PTH-Mangel kommt es zur Störung der Calciumhomöostase: Die Calcium-Konzentration im Blut ist zu niedrig, da Calcium nicht mehr aus den Knochen mobilisiert wird und zudem die Reabsorption aus dem distalen Anteil des Nierenabflusssystems verhindert ist. Außerdem kommt bei PTH-Mangel die renale Vitamin-D-Synthese zum Erliegen, da PTH die Aktivität der 1α-Hydroxylase, des Schlüsselenzyms der Vitamin D3-Synthese, steigert. PTH hemmt außerdem die Phosphatrückaufnahme in der Niere, bei einem Mangel kann es daher zudem zu erhöhten Phosphatwerten kommen. Die Therapie besteht aus oraler Calcium- und Vitamin-D-Gabe, die zu einem normalen Calcium-Spiegel führen soll.

Bedingte Zulassung soll therapeutische Lücke schließen

Für Patienten, die auf diese Weise nicht ausreichend eingestellt werden können, könnte es demnächst eine zusätzliche Therapieoption geben. Der Humanarzneimittelausschuss der EMA (CHMP) hat mit Naptar eine Hormonersatztherapie zur bedingten Zulassung empfohlen. Eine bedingte Zulassung ist eine Möglichkeit, den Marktzugang für Arzneimittel zu erleichtern, die therapeutische Lücken schließen sollen. Wenn der Nutzen, die Therapie schnell verfügbar zu machen, größer ist, als die möglichen Risiken, kann die EMA in solchen Fällen die Zulassung eines Arzneimittels empfehlen – obwohl die Daten aus den klinischen Studien noch nicht vollständig sind. Da Hypoparathyreoidismus selten ist, hat Naptar bereits 2013 den Orphan-Drug-Status zugesprochen bekommen. 

Identisch zum menschlichen Parathormon

Naptar ist identisch zum menschlichen Parathormon und wird einmal täglich injiziert. Es soll als Pulver in vier Wirkstärken gemeinsam mit einem Lösungsmittel auf den Markt kommen. Sicherheit und Wirksamkeit wurden in einer Studie mit 124 Teilnehmern überprüft. Die Fragestellung dabei war, ob Naptar den Bedarf an Vitamin D und Calcium im Vergleich zu Placebo reduzieren kann – bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung akzeptabler Calcium- und Phosphat-Serum-Spiegel. 54,8 Prozent der mit Naptar behandelten Patienten konnten dabei die Vitamin-D- und Calcium-Dosis um mehr als 50 Prozent reduzieren, im Vergleich zu 2,5 Prozent unter Placebo.

Im Rahmen der bedingten Zulassung muss der Hersteller noch eine klinische Studie über 26 Wochen durchführen. So sollen noch weitere Erkenntnisse zur Sicherheit und Wirksamkeit gewonnen und das Dosierschema bestätigt werden. Außerdem werden Daten erhoben, inwiefern sich die Behandlung mit Naptar auf die Symptome und die Lebensqualität der Patienten auswirkt.

Die Empfehlung es CHMP wird nun an die europäische Kommission weitergeleitet, die über die Zulassung entscheidet. 


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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