Barmer Arztreport 2017

Kopfschmerz plagt vor allem junge Menschen

Berlin - 20.02.2017, 18:00 Uhr

(Foto: Antonioguillem / Fotolia)

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Kopfschmerzen werden vor allem bei jungen Erwachsenen immer häufiger diagnostiziert. Im Zeitraum von 2005 bis 2015 ist der Anteil der 18- bis 27-Jährigen mit Kopfschmerzdiagnosen um 42 Prozent gestiegen. Das geht aus dem aktuellen Barmer Arztreport hervor.

Laut dem am heutigen Montag in Berlin vorgestellten Barmer Arztreport waren im Jahr 2015 9,3 Prozent der Bevölkerung, also rund 7,6 Millionen Menschen, von Kopfschmerz betroffen. Vor allem junge Erwachsene haben immer häufiger ärztlich diagnostizierte Kopfschmerzen unterschiedlicher Art.

Am häufigsten erhielten 19-Jährige die Diagnose Kopfschmerz – und zwar 2005 genauso wie 2015. Ab einem Alter von 20 Jahren reduzieren sich diese Diagnosen wieder. Zwischen 2005 und 2015 stiegen die Raten insbesondere in der Altersgruppe zwischen 18 und 28 Jahren – und zwar um mehr als 30 Prozent. Dagegen gab es bei den unter 13-Jährigen 2015 merklich weniger Diagnosen als noch 2005.

Grafik aus dem Barmer Artzreport 2017
Mit 19 Jahren ist der Kopfschmerz-Höhepunkt erreicht. 

Der starke Anstieg der Kopfschmerzdiagnosen bei jungen Erwachsenen sei umso bedenklicher vor dem Hintergrund, dass die Zahl der Diagnosen über alle Altersklassen „nur“ um 12,4 Prozent zugenommen habe, heißt es bei der Barmer. Und dies sind nur die Diagnosen, die ein Arzt gestellt hat. Viele Menschen gehen bekanntlich gar nicht erst zum Arzt und behandeln ihre Schmerzen selbst – nicht zuletzt mit rezeptfreien Arzneimitteln.

Triptan-Verordnungen auf dem Vormarsch

Alarmierend ist laut Barmer auch die Verordnungsrate von Migränemitteln. Sie ist bei den 18- bis 27-Jährigen in der Zeit von 2005 bis 2015 um 58 Prozent gestiegen. Über alle Altersklassen hinweg betrachtet, lag der Anstieg bei 9,9 Prozent. Als Migränemittel wurden fast ausschließlich Mittel aus der Substanzgruppe der Triptane, vor allem Sumatriptan, verordnet. Sie sind sehr wirksam bei einer akuten Attacke, können bei Zuviel- oder Fehlgebrauch jedoch zu Kopfschmerzen als Nebenwirkung führen. „Die Dosis macht das Gift. Wer immer wieder zu Medikamenten greift, um Kopfschmerzen loszuwerden, landet im schlimmsten Fall in einem Teufelskreis aus Tablettenkonsum und Dauerkopfschmerzen. Die Betroffenen sitzen dann in einer Pillenfalle“, sagt Christoph Straub, Vorstandschef der Barmer.

Rund 250 verschiedene Formen von Kopfschmerz sind bekannt. Die meisten gelten als primär: Hier ist der Kopfschmerz selbst die Hauptursache der Beschwerden – etwa bei Migräne und Spannungskopfschmerz. Daneben gibt es sekundäre Kopfschmerzen, die nicht einmal zehn Prozent aller Kopfschmerzformen ausmachen. Auslöser können etwa Infekte, Fehlsichtigkeit, Kopf- und Halswirbelsäulenverletzungen sein sowie die Unverträglichkeit oder der übermäßige Konsum von Medikamenten, Alkohol, Nikotin oder Koffein. Allerdings gibt es lediglich drei ICD10-Diagnoseschlüssel, die explizit auf Kopfschmerzen verweisen. Diese sind jedoch ihrerseits mehrfach untergliedert. Sie wurden für den neuen Arzt-Report der Barmer genauer in den Blick genommen.

Regelmäßige Bewegung als Migräne-Prophylaxe  

Woran der Anstieg bei den jungen Menschen liegt, lässt sich nur vermuten – oft genannt ist der wachsende Druck. Aber bei der Barmer ist man überzeugt, dass Prävention hier helfen kann. Sport und Entspannungstechniken sollen helfen, dass es gar nicht erst zu schmerzhaften Attacken kommt. Dr. Ursula Marschall, leitende Medizinerin der Barmer, betonte gegenüber DAZ.online, dass regelmäßiges Sporttreiben die gleiche Evidenz habe, Migräne zu reduzieren, wie zur Prophylaxe angewandte Arzneimittel wie zum Beispiel Topiramat (Topamax®).

Dies sei umso notwendiger, als dass schon Kinder und Jugendliche häufig Arzneimittel einnehmen, um Kopfschmerzen loszuwerden. Laut einer aktuellen Umfrage der Barmer unter rund 500 Heranwachsenden haben 45 Prozent der Neun- bis 19-Jährigen mit Kopfschmerz diese Beschwerden bereits seit zwei bis drei Jahren. 40 Prozent von ihnen nehmen deshalb Medikamente ein, 42 Prozent bekämpften den Schmerz sogar jedes Mal mit Arzneimitteln. 74 Prozent erklärten, dass ihnen Hinlegen und Entspannen bei Kopfschmerz helfe. 

Ursachen und Symptome abklären

Auch in der Apotheke sollte für die verschiedenen Formen des Kopfschmerzes und die Möglichkeiten, ihn zu behandeln sensibilisiert werden. Wenn klar ist, dass die Schmerzen etwa mit einem Infekt in Zusammenhang stehen, kann sicher ein fiebersenkendes und schmerzstillendes Arzneimittel angezeigt sein. Wenn dies aber nicht der Fall ist, sollten die Symptome, ihr zeitliche Auftreten und die weiteren Begleiterscheinungen genau abgeklärt werden. Ist eine Migräne oder Spannungskopfschmerz anzunehmen, sollte der Besuch beim Arzt empfohlen werden. Als Faustregel gilt: Schmerzmittel nicht an mehr als zehn Tagen pro Monat und nicht länger als drei Tage hintereinander einnehmen. Wer häufiger Schmerzen hat, sollte einen Arzt aufsuchen.

Wichtig für die Patienten ist in diesen Fällen, einen Kopfschmerzkalender zu führen, in dem Auslöser, Tageszeit und Häufigkeit der Attacken dokumentiert werden. Hier setzt die Barmer nun auch auch auf eine von ihr geförderte Migräne- und Kopfschmerz-App – „M-sense”. Sie macht laut Barmer die individuellen Ursachen aus und analysiert den Verlauf von Migräne und Spannungskopfschmerzen – Dokumentationen, die dem behandelnden Arzt eine wichtige Hilfe bei der Therapie sein können.

Weitere Informationen für Apotheker gibt die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft auf ihrer Webseite.

Auch die Bundesapothekerkammer stellt eine Arbeitshilfe zur Information und Beratung bei Kopfschmerzen zur Verfügung.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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