Neue Auswertung

Setzen Beobachtungsstudien Arzneimittel-Sicherheit aufs Spiel?

Stuttgart - 09.02.2017, 07:00 Uhr

Beobachtungsstudien sollen Wirkung und Nebenwirkungen von Arzneimitteln im Praxis-Einsatz erfassen. (Foto: Monkey business / Fotolia)

Beobachtungsstudien sollen Wirkung und Nebenwirkungen von Arzneimitteln im Praxis-Einsatz erfassen. (Foto: Monkey business / Fotolia)


Laut einer umfangreichen Auswertung von rund 558 in Deutschland durchgeführten Anwendungsbeobachtungen haben diese keine Nebenwirkungen identifiziert. Ärzte erhielten mehr als 200 Millionen Euro Entschädigung, dabei wurde nicht einmal jede hundertste Studie veröffentlicht. Von Geheimhaltungsklauseln könnte sogar eine Gefahr ausgehen.

Sogenannte Anwendungsbeobachtungsstudien stehen schon lange in der Kritik: Sie werden nach Zulassung eines neuen Arzneimittels durchgeführt, um den „echten“ Einsatz am Patienten zu untersuchen und auch „Hinweise auf seltene Nebenwirkungen oder auf Wechselwirkungen zu gewinnen“, wie der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (vfa) erklärt.

Doch dies ist wohl höchstens äußerst selten der Fall, wie Ärzte, Datenanalysten und Forscher in einem Artikel im „British Medical Journal“ (BMJ) erklärten. Dabei stehen die nicht-kontrollierten Studien ohnehin in der Kritik – denn Pharmafirmen wird oft vorgeworfen, sie würden Ärzten unbotmäßige Zahlungen für die Teilnahme zukommen lassen. So hatte der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach Anwendungsbeobachtungen als „legale Form der Korruption“ hingestellt.

Klagen gegen Kassenärzte und BfArM

Als Grundlage für die aktuelle Auswertung dienten Unterlagen, die Transparency International – zu der Organisation gehören auch einige der Autoren – gerichtlich über das Informationsfreiheitsgesetz gegenüber der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) durchgesetzt hatte. Zu den zwischen 2008 und 2010 durchgeführten Anwendungsbeobachtungen erhielt Transparency International im Juli 2014 insgesamt knapp 7000 Papierseiten, die E-Mails, Schreiben, Verträge, Studienpläne und Listen von Ärzten umfassten. Obwohl die beiden Institutionen wie auch der GKV-Spitzenverband eigentlich identische Listen führen müssen, schwankte die Zahl der durchgeführten Studien erheblich: Das BfArM übermittelte Daten zu 499 Studien, die KBV zu 558 und der GKV-Spitzenverband 598.

Da die Autoren Zugang zu Kopien der Originaldokumente der KBV erhielten, werteten sie die von der KBV übermittelten Studien aus. Durchschnittlich nahmen 2331 Patienten sowie rund 270 Ärzte an jeder Anwendungsbeobachtung teil. Pro Patient erhielten Ärzte im Mittel gut 215 Euro, insgesamt lag der Betrag bei einer halben Million Euro pro Studie und bei 217 Millionen Euro über alle Studien hinweg. 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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