Klinken klagen gegen Rahmenvertrag

Kommt das Entlassrezept noch später?

Berlin - 12.01.2017, 16:35 Uhr

Auf den Übergang vom Krankenhaus in die ambulante Behandlung sollen Patienten künftig besser vorbereitet werden. Neu für Apotheken ist dabei, dass Kliniken Entlassrezepte ausstellen können. (WavebreakMediaMicro / Fotolia)

Auf den Übergang vom Krankenhaus in die ambulante Behandlung sollen Patienten künftig besser vorbereitet werden. Neu für Apotheken ist dabei, dass Kliniken Entlassrezepte ausstellen können. (WavebreakMediaMicro / Fotolia)


Ein verbessertes Entlassmanagement samt der Möglichkeit Entlassrezepte auszustellen wird voraussichtlich noch länger auf sich warten lassen. Nach einer Schiedsentscheidung sollten die neuen Rahmenbedingungen ohnehin erst im Sommer 2017 in Kraft treten – doch eine Klage der Kliniken könnte nun für weitere Verzögerung sorgen.

Das Entlassmanagement für Klinikpatienten soll besser werden. Schon 2015 hat der Gesetzgeber mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz für konkretere gesetzliche Vorgaben gesorgt. Er definierte im § 39 Abs. 1a SGB V Aufgaben für eine bessere sektorenübergreifende Versorgung für Ärzte, Krankenkassen und Krankenhäuser. Auch für die Entlassmedikation machte er Vorgaben. Die Details sollten Krankenkassen, Krankenhäuser und Kassenärzte in einem Rahmenvertrag regeln – und zwar bis Ende 2015. Die Verhandlungen scheiterten allerdings, weshalb das erweiterte Bundesschiedsamt angerufen wurde. Dieses setzte dann im vergangenen Oktober einen Rahmenvertrag fest. Kassenärzte und GKV-Spitzenverband trugen die Entscheidung mit, die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) machte schon im Herbst deutlich, dass sie die Vorgaben für einen „bürokratischen Supergau“ halte.

Nun ist die DKG einen Schritt weiter gegangen. Schon Ende November 2016 hatte der Vorstand beschlossen, Klage gegen die Schiedsentscheidung einzulegen. Das ist jetzt geschehen, wie die DKG am heutigen Donnerstag mitteilte. DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum erläuterte: „Das Ansinnen des Gesetzgebers, den Übergang von der stationären Versorgung für bestimmte Patienten deutlich leichter zu gestalten, war und ist unser Anspruch“. Doch die Entscheidung des Bundeschiedsamtes vom 13. Oktober 2016 entspreche dieser gesetzgeberischen Intention nicht – die DKG hält sie in zentralen Teilen für rechtswidrig. „Statt Versorgungslücken für bestimmte Patientengruppen zu schließen, sollte Bürokratie pur aufgebaut werden“, sagte Baum.

Entlassmanagement für alle

Konkret widerstrebt es der DKG beispielsweise, dass jeder Patient einen Anspruch auf Entlassmanagement haben soll – und nicht nur diejenigen, die es brauchen. Das heißt, jeder Krankenhauspatient muss von der Klinik schriftlich informiert werden und schon bei der Aufnahme schriftlich einwilligen. Dazu müssen zwei Formblätter ausgefüllt werden. Bei 19 Millionen Patienten würde dies mindestens 50 Millionen Minuten Arbeitszeit binden, rechnet die DKG. Diese Zeit könnte zum Wohl des Patienten effektiver eingesetzt werden.

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass jeder Klinikarzt sich von den Kassenärztlichen Vereinigungen eine lebenslangen Arztnummer (LANR) zuweisen lassen muss. Diese ist auf den künftigen Entlassrezepten anzugeben. Für Baum ist dies „ein absoluter Widerspruch zur Ausgestaltung des Entlassmanagements, das ausschließlich vom Krankenhaus als Institution verantwortet wird“. Die persönliche Verantwortung des einzelnen Krankenhausarztes trete hierbei in den Hintergrund, weshalb es einer persönlichen Registrierung nicht bedürfe.

Aufschiebende Wirkung oder nicht?

Nach Auffassung der DKG wird die Klage aufschiebende Wirkung haben. Damit wäre eine Umsetzung des Rahmenvertrags voraussichtlich auch über Juli 2017 hinaus bis zum Abschluss des Rechtsstreits blockiert. Und die Verfahren vor den Sozialgerichten können sich bekanntlich lange hinziehen. 

Die DKG betont allerdings: Der grundsätzliche Anspruch gesetzlich versicherter Patienten auf Durchführung eines Entlassmanagement an sich werde durch die Klage nicht suspendiert. Die Krankenhäuser seien weiterhin verpflichtet, ein
Entlassmanagement in bisheriger Ausgestaltung vorzuhalten, um eine möglichst
reibungslose Überleitung von Patienten des Krankenhauses in die unterschiedlichen Nachsorgebereiche zu gewährleisten. 

GKV-Spitzenverband weist Kritik zurück

Der GKV-Spitzenverband ist allerdings der Meinung, die Klage habe keine aufschiebende Wirkung. Hier ist man wenig erfreut über das Vorgehen der Kliniken. Die DKG erzeuge mit ihrer Klage „jetzt Unsicherheit, wo die Schiedsstelle bereits für Klarheit gesorgt hatte“. Der Spitzenverband erwartet nun, „dass im Interesse der Patienten auch durch die DKG mit der Umsetzung des Vertrages begonnen wird“.

Die Argumente der DKG weist der Spitzenverband zurück. Es möge aus Sicht der Kliniken bequem sein, wenn sie sich erst später und in besonderen Fällen Gedanken zum Entlassmangement machen müssen – dies gehe jedoch an dem Patienteninteresse an einer guten Versorgung vorbei, kritisiert die Kassenseite, erklärte Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbandes.

Was die künftige Möglichkeit der Krankenhäuser betrifft, Arzneimittel zu verordnen, so müssten hier „selbstverständlich“ die gleichen Regeln gelten wie bei niedergelassenen Ärzten. Das gelte auch für die Arztnummer. Lanz: „Im Interesse der Patienten darf es keine anonymen Verordnungen geben! Der verschreibende Arzt darf nicht nur durch eine leider häufig unleserliche Unterschrift erkennbar sein“.

Für die Apotheker heißt es damit zunächst weiter: abwarten. Wann das Entlassrezept wirklich kommt, ist derzeit nicht absehbar.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

Manageri, Managera

von Wolfgang Müller am 13.01.2017 um 18:09 Uhr

Ein Berufsgruppe, die sich vehement gegen nachlässigen Bürokratie-Aufbau durch "Management" wehrt. Hier eben gerade durch: Entlass-"Management". Interessant. Können wir was von lernen.

Beim Entlass-Management wären wir übrigens durchaus auch wegen einiger Quatsch-Bürokratie betroffen. Und wegen der dann notwendigen Winz-Packungen, die "wir" statt der ausreichenden Mitgabe von Medikamenten bis zum nächsten Hausarzt-Kontakt genialerweise sogar vehement im Gesetzgebungsprozess bevorzugt haben.

Es gilt weiter die alte Manager-Weisheit: Traue all den Purschen nicht, die von ihnen ausbaldowerte Hochbürokratie-Regelungen und -Vorgehensweisen sicherheitshalber AUCH gleich "Management" nennen. "Qualitätsmanagement" z. B. ist für angemessen bodennahe und Ergebnis-orientierte Menschen eben weiter einfach: "Organisation", Medikations-"Management" ist viel sympathischer weiter "pharmazeutische Betreuung" usw. usf. .......

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