Piperacillin-haltige Arzneimittel

BMG macht Weg für Not-Importe frei

Stuttgart - 03.01.2017, 17:00 Uhr

Das Bundesgesundheitsministerium reagierte auf die Lieferschwierigkeiten bei Piperacillin plus Tazobactam. (Foto: cel / DAZ.online)

Das Bundesgesundheitsministerium reagierte auf die Lieferschwierigkeiten bei Piperacillin plus Tazobactam. (Foto: cel / DAZ.online)


Aufgrund des Lieferengpasses bei der Kombination von Piperacillin plus Tazobactam reagierte das Bundesgesundheitsministerium: Über eine Bekanntmachung stellte es den Versorgungsmangel fest und machte den Weg für den Einsatz nicht zugelassener Alternativen frei.

Die Rationierung von Piperacillin plus Tazobactam sorgte schon zum Jahresende für große Unruhe in der Klinikversorgung. Es handelt sich um eine Kombination aus Breitbandantibiotikum und Betalactamase-Inhibitor. Das Wirkspektrum umfasst viele gram-positive Erreger, die meisten gram-negativen Bakterien einschließlich Pseudomonas aeruginosa sowie anaerobe Pathogene. Nach Auskunft von Dr. Matthias Fellhauer, Direktor der Apotheke des Schwarzwald-Baar Klinikums Villingen-Schwenningen, ist Piperacillin/Tazobactam vor allem in der Initialtherapie bei Patienten ohne Risiko für ESBL-bildende Bakterien wegen seines breiten Spektrums unverzichtbar.

Als Alternativen mit teils gravierenden Nachteilen kommen prinzipiell  infrage:

  • Cefepim (wegen der fehlenden Wirkung gegen Anaerobier gegebenenfalls mit Metronidazol)
  • Ceftriaxon (dann aber ohne Pseudomonas-Wirksamkeit)
  • Ceftazidim (dann aber mit schlechterer Aktivität gegen grampositive Erreger)

Carbapeneme wie Meropenem haben eine vergleichbare Wirkung. Sie fördern jedoch die Entwicklung von Carbapenem-resistenten Enterobacteriaceae, also multiresistenten Erregern, die auch in Deutschland zunehmend für gefürchtete nosokomiale Infektionen mit oft tödlichem Ausgang verantwortlich gemacht werden.

Aut-idem-Importe sind nun möglich

In einer Bekanntmachung nach § 79 Abs. 5 des Arzneimittelgesetzes hat das Bundesgesundheitsministerium festgestellt, dass es einen Versorgungsmangel mit Piperacillin-haltigen Arzneimitteln und damit mit Arzneimitteln gebe, die zur Vorbeugung und Behandlung lebensnotwendiger Erkrankungen benötigt werden. Als Ursache wird ein schwerer Betriebsunfall in einer der größten Herstellungsstätten für diesen Wirkstoff angegeben. 

Da eine alternative gleichwertige Arzneimitteltherapie, insbesondere im Hinblick auf die Vermeidung von vermehrt auftretenden Resistenzen durch die Verwendung anderer Antibiotika, nicht zur Verfügung steht, können die zuständigen Behörden der Länder ein befristetes Abweichen von den Vorgaben des Arzneimittelgesetzes (AMG) gestatten, um eine Behandlung mit Arzneimitteln zu ermöglichen, die im Geltungsbereich des AMG nicht zugelassen sind. Aut-idem-Importe sind damit möglich, was aber bei einem globalen Rohstoffmangel das Problem nur exportiert.


Dr. Doris Uhl (du), Apothekerin
Chefredaktion DAZ

redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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4 Kommentare

Vorhersehbar oder der Glaube an Geld drucken

von Bernd Jas am 04.01.2017 um 10:51 Uhr

Gestern Abend haben wir mal wieder eine letzte Packung eines nicht lieferbaren Novaminsulfon-Herstellers abgegeben. So und noch schlimmer muss sich das vor vor dreißig Jahren in der DDR angefühlt haben.
Und etwa Mitte der Siebziger, vor vierzig Jahren hat Prof. Hoimar von Ditfurth schon inständig davor gewarnt, dass wenn wir so weiter machen uns eine Klimaerwärmung droht, die den Meeresspiegel im nächsten Jahrhundert im Meterbereich ansteigen lässt.
Die Amis und auch viele andere Länder sind so was von pleite, man sollte meinen pleiterer geht es nicht, aber es wird weiter so viel Geld gedruckt bis die Börse kotzt.
Die Wirtschaftlichen Grundregeln, dass so etwas nicht funktioniert, haben uns die Lehrer schon im fünften Schuljahr beigebracht. Lernen die BWL´er an der Uni heute einen Wirtschaftsglauben, der die einfachsten Grundregeln außer Kraft setzt?
Ich meine nicht.
Vielmehr geht es wahrscheinlich darum wie man andere (Länder wie z.B. Griechenland) so sauber bescheißt, das sogar die Feuchttücher austrocknen.

Vorhersehbar ist das ja alles, aber es betrifft uns ja nicht; sind das meine Schulden, ist das mein Klima, und mein Gesundheitssystem?
Immer brauchen es alle immer billiger und auf einmal ist kein Preis mehr da. Und dann heißt es: "Och nö,... dann will ich nicht mehr!"

Beispiel Tagrisso.
Der Patient hat ohnehin schon Todesängste, und plötzlich gibt es sein Medikament nicht mehr in der Gesundheitshochburg Germany. Weil der Preis weg ist.
Nach gefühlten zwanzig Genehmigungen importieren wir nun fröhlich für über viertausend Euro mehr und trocknen die Tränen des Mitleids und der Todesangst.

Wer hat es kommen gesehen?
Alle, die hinterher keinen Preis mehr haben?

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Ursache dieser Engpässe...

von Michael Mischer am 04.01.2017 um 9:02 Uhr

...ist ein schwerer Betriebsunfall in einer der größten Herstellungsstätten des Wirkstoffs.

Soweit die Aussage in der Bekanntmachung nach § 79 Abs. 5 AMG, die das BMG im Bundesanzeiger veröffentlicht hat. Daraus schließe ich, dass hier nicht nur in Deutschland, sondern quasi weltweit ein Notstand besteht. Die unschöne Folge der deutschen Maßnahme dürfte also sein, dass wir als reiches Land, das auch mal Geld in die Hand nehmen kann, Patienten in ärmeren Ländern das Piperacillin vor der Nase wegkaufen - es sei denn, deren Regierungen versuchen sich an einem Exportverbot.

Ich bin gespannt, wo das hinführt und würde mich freuen, wenn die DAZ in dieser Hinsicht am Ball bliebe.

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Vorsicht mit Vorurteilen

von Veit Eck am 03.01.2017 um 19:21 Uhr

Der Lieferengpass bei Pip/Taobac ist schlimm, keine Frage und betrifft besonders Intensivpatienten. Aber mit der GKV oder ihren Rabattverträgen hat er nichts zu tun.
Die Grundstoffen werden irgendwo auf diesem Planeten produziert - wichtig dabei anerkannte Regeln wie GMP. Und das ist sehr sensibel: Geht eine Charge schief oder fällt ein Logistiker aus - dann kann so etwas wie die aktuelle Misere schnell entstehen. Die Hersteller haben in Deutschland mit den großen Einkaufsverbünden der Krankenhausszene fest Verträge. Und natürlich werden deren Mitglieder zuerst beliefert. Folglich bekommen andere nichts - das ist dann schon fast ein Dominoeffekt.

Was kann man tun ?
Knackpunkt sind Arzneimitteltherapien und die dazugehörigen Leitlinien. Da ist dann mehr Flexibilität gefordert und dazu braucht man unbedingt den Apotheker auf Station, der vor Ort Alternativen anbietet. Nur das deutsche Krankenhaussystem bietet das sehr selten: klinische Pharmazeuten haben es schwer bei den Klinikleitungen und den Chefärzten. Noch immer ist es viel probater noch einen Assistenzarzt anzustellen, als in den Stationsapotheker.

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Zentralisierung ist ja so toll !

von ratatosk am 03.01.2017 um 18:26 Uhr

Nur keine Panik, ist alles so ja von unserer Regierung und den GKV s gewollt, Zentralisierung auf die billigste Quelle, zwangsläufig verengt sich hier die Zahl der Kanditaten immer mehr bis auf 1 - manchmal auch auf 0 .
Ist auch für alle anderen Medikamente so. Das Risiko wird hier völlig bewußt eingegangen. Sog Gesundheitsexperten sehen leider nicht mal diese einfachen Prinzipien. Kommt ja immer öfter vor, kürzlich bei Metamizol etc.
Und natürlich wird es immer zu Störungen kommen oder zu Wetterkatastrophen Erdbeben etc. etc. - und dann wird es eben bei dieser Politik Opfer geben. Glaeske und Lauterbach übernehmen sie ! Lindner und die SPD sowie die Grünen folgen gerne, da diese ja die Zentralisierung auf einzelne Großkonzeren forcieren.

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