Folgen des EuGH-Urteils

Wie eine Landapothekerin Politiker überzeugt

Oberwolfach - 06.12.2016, 15:20 Uhr

Im Gespräch: Die Apotheker Claudia und Roland Kröger suchen das Gespräch mit Parlamentariern wie dem CDU-Bundestagsabgeordneten Thorsten
Frei. (Foto: Büro Frei)

Im Gespräch: Die Apotheker Claudia und Roland Kröger suchen das Gespräch mit Parlamentariern wie dem CDU-Bundestagsabgeordneten Thorsten Frei. (Foto: Büro Frei)


„Oh, dafür gehen Sie arbeiten?“ Wenn die Apothekerin Claudia Kröger mit ihrem Mann Politiker trifft, erklärt sie die Lage von Vor-Ort-Apotheken und den Apothekenmarkt im Allgemeinen. Kröger veranschaulicht beispielsweise, welche Orte im Schwarzwald bald ohne Apotheken auskommen müssten – und was das EuGH-Urteil für ihren eigenen Betrieb bedeuten könnte. Bei den Politikern kommt sie an.

Landschaftlich ist es schön im 2500-Einwohner-Ort Oberwolfach. In einem Schwarzwald-Tal gelegen, zieht es einige Touristen in den Luftkurort – wie auch einige Wissenschaftler in das deutschlandweit bekannte Mathematische Forschungsinstitut. Doch während Apothekerin Claudia Kröger die Gegend liebt und die Einwohner schätzt, ist sie seit dem EuGH-Urteil in Sorge um die weitere Existenz ihrer Linden-Apotheke. Sie fürchtet, dass durch die Freigabe von Rx-Boni ein erheblicher Anteil des Umsatzes zukünftig an Versandapotheken im Ausland gehen wird – oder Krankenkassen nach einem möglichen Fall der Preisbindung in Deutschland Exklusivverträge mit großen Anbietern abschließen.

„Wenn das wirklich so bleibt, wird es für eine Apotheke schwer sein, mit weniger als 10.000 Kunden auszukommen“, erklärt Kröger, in deren Apotheke insgesamt rund vier Vollzeitkräfte arbeiten – so auch ihr Mann. Bis vor vier Jahren habe sie eine zweite Apotheke am anderen Ende des Tales betrieben, doch seit der Einführung eines Qualität-Management-Systems sei der Betrieb nicht mehr aufrechtzuerhalten gewesen. Aktuell betreibt sie noch zwei Rezeptsammelstellen. Wenn sie irgendwann nur noch von der Notfall-Versorgung leben könnte, bräuchte sie die doppelte Kundenzahl, rechnete sie sich aus. Und wurde aktiv.

Welchen Apotheken würde es das Leben kosten?

„Wir haben das erste Gespräch knapp anderthalb Wochen nach dem EuGH-Urteil gehabt“, sagt Kröger. Seitdem war sie mit vier Bundes- und Landtagsabgeordneten im Gespräch, ein fünftes ist schon geplant. Dabei bereitet sie sich genau auf jedes Gespräch einzeln vor. Auf Wikipedia habe sie sich die Bevölkerungszahlen herausgesucht, und auch die jetzige Apothekenzahl in der Region recherchiert. Mit einem Ausdruck einer Google-Maps-Karte sowie ihren eigenen Geschäftszahlen ging sie dann zu den Abgeordneten. „Wir haben für die Abgeordneten Kreuze gemacht, wo es Apotheken das Leben kosten könnte“, erklärt Kröger. Rund die Hälfte werde es im Herzen des Schwarzwalds sein, schätzt sie.

„Das war für die Abgeordneten durchaus mit einem Aha-Effekt verbunden“, betont die Apothekerin. Durch ihre anschaulichen Tischvorlagen hätten sich die Politiker vorstellen können, welche Orte es trifft. „Ich fand das sehr wichtig, dass wir es in einem sehr konkreten Rahmen gehalten haben.“ Dabei erkläre sie auch beispielsweise, wie Arzneimittelpreise zustandekommen. 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

:D

von Peter Lahr am 06.12.2016 um 16:41 Uhr

"Die Betriebsergebnisse hätten die Politiker überrascht. „Oh, dafür gehen Sie arbeiten?“, hätten sie gefragt"

Das liegt vielleicht daran, dass die Kalrchens dieser Nation ständig mit dem Umsatz und nicht mit dem Betriebsergebnis um sich schmeissen. Verdenken kann man es den Politikern von daher nicht.

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Politikergespräche

von Frank Zacharias am 06.12.2016 um 16:13 Uhr

Der Einsatz der Kollegin ist gar nicht hoch genug einzuschätzen. Meinen Dank dafür.

Ich weiss selbst, wie schwer und mühevoll es ist, auf die Abgeordneten zuzugehen. Leider bekommt man zu selten eine Antwort oder eine Gelegenheit zu einem persönlichen Gespräch. Wenn es denn aber klappt, dann überzeugt man am meisten mit dem Beschreiben der eigenen situation vor Ort und mit den daraus resultierenden Folgen.
Ich bleibe dran und hoffe, es machen möglichst viele Kollegen ebenso!

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