Gröhe in der Kritik

Bundestag ignoriert Heilpraktiker-Skandal

Stuttgart - 06.12.2016, 09:30 Uhr

Bislang nur eine kleine Änderung von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe: Nach Ansicht vieler Gesundheitspolitiker wie auch Patientenschützer muss das Heilpraktikerwesen strenger reguliert werden. (Foto: dpa)

Bislang nur eine kleine Änderung von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe: Nach Ansicht vieler Gesundheitspolitiker wie auch Patientenschützer muss das Heilpraktikerwesen strenger reguliert werden. (Foto: dpa)


Nachdem mehrere Krebspatienten eines Heilpraktikers verstarben, war eine Regelverschärfung für den Berufsstand unter Politikern Konsens. Doch der Bundestag beschloss nur eine kleine Änderung. Patientenschützer Eugen Brysch fordert gegenüber DAZ.online eine „grundlegende Reform“, und auch Politiker erneuern ihre Kritik.

Der Aufschrei war groß: Nachdem mehrere Krebspatienten eines Heilpraktikers in Brüggen-Bracht kurz nach der Behandlung verstorben waren, sahen Gesundheitspolitiker aller Bundestagsfraktionen gesetzlichen Handlungsbedarf. Seitdem gab es nicht nur bei den Ermittlungen wenig Fortschritt – die Staatsanwaltschaft untersucht noch, ob sich eine kausale Beziehung zwischen der Behandlung mit dem nicht zugelassenen Mittel 3-Bromopyruvat und den Todesfällen herstellen lässt. Doch auch bei der Prävention hakt es, meinen Kritiker: Die Befugnisse von Heilpraktikern sollten deutlich eingeschränkt werden.

Doch die Pläne könnten im Sand verlaufen. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hatte kleine Änderungen an das Dritte Pflegestärkungsgesetz gehängt, das vergangene Woche vom Bundestag verabschiedet wurde: Demnach soll sein Ministerium bis zum Jahresende 2017 Leitlinien für die Zulassungsprüfung von Heilpraktikern erarbeiten – und anders als bisher soll die Prüfung nicht nur ausschließen, dass die zukünftigen Heilpraktiker eine „Gefahr für die Volksgesundheit“ sind, sondern sie sollen zukünftig auch dem einzelnen Patienten nicht schaden können, so das Gesetz.

Das Thema fiel vom Tisch

Hingegen hatten Gesundheitspolitiker zuvor gefordert, dass nicht nur die Zulassungsprüfung, sondern auch die bislang völlig freie Ausbildung geregelt werden müssen – und dass es klare Beschränkungen für die Tätigkeitsfelder von Heilpraktikern bedürfe. Doch bei der Bundestagssitzung, bei der die kleine Gesetzesänderung beschlossen wurde, war davon nichts mehr zu spüren: Laut Protokoll erwähnte kein einziger Abgeordneter das Wort „Heilpraktiker“ in seiner Rede. Und auch in seiner Pressemitteilung erwähnte Gröhe das Thema nur zu guter Letzt: Er zeigte sich unverbindlich optimistisch, dass die Leitlinien „die Qualität der Überprüfung erhöhen“ werden. Auf Nachfrage bezeichnete eine Pressesprecherin Gröhes dies als „aktuellen Stand“ – weiteren Änderungsbedarf sieht der Minister offenbar nicht.

„Das nun verabschiedete dritte Pflegestärkungsgesetz bringt keine grundlegende Reform des Heilpraktikergesetzes“, erneuert hingegen Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz gegenüber DAZ.online seine Kritik an Gröhe. Es bliebe ungeklärt, wie Anwärter für den Heilpraktikerberuf „deutschlandweit einheitlich“ ausgebildet werden können. „Hierzu wäre ein verbindlicher Ausbildungsgang oder ein geregeltes Studium notwendig“, betonte der Patientenschützer. Die Ausbildung müsse auf klar definierten Lehr- und Studienplänen basieren. „Für die wirksame Qualitätssicherung bei Heilpraktikern ist dies eine wichtige Voraussetzung“, erklärte Brysch.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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4 Kommentare

Heilpraktiker , Kommentar von Susann

von Hans-Peter Heid am 27.12.2016 um 19:18 Uhr

Verehrte Susann, mein Kommentar ist unabhängig von der Pharmalobby; ich habe auch keine Angst vor der Natur, warum auch? Wirtschaftliche Interessen stehen sowohl hinter der pharmazeutischen Industrie wie auch hinter den Firmen, welche Homöopathica und Naturheilmittel vertreiben. Die Herstellung von Allopathischen und homöopathischen Medikamenten ist im Übrigen meistens in einer Hand. Die Behauptung von 40000 iatrogenen Todesfällen und unglaublich vielen Medikamententoten in Deutschland ist ohne Beleg eine postfaktische Propagandaaussage. Offenbar sind Sie bislang von einem bedrohlichen Krankheitsgeschehen verschont geblieben, sodass Sie die Segnungen der wissenschaftlichen Medizin noch nicht am eigenen Leib erfahren mussten. Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass dies so bleibt. Wenn es nämlich um Leben oder Tod geht, so bereiten Heilpraktiker, Homöopathie, Naturheilweisen und Co. ganz schnell den Weg zur Himmelfahrt, wenn nicht rechtzeitig ein geeignetes kuratives Verfahren der wissenschaftlichen Medizin in Anspruch genommen wird.

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Heilpraktiker

von Hans-Peter Heid am 12.12.2016 um 19:20 Uhr

Heilpraktiker stellen Diagnosen mit untauglichen diagnostischen Verfahren. Die erhobenen prekären Diagnosen werden dann mit untauglichen therapeutischen Verfahren behandelt. Dies funktioniert nur bei Krankheiten mit einem günstigen natürlichen Verlauf. Da dies bei dem größten Teil der Patienten der Fall ist, bleibt der Schaden in der Regel begrenzt. Kriminell wird die Angelegenheit, wenn es sich um bedrohliche Erkrankungen handelt, für welche die wissenschaftliche Medizin kurative Behandlungsoptionen hätte. Wird deren rechtzeitiger Einsatz durch unzulängliche Behandlungsversuche des Heilpraktikers versäumt, kann es für den Patienten fatal enden.
Der Berufsstand des Heilpraktikers ist ein Anachronismus und einer aufgeklärten Gesellschaft, die sich als Hort der Wissenschaft und Rationalität empfindet, unwürdig

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AW: Heilpraktiker

von susann am 27.12.2016 um 15:35 Uhr

Da spricht die Angst der Pharmalobby vor der Natur als Konkurrenz.
Okay.Aber die 40000 iatrogenen Todesfälle und die unglaublich vielen Medikamententoten in der BRD/Jahr-die sind ganz sicher keine Siegeskrone der Wissenschaftlichkeit und Rationalität und eines solchen Kommentares aber mehr als unwürdig.
(Übrigens:In Frankreich ist Homöopathie ein Studiengang.)

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