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Krankenkassenfinanzierung
TK-Chef räumt Abrechnungstricks ein
Der Chef der Techniker Krankenkasse (TK), Jens Baas, hat in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ eingeräumt, dass seine Kasse gewisse Abrechnungstricks anwendet, um an mehr Geld aus dem Gesundheitsfonds zu kommen. „Wir Krankenkassen schummeln ständig“, gibt Baas in dem Interview offen zu.
Baas sagte: „Es ist ein Wettbewerb zwischen den Kassen darüber entstanden, wer es schafft, die Ärzte dazu zu bringen, für die Patienten möglichst viele Diagnosen zu dokumentieren.“ Mit „Schummeln“ gebe es mehr Geld aus dem Gesundheitsfonds. Für all das hätten die Kassen seit 2014 eine Milliarde Euro ausgegeben, die für die Behandlung der Patienten fehle, sagte Baas.
Der TK-Chef machte deutlich, dass regionale Kassen diese Schummelei besonders intensiv betrieben. „Sie bekommen 2016 voraussichtlich eine Milliarde Euro mehr (über den Risikostrukturausgleich) als sie für die Versorgung ihrer Versicherten benötigen.“ Baas meint dabei offenbar die Kassen der AOK. Aber auch seine Kasse könne sich dem nicht entziehen, räumte der TK-Chef ein.
Zur Erklärung: Der Risikostrukturausgleich (RSA) ist ein Mechanismus, der für die Zuweisung der Gelder aus dem Gesundheitsfonds an die einzelnen Kassen zuständig ist. Je nach Alter und Krankheitsstand eines Versicherten erhalten die Kassen mehr oder weniger Geld aus dem Fonds. Viele Kassen beschweren sich aber über Ungerechtigkeiten in der Konzeption dieses Verteilungsmechanismus und fühlen sich ungerecht behandelt.
Kassenverband gibt Ärzten die Schuld
Ein Sprecher des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) schob den Ärzten eine Mitverantwortung zu. Die Ärzte hätten die Einführung verbindlicher Richtlinien für Diagnosen boykottiert, sagte er der „Passauer Neuen Presse“.
Der Essener Gesundheitsökonom Jürgen Wasem fordert Konsequenzen. „Die Aufsichtsbehörden der Krankenkassen sind zuständig, sie müssen Verstöße konsequent aufdecken und verfolgen“, sagte Wasem den „Ruhr Nachrichten“. Er sprach von einer „rechtlichen Grauzone“ und verlangte „klare und bundesweit einheitliche Bewertungsmaßstäbe“. Patienten auf dem Papier kränker zu machen, sei „verboten und kriminell“.
Auch die kommunalen Krankenhäuser werfen den Krankenkassen systematischen Abrechnungsbetrug vor und verlangen umgehende Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Die Krankenkassen nutzen offensichtlich Beitragsmittel von mehreren hundert Millionen Euro, „um sich ungerechtfertigte Zahlungen zu sichern“, erklärte die stellvertretende Vorsitzende des Interessenverbandes kommunaler Krankenhäuser, Susann Breßlein. Das sei kein Kavaliersdelikt, sondern könne das Vertrauen der Versicherten in die Seriosität der Kostenträger erschüttern.
Breßlein nannte es empörend, dass der TK-Chef das Eingeständnis systematischen Abrechnungsbetrugs „so beiläufig erwähnte, als handele es sich um eine Ordnungswidrigkeit für Falschparken“. Vor diesem Hintergrund erscheine es besonders zynisch, dass die Krankenkassen Millionen Euro von den Kliniken zurückhalten, deren Abrechnungen sie ihrerseits anzweifelten.
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