Orphan Drugs

Eine lukrative Geldquelle?

Remagen - 07.10.2016, 17:00 Uhr

 Vergoldet sich die Pharmaindustrie seltene Erkrankungen? (Sondem / Fotolia)

 Vergoldet sich die Pharmaindustrie seltene Erkrankungen? (Sondem / Fotolia)


Das Handelsblatt und das ARD-Magazin Plusminus haben diese Woche Arzneimittel gegen seltene Erkrankungen (Orphans Drugs) aufs Korn genommen. „Der Milliarden Trick“ titelte das Handelsblatt provokant und attackierte damit die Pharmaindustrie, die die seltenen Krankheiten als lukrative Geldquelle entdeckt haben soll. 

Rund ein Fünftel der Medikamente, die jährlich neu auf den Markt kommen, sind sogenannte Orphan Drugs. Die Unternehmen entsprächen damit den Forderungen von Patienten und Selbsthilfegruppen, Ärzten, Politik und der EU-Kommission nach verstärktem Engagement auf diesem Gebiet, stellt der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) fest. In der Tat ist die Entwicklung von Arzneimitteln für seltene Erkrankungen sowohl in der EU wie auch jenseits des Atlantiks in den USA gesundheitspolitisch hoch aufgehängt.

Nur ein Prozent behandelbar

Erst mit Inkrafttreten der entsprechenden EU-Verordnung im Jahr 2000 hatte der Sektor etwas Fahrt aufgenommen. Trotzdem fristen die Präparate zahlenmäßig gemessen am Umfang der Betroffenen (rund 30 Millionen Menschen in der EU) und der Anzahl der einzelnen Erkrankungen immer noch ein Nischendasein. Derzeit sind nach Angaben des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI) nur etwa ein Prozent der rund 8.000 seltenen Erkrankungen medikamentös behandelbar. Die Medikamente, die in der EU den Orphan Drug-Status haben (88) oder ihn zuvor hatten (29) richten nach vfa-Angaben gegen insgesamt 93 seltene Erkrankungen. 

Nichts gegen das Fragile-X-Syndrom?

Dennoch stehen Orphan Drugs immer wieder in der Kritik. Diese Woche haben sich nach gemeinsamer Recherche das Handelsblatt und das ARD-Magazin Plusminus des Themas angenommen. Ihr Bespiel: Zwei Jungen aus Hamburg, die an dem Fragilen X-Syndrom leiden, einer seltenen Krankheit, die zu autistischen Verhaltensweisen führt. Bislang habe die Pharmaindustrie wenig Interesse gezeigt, Geld in die Suche nach einem Mittel dagegen zu stecken, wird behauptet. Der vfa verweist im Gegenzug darauf, dass bereits sieben Wirkstoffe gegen das seltene Fragile-X-Syndrom den Orphan Drug-Status erhalten hätten, die sich jedoch alle noch in der Erprobung befänden.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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