Ärzte der Welt vs. Gilead

Patentstreit um Sovaldi

Berlin - 04.10.2016, 17:15 Uhr

Die Tablette, die Hepatitis C heilen kann. Allerdings bleibt vielen Menschen derzeit der Zugang zu Sovaldi wegen der hohen Kosten verwehrt

Die Tablette, die Hepatitis C heilen kann. Allerdings bleibt vielen Menschen derzeit der Zugang zu Sovaldi wegen der hohen Kosten verwehrt


Die Organisation Ärzte der Welt kämpft gegen die hohen Kosten für das Hepatitis-C-Arzneimittel Sovaldi. Sie will, dass mehr Patienten Zugang zum Wirkstoff Sofosbuvir bekommen und ficht daher das Patent an. Jetzt wird vor dem Europäischen Patentamt in München verhandelt.

Sovaldi® von Gilead gilt als segensreiche Arzneimittelinnovation – es ist das erste Arzneimittel, das Hepatitis C tatsächlich heilen kann. Seit seiner Markteinführung 2014 ist ihm eine Reihe weiterer Kombinations-Präparate gefolgt, die alle gegen unterschiedliche Typen der Virusinfektion wirken. Das Problem: Sovaldi ist teuer. Laut dem Ärzte-Netzwerk Ärzte der Welt können die Behandlungskosten je nach Land bei bis zu 60.000 Euro liegen. Die Organisation will sich damit nicht abfinden.

Bereits Anfang vergangenen Jahres hat Ärzte ohne Grenzen beim Europäischen Patentamt (EPA) Einspruch gegen das Patent auf den Wirkstoff Sofosbuvir (EP2203462) eingelegt. Das Ziel: Anderen Unternehmen soll ermöglicht werden, kostengünstigere Generika herzustellen. Dem Einspruch haben sich der Organisation zufolge mittlerweile neun Pharmafirmen aus verschiedenen Ländern angeschlossen.

Am heutigen Dienstag wurde erstmals verhandelt, für den 5. Oktober ist ein weiterer Verhandlungstag angesetzt. „Uns sind die sozialen und ökonomischen Aspekte bewusst“, sagte der Vorsitzende der Einspruchsabteilung, Dieter Tzschoppe, zu Beginn der Verhandlung. Es gehe aber in dem Verfahren lediglich darum, den erfinderischen Charakter zu klären.

Exakte Formel oder nicht?

Und so standen heute chemische Formeln im Mittelpunkt. Ein Vertreter von Ärzte der Welt sagte, es handele sich bei dem Wirkstoff nicht um eine neue Erfindung. Es fehle Sofosbuvir am innovativen Charakter, da es schon früher von anderen Forschern beschrieben worden sei. Gilead hat der klagenden Organisation zufolge in seinen Anmelde-Dokumenten auch keine exakte Formel genannt, sondern eine wesentlich breiter gefasste chemische Zusammensetzung. In den eingereichten Unterlagen wurde nach Einschätzung der Ärzte der Welt zudem keine spezifische Methode vorgestellt, um Sofosbuvir synthetisch herzustellen. Eine Vertreterin der US-Firma hielt dem entgegen, die Formel sei einmalig und auch eindeutig beschrieben.

Bis Generika-Hersteller womöglich billigere Sofosbuvir-Präparate  herstellen dürfen, können Jahre vergehen. Denn wie die Einspruchsabteilung des EPA auch entscheidet – voraussichtlich wird die unterlegene Partei Beschwerde einlegen. Dann muss eine Technische Beschwerdekammer entscheiden.

Sofosbuvir

Sofosbuvir ist ein direkt wirkendes antivirales Arzneimittel. Es hemmt selektiv die RNA-abhängige RNA-Polymerase NS5B des Hepatitis C Virus (HCV), welche für die Replikation des Virusgenoms von wesentlicher Bedeutung ist. Als Nukleotid-Prodrug führt Sofosbuvir - nach Aktivierung zum Triphosphat - und Einbau durch die NS5B-Polymerase zum Kettenabbruch und somit zur Unterbrechung des Replikationszyklus. Sofosbuvir ist zugelassen in Kombination mit anderen antiviral wirksamen Arzneimitteln. Therapiedauer und Kombinationspartner (Ribavirin oder Ribavirin + PEG-Interferon) orientieren sich am Genotyp (1-6) und der damit einhergehenden unterschiedlichen Virulenz des HCV.

Handelsname: Sovaldi® 400 mg Filmtabletten, Bestandteil von Harvoni® 90 mg/400 mg Filmtabletten.


Kirsten Sucker-Sket / dpa
redaktion@daz.online


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