„Fünf-Sekunden-Regel“

Bakterien sind schneller

Berlin - 22.09.2016, 11:35 Uhr

Tja – egal ob nach ein, zwei oder sechs Sekunden: Bakterien sind am Brot. (Foto: littlebonsai / Fotolia)

Tja – egal ob nach ein, zwei oder sechs Sekunden: Bakterien sind am Brot. (Foto: littlebonsai / Fotolia)


Gerade im angloamerikanischen Kulturkreis schwören viele Menschen auf die „Fünf-Sekunden-Regel“: Heruntergefallenes Essen soll genießbar bleiben, falls es rasch wieder aufgehoben wird. Jetzt zeigen Forscher, dass Kontaminationen in jedem Fall auftreten.

Schnell noch das heruntergefallene Marmeladenbrot retten: In amerikanischen Serien wie den „Simpsons“ oder „Grey's Anatomy“ taucht die seltsam anmutende „Fünf-Sekunden-Regel“ recht häufig auf. Grund genug für Robyn C. Miranda und Donald W. Schaffner von der State University of New Jersey, wissenschaftliche Fakten zu dem behaupteten Phänomen zu sammeln. Ihre Veröffentlichung erschien jetzt im Journal „Applied and Environmental Microbiology“

Eine Frage der Oberfläche

Miranda und Schaffner wählten Enterobacter aerogenes als Testbakterium. Der Erreger führt zu Harnwegs-, Hirnhaut- oder Atemwegsentzündungen. Er spielt auch bei nosokomialen Infektionen eine Rolle.

E. aerogenes wurde durch die Forscher also auf unterschiedliche Oberflächen gebracht, dazu zählten Edelstahl, Teppiche, Holz oder Kacheln. Als „Substrat“ verwendeten sie Spalten einer Wassermelone, trockenes Brot, Butterbrot beziehungsweise Weingummi. Die Inkubationszeiten variierten von unter einer Sekunde, fünf Sekunden und 30 Sekunden bis zu 300 Sekunden. Anschließend züchteten Wissenschaftler Bakterien nach standardisierter Methodik an und bestimmten so die Übertragungsrate. Insgesamt simulierten sie 182 Szenarios. 

Schnell stellte sich heraus, dass die „Fünf-Sekunden-Regel“ ein Märchen ist. Lebensmittel mit feuchter, klebriger Oberfläche wie Wassermelonen oder Butterbrot-Scheiben bildeten Bakterien schon nach kürzester Zeit. Bei trockenen Lebensmitteln war die Kontamination zwar geringer, aber sofort nachweisbar.

Auch die Böden spielten eine entscheidende Rolle: Glatte Flächen wie Edelstahl oder Keramik übertrugen Keime deutlich schneller als gefühlt unhygienische Teppiche. Variationen der Fallhöhe kamen im Experiment nicht vor, hätten aber zu keinem Erkenntnisgewinn geführt, erklären die Wissenschaftler. 

Die Zeit läuft 

Anfang 2014 versuchten Forscher der Aston University’s School of Life and Health Sciences noch, die „Fünf-Sekunden-Regel“ zu verteidigen. Sie arbeiteten mit Escherichia coli und Staphylococcus aureus. Als Lebensmittel kamen Nudeln, trockene Kekse, Toastbrot oder klebrige Süßigkeiten zum Einsatz. Studienleiter Anthony Hilton berichtet zwar, dass die Zeit sehr wohl eine Rolle spiele. Er musste aber einräumen, dass die Beschaffenheit von Lebensmitteln und Böden weitaus wichtiger sei. 

Kontaminiert oder sauber

Bleibt noch ein banaler, aber entscheidender Aspekt: Nicht jede Oberfläche hat die gleiche Kolonisation mit Keimen. In der Nähe öffentlicher, stark frequentierter Toiletten gelangen Erreger über den fäkal-oralen Weg in den Körper. Und über Böden, die mit Gülle in Berührung kamen, werden mitunter resistente Keime aufgenommen. Im eigenen Haushalt ist das Risiko, sich über ein Butterbrot am Boden zu infizieren, deutlich geringer. Bakterien werden vor allem über Straßenschuhe verschleppt. Wohl bekomm's!  


Michael van den Heuvel, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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