Nach der Großhandels-Razzia

Wie kommt es zu einem Kartellverfahren?

Berlin - 21.09.2016, 15:30 Uhr

Das Bundeskartellamt passt auf, dass der Wettbewerb fair bleibt. (Foto: Bundeskartellamt)

Das Bundeskartellamt passt auf, dass der Wettbewerb fair bleibt. (Foto: Bundeskartellamt)


Das Bundeskartellamt hat in der vorigen Woche mit Unterstützung der Polizei mehrere Standorte von Pharmagroßhändlern durchsucht. Es besteht der Verdacht, die Unternehmen könnten wettbewerbsverzerrende Absprachen getroffen haben. Was hat es mit einem solchen Kartellverfahren auf sich?

Die Razzien bei acht Großhändlern in der vergangenen Woche haben für Unruhe in der Branche gesorgt. Gleichwohl: Die betroffenen Unternehmen beteuerten gegenüber DAZ.online, nichts von Absprachen zu wissen. Sie erklärten vielmehr die Bereitschaft, mit dem Bundeskartellamt zu kooperieren.

Doch was genau hat es mit dem Bundeskartellamt auf sich? Und was veranlasst es, Ermittlungen aufzunehmen?

Aufgabe dieser Bundesoberbehörde, die zum Geschäftsbereich des Bundeswirtschaftsministeriums gehört, ist der Schutz des Wettbewerbs in Deutschland. Unter anderem obliegt es ihm, das Kartellverbot durchzusetzen, Fusionskontrollen vorzunehmen und die Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen zu führen. Dabei hat es im Auge zu behalten, ob die Regeln des Wettbewerbs eingehalten werden – oder ob es zu missbräuchlichen Verhaltensweisen kommt.

Auf Hinweise von außen angewiesen

Bei allen Ermittlungen, auch im Kartellverfahren, gilt für die Betroffenen bis zum Abschluss des Verfahrens stets die Unschuldsvermutung. Doch damit das Bundeskartellamt in Aktion tritt, muss es schon einen Verdacht haben, der mehr als vage ist. Denn wie andere Behörden verfügt es nicht über üppige personelle Ressourcen. Zudem ist es oft auf die Hilfe von Dritten angewiesen. Denn geht es um Kartelle und Absprachen, sind die Unternehmen natürlich auf Geheimhaltung bedacht. 

Der Behörde zufolge geht gut die Hälfte seiner Verfahren auf Kronzeugen zurück. Für solche Hinweise von Insidern setzen die  Wettbewerbshüter Anreize: Wer als erstes freiwillig aufdeckt und kooperiert, also als Kronzeuge auftritt, kann im Fall, dass tatsächlich Bußgelder verhängt werden, von diesen gänzlich verschont bleiben. Wer als zweites einen Beitrag zur Aufklärung leistet, bekommt nach der geltenden Bonusregelung immerhin noch einen 50-prozentigen „Rabatt“. Übrigens: Ist ein Kronzeuge im Spiel, ist es Kartellrechtsexperten zufolge durchaus üblich, dass dieser ebenfalls durchsucht wird. 

Doch ein Kronzeuge muss es nicht immer sein. Denkbar ist beispielsweise auch, dass sich Kundenbeschwerden gehäuft haben. Auch die Anmeldung einer Fusion kann das Kartellamt aufmerksam machen. Nicht zuletzt findet sich auf der Webseite des Bundeskartellamts die Möglichkeit, anonym Hinweise zu geben. Möglich ist sicher auch, dass mehrere Verdachtsmomente zusammenkommen.  

Wie die Behörde im vorliegenden Fall zu ihrem Verdacht kam, ist zum jetzigen Zeitpunkt Spekulation. Das Kartellamt bestätigte zwar die Durchsuchungen, will sich allerdings nicht weiter äußern, ehe die Ermittlungen beendet sind. Aus Großhandelskreisen war allerdings zu hören, dass im vorliegenden Fall ein anonymer Hinweis der Auslöser war.

Nun müssen Beweismittel ausgewertet werden

Im Fall der Pharma-Großhändler muss sich nun zeigen, ob das Kartellamt mit seiner Durchsuchung Beweismittel sicherstellen konnte, die den Verdacht auf wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen bestätigen oder entkräften können. Dass sie Schriftstücke mit genauen Absprachen oder Verteilungen vorfinden, ist sehr unwahrscheinlich. Die Unternehmen gehen in der Regel subtiler vor. Gerade eine Branche wie der Pharmagroßhandel, der zuletzt vor rund zehn Jahren einem Kartellverfahren ausgesetzt war, das mit diversen Bußgeldern endete, wird hier vorsichtig sein. Ob die Beamten Hinweise auf eine Absprache finden – oder am Ende lediglich ein Informationsaustausch nachzuweisen ist, der falsch dargestellt wurde – wird sich erst in einiger Zeit herausstellen. Jetzt ist zunächst das Gespür der Ermittler gefragt. Nebenbei bemerkt: Eine „Absprache“, gesetzliche Vorgaben einzuhalten, beispielsweise die arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften, wäre nicht unzulässig.

Klar ist im Moment nur: Sollte die Behörde letztlich zu der Erkenntnis kommen, dass hier der Wettbewerb verzerrt wurde, drohen den Unternehmen empfindliche Geldbußen. Je länger der Zeitraum, über den eine laufende Absprache nachgewiesen werden kann, desto teurer wird es. Die Geldbuße gegen die verantwortlichen Personen kann bis zu einer Million Euro betragen. Die Unternehmen können mit bis zu zehn Prozent ihres Jahresumsatzes belangt werden. Zwar verhängt die Behörde zur Ahndung der Tat und zur Abschreckung empfindliche Geldbußen. Es soll aber auch sichergestellt werden, dass kein Unternehmen durch ein Kartellverfahren in die Insolvenz getrieben wird. 


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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