Plausibilitätsprüfung bei Rezepturen

Arzt-Absprache sticht Patientenwillen

Berlin - 09.09.2016, 14:00 Uhr


Ist die Verordnung über eine herzustellende Salbe plausibel? Gibt es eine Änderung nach Arzt-Rücksprache, entspricht dies auch dem Patientenwillen, entschied das Amtsgericht München. (Foto: Gerhard Seybert  / Fotolia)

Ist die Verordnung über eine herzustellende Salbe plausibel? Gibt es eine Änderung nach Arzt-Rücksprache, entspricht dies auch dem Patientenwillen, entschied das Amtsgericht München. (Foto: Gerhard Seybert  / Fotolia)


Ändert eine Apotheke nach einer Plausibilitätsprüfung und Rücksprache mit dem Arzt die Verordnung über eine Rezeptur, so muss sie dies dem Patienten gegenüber nicht erklären. Nach einem aktuellen Urteil muss der Patient das hergestellte Rezepturarzneimittel auch in der Zusammensetzung annehmen, die nicht mehr der ursprünglichen Verordnung entspricht. 

Bevor eine Apotheke ein verordnetes Rezepturarzneimittel anfertigt, hat sie die Verordnung auf ihre Plausibilität – unter anderem hinsichtlich der Dosierung – zu überprüfen. Diese Prüfung nahm die Mitarbeiterin einer Apotheke ernst. Sie hatte von einer Kundin ein Privatrezept zur Anfertigung einer Salbe mit zehn Prozent Progesteron erhalten. Ihr kamen pharmazeutische Zweifel an der Konzentration. Sie kontaktierte die verordnende Ärztin und vereinbarte mit dieser, die Konzentration auf fünf Prozent abzusenken. Entsprechend wurde  auf der Verordnung vermerkt: „nach ärztl. Rücksprache 5% bereits hochdosiert genug“.

Das Problem: Die Kundin weigerte sich, die Salbe in dieser geänderten Zusammensetzung anzunehmen und rund 85 Euro dafür zu bezahlen. Die Apotheke wollte dies nicht auf sich sitzen lassen und zog auch für diese vergleichsweise geringe Summe gegen die Kundin vor Gericht. Nun bekam sie vor dem Amtsgericht München Recht zugesprochen.

Wie muss die hergestellte Salbe beschaffen sein?

Dem Urteil ging eine ausgiebige Zeugenbefragung voraus: Sowohl die Apothekenmitarbeiterin als auch die verordnende Ärztin wurden über die genauen Umstände befragt. Am Ende kam der Richter nach der mündlichen Verhandlung Ende August zu dem Ergebnis: Es handelt sich um einen Vertrag über die Lieferung herzustellender beweglicher Sachen, auf die die Vorschriften des Kaufrechts anzuwenden sind.

Der Vertragsschluss war zwischen den beiden Seiten nicht streitig. Die Frage war nur, welche Beschaffenheit die Salbe danach haben musste – und ob sie möglicherweise „mangelhaft“ im Sinne der kaufrechtlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs war. Denn dann hätte die Kundin ein Rücktrittsrecht und müsste nicht zahlen.

Der Arztwille zählt

Aber das Gericht stellt in seinem Urteil fest: Mit der Erteilung des Rezepturauftrags werde vereinbart, dass das Arzneimittel so hergestellt wird, wie es der Arzt verordnet. Werde die ursprünglich vom Arzt ausgegebene Verschreibung nachträglich auf dessen eindeutig bekundeten Willen hin abgeändert – etwa weil sie einen erkennbaren Irrtum enthält oder sich aus pharmazeutischer Sicht sonstige Bedenken im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 4 ApBetrO ergeben haben, die einer Herstellung entgegenstehen – so bilde die solchermaßen abgeänderte Rezeptur den Inhalt der Beschaffenheitsvereinbarung, heißt es im Urteil.

Dies sei im vorliegenden Fall geschehen. Die Ärztin hatte sich mit der Herabsetzung der Konzentration auf fünf Prozent einverstanden erklärt. Dass sie als Zeugin erklärte, auch eine zehnprozentige Konzentration sei medizinisch vertretbar, war nach der Wertung des Gerichts letztlich nicht erheblich. Denn die Ärztin hatte ausdrücklich nicht auf diese höhere Konzentration bestanden.

Die Medizinerin äußerte gegenüber der Apotheke auch nicht den Vorbehalt, sie müsse sich zunächst mit der Patientin über die Änderung besprechen. Sie ging vielmehr davon aus, die Apotheke fertige die Salbe nun in der geringeren Konzentration an. Die Apothekenmitarbeiterin konnte vor Gericht glaubhaft vermitteln, dass ihr ein solcher Vorbehalt nicht entgegengebracht wurde.

Ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung ist nicht möglich.

Urteil des Amtsgerichts München vom 5. September 2016, Az.: 158 C 8825/16


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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