Großbritannien

Boots-Angestellte wegen fahrlässiger Tötung verurteilt

Berlin - 28.07.2016, 12:10 Uhr

Fahrlässige Tötung: Ein Gericht im südenglischen Ipswich hat eine bei der Optiker-Kette Boots Opticians angestellte Optikerin wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. (Foto: dpa)

Fahrlässige Tötung: Ein Gericht im südenglischen Ipswich hat eine bei der Optiker-Kette Boots Opticians angestellte Optikerin wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. (Foto: dpa)


Ein spektakuläres Gerichtsverfahren bewegte in den vergangenen Tagen und Wochen das britische Gesundheitswesen: Erstmals musste sich eine Angestellte einer Apothekenkette wegen fahrlässiger Tötung verantworten. Die Optikerin soll eine gravierende Krankheit bei einem achtjährigen Jungen übersehen haben.

Der Vorfall hat sich im Jahr 2012 in einer Filiale der Optiker-Kette „Boots Opticians“ in Ipswich zugetragen: Boots Opticians ist eine Tochter des Apotheken-Weltkonzerns Walgreens Alliance Boots. Die rund 600 Shops im Vereinigten Königreich sind oftmals in Boots-Apotheken integriert, teilweise gibt es die Optician-Shops aber auch alleinstehend.

In den Optiker-Läden arbeiten viele sogenannte „Optometrists“. Solche Optiker haben einen akademischen Hintergrund und verfügen teilweise über augenärztliche Kompetenzen. Sie dürfen beispielsweise einige Medikamente verordnen, etwa Schmerzmittel für Augen.

Britischen Medienberichten zufolge soll ein Achtjähriger am 15. Februar 2012 den Optiker-Laden mit seinen Eltern betreten haben. Die Eltern baten um eine Untersuchung am Auge des Jungen. Was während dieser Untersuchung passierte, war Teil der Gerichtsverhandlungen. Fünf Monate später, also im Juli 2012, verschlechterte sich der Zustand des Jungens, schließlich verstarb er.

Optikerin soll gestiegenen Gehirndruck übersehen haben

Die Polizei der Region Suffolk teilte mit, dass eine bei Boots angestellte Optikerin (Optometrist) wegen fahrlässiger Tötung verurteilt worden sei, weil sie die Schuld an dem Tot des Jungen trage. Untersuchungen hatten ergeben, dass der Junge an einem sogenannten „Wasserkopf“ gestorben sei. Bei dieser Krankheit füllen sich die Hirnventrikel pathologisch mit Liquor auf, sodass der Druck auf das Gehirn zunehmend anwächst.

Der Staatsanwalt beschuldigte die Boots-Optikerin während der Gerichtsverhandlung, ihren Job so schlecht ausgeführt zu haben, dass man einen „kriminellen“ Tathintergrund erkennen konnte. Die Optikerin hätte bei der Untersuchung eine krankhafte Erweiterung im hinten Augenbereich erkennen müssen, lautete der Vorwurf. Jeder kompetente Optiker hätte eine solche Anschwellung erkennen müssen, erklärte der Staatsanwalt.

Wie ist die Untersuchung abgelaufen?

Den Berichten zufolge soll sich die Optikerin während des Verfahrens heftig gegen die Vorwürfe gewehrt haben. Ihre Anwälte hätten darauf hingewiesen, dass der Junge die Untersuchung verweigert habe, weil er kein Licht im Auge vertragen hätte. Deswegen hätte sie die Erkrankung nicht erkennen können. In ihrer Mitteilung bewertete die Polizei den Ausgang des Gerichtsverfahrens positiv: „Wenn dieser Fall die Optiker dazu bringt, über ihre Berufsausübung und ihr Fehlermanagement zu reflektieren […], war es die Mühe wert.“

Der Strafgerichtshof Ipswich hat die Optikerin zunächst nur für schuldig befunden. Im August muss das Gericht über das Strafmaß entscheiden. Für den Fall gab es in Großbritannien keinen Präzedenzfall – erstmals war eine Optikerin wegen fahrlässiger Tötung angeklagt worden. Gegen einen Apotheker wurde bislang erst einmal wegen Totschlags ermittelt. In den meisten solcher Gerichtsverfahren müssen sich Ärzte verantworten.


Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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