Gesundheitsministerin a.D.

Was wurde eigentlich aus… Ulla Schmidt

Berlin - 04.07.2016, 07:00 Uhr


Sie war die am längsten amtierende Gesundheitsministerin – Apotheker hatten mit ihren Entscheidungen zu kämpfen. Als Bundestags-Vizepräsidentin engagiert sich Ulla Schmidt jetzt für geistig behinderte Menschen. DAZ.online hat nachgefragt, was die SPD-Politikerin bewegt und wie sie auf die Zusammenarbeit mit Apothekern und Pharmaindustrie zurückblickt.

Während die Bundesgesundheitsminister in der Nachkriegszeit durchschnittlich nur rund 3,5 Jahre im Amt blieben, entschied Ulla Schmidt über fast neun Jahre über das Wohl und Wehe der deutschen Gesundheitspolitik. Anders als viele ihrer Vorgänger und Nachfolger blieb sie nach dem Regierungswechsel 2009 aktiv in der Politik und überstand auch einen medialen Aufschrei der Empörung über den nur vermeintlich ordnungswidrigen Einsatz ihres Dienstwagens. DAZ.online hat bei Ulla Schmidt nachgefragt: Was bewegt die SPD-Politikerin nun in ihrer Tätigkeit als Bundestags-Vizepräsidentin und Vorsitzende der Lebenshilfe Bundesvereinigung – und was hält sie für ihren größten Erfolg in Bezug auf Apotheken.

Den Finger in die Wunde legen

„Ich habe mich schon immer für die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen engagiert“, erklärt Schmidt ihre Entscheidung von 2012, sich als Bundesvorsitzende der Bundesvereinigung Lebenshilfe wählen zu lassen. Die 1949 in Aachen geborene Politikerin studierte Psychologie und Lehramt. Da sie als Mitglied einer kommunistischen Studentenorganisation zunächst eine Verpflichtungserklärung auf das Grundgesetz verweigerte, konnte sie erst ab 1975 als Lehrerin für Sonderpädagogik arbeiten. Seit 1990 ist Schmidt Abgebordnete im deutschen Bundestag und will dort „immer wieder den Finger in die Wunde legen“, um die Belange geistig behinderten Menschen weiterhin mehr in den Mittelpunkt zu rücken. 

(Foto: Laurence Chaperon Photographie)
Ulla Schmidt

„Das Recht auf Teilhabe gilt für alle Menschen, auch für die mit höchstem Hilfebedarf“, sagt die Politikerin gegenüber DAZ.online. „Die Menschen können sich einbringen und ihre Wünsche äußern“, sagt Schmidt. „Sie wissen, wer Angela Merkel ist oder der Bundespräsident – oder sie fragen, wann bekommen wir endlich mehr Geld.“ Daher will sie ihre Rechte und Möglichkeiten im politischen Prozess stärken.

Großes gesellschaftliches Vorhaben

Schmidt freut sich, dass Barrierefreiheit inzwischen nicht nur mit Rollstuhlrampen in Verbindung gebracht wird – sondern auch mit leicht verständlichen Texten oder Gebärdensprachen-Dolmetschern. Doch arbeite sie daran, dass alle Menschen weiter aufeinander zugehen. „Ich wünsche mir, dass viel mehr Menschen, die nicht gehörlos sind, Gebärdensprache lernen“, sagt Schmidt. Dabei ist sie zuversichtlich, dass sie dem Lebenshilfe-Bundesverband mehr Gehör verschaffen konnte. „Die Lebenshilfe ist heute ein sehr gefragter Gesprächspartner, auch als Sachverständiger bei der Beratung von Gesetzen“, sagt Schmidt.

Ein Schwerpunkt für ihre Arbeit bei dem Dachverband ist die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen, die zur einer gleichberechtigen Teilhabe aller Menschen führen soll. „Wir könnten viel weiter sein, das würde ich mir wünschen“, sagt die Politikerin – aber es sei ein mühsamer Prozess und ein großes gesellschaftliches Vorhaben. „Wir haben viel erreicht, wenn sie denken, dass in der BRD die Schulpflicht für Kinder mit geistiger Behinderung erst 1967 eingeführt wurde – und Kinder mit geistiger Behinderung in der DDR noch bis 1989 als nicht bildungsfähig galten.“

Geschenkt wird nichts

Beim Bundesteilhabegesetz, das Bundessozialministerin Andrea Nahles im April vorlegt hatte und welches gleich stark von vielen Verbänden kritisiert wurde, gibt es laut Schmidt noch viel Reformbedarf, damit es ein großer Fortschritt wird. „Alle sind sehr gefordert, immer wieder offen zu sein für Veränderung und zu sagen: Wir brauchen einen großen Wurf“, sagt die SPD-Politikerin. „Dafür muss man kämpfen, geschenkt wird nichts.“

Kampferfahrung konnte Schmidt im Laufe ihrer Zeit als Ministerin viel sammeln – auch in Bezug auf Apotheken. 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Abzocke Direkt Lebensversicherung

von detlef dammer am 20.02.2017 um 12:06 Uhr

Sie Frau Ulla Schmidt, waren hauptsächlich an der Ungerechtigkeit der Nachzahlungen an den Krankenkassen aus der Direkt Lebensversicherung beteiligt, wenn Sie ein reines Gewissen haben so ändern sie diese Schandtat die Sie verursacht haben und zig Rentner müssen 10 Jahre keine Nachzahlungen leisten. Lesen Sie den Bericht in Bild der Frau Nr.8, da stet deutlich wie Sie die Beitragszahler abzocken. Erst von Vorsorge reden und dann die Rosinen sich aus dem Kuchen der Zahler heraus picken. Es bewahrheitet sich immer in unseren Politikern steckt ein Münchhausen.

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Ulla Schmidt

von Harald Schweim am 06.07.2016 um 9:27 Uhr

Erinnerung verklärt und das Alter kann zusätzlich dazu beitragen. Aber wenn Frau Schmidt behauptet, am Erhalt der Präsenz-Apotheke Verdienste erworben zu haben, ist das Geschichtsklitterung. Unter ihrer Regentschaft ist der Unfug der Versandapotheken erfunden und eingeführt worden! Einsparungen für die Kassen wollte sie erzielen, die nie erreicht worden sind. Gebracht hat uns das Ganze den illegalen Versandhandel und die Arzneimittelfälschung, die im "Schmidt'schen Fahrwasser" nachfolgten.

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Rettung der Pharmaindustrie

von Jochen Ebel am 05.07.2016 um 7:26 Uhr

Das ist der beste Witz am Morgen. Ulla Schmidt rettet die Pharmaindustrie. Anfang der 80iger war Deutschland weltweit einer der wichtigste Pharmastandorte. Dank Ulla Schmidt und ihrer Nachfolger hat sich das geändert.

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