Kossendeys Gegengewicht

Wann kommt Plan B?

Berlin - 22.06.2016, 17:30 Uhr

Nach aktueller Gesetzeslage fallen Dienstleistungen als Rettungsring für Apotheker aus. Ann-Kathrin Kossendey-Koch vermisst den Plan B der ABDA. (Foto: BillionPhotos.com / Fotolia)

Nach aktueller Gesetzeslage fallen Dienstleistungen als Rettungsring für Apotheker aus. Ann-Kathrin Kossendey-Koch vermisst den Plan B der ABDA. (Foto: BillionPhotos.com / Fotolia)


Trotz schönstem Sommerwetters kommt Ann-Kathrin Kossendey-Koch an diesem Mittwoch aus dem Grübeln nicht heraus: Die Honorierung der Beratungsleistung wirft viele Fragen auf. Und: Was passiert, wenn der europäische Gerichtshof im Herbst nicht im Sinne der Apotheker vor Ort entscheidet? 

Ein guter Coach hat Stundensätze von 150 bis 200 Euro. Anwälte fangen nicht unter 250 Euro ein Gespräch an. Aber bei uns Apothekern ist mit 8,35 Euro pro Arzneimittel-Packung alles bezahlt. Zu allererst bedienen sich die Krankenkassen selbst mit 1,77 Euro Rabatt - wofür war der nochmal genau? Dafür, dass wir die Rabattverträge umsetzen und den Kassen Millionen einbringen? Oder dafür, dass wir wochenlang auf unser Geld warten dürfen und monatelang rückwirkend retaxiert werden? 

Von den restlichen 6,58 Euro müssen wir alle unsere Kosten bezahlen - Personal, Strom, Gas, Miete, Zinsen, Steuern und vieles mehr. Da bleibt uns Akademikern für die geleistete Beratung kaum etwas über. Wir sollten einfach mal die Art der Beratung, für die wir bezahlt werden, auch anbieten - das würde nicht wirklich über „Tüte, Umschau, raus“ hinausgehen. Qualität kostet, wird aber von uns in der Apotheke jeden Tag kostenlos erbracht. 

Keiner gibt gerne freiwillig etwas aus seinem Topf ab, da erscheint es fast schon logisch, dass das Bundesversicherungsamt als Aufsichtsbehörde interveniert, wenn die Apotheker mit neuen Honorar-Ideen um die Ecke kommen. Jahrelang wurde von unserer Standesvertretung das Thema „Honorarerhöhung“ fast schon stiefmütterlich behandelt, hatte sich doch unser Präsident Friedemann Schmidt auf die Fahne geschrieben, uns über pharmazeutische Dienstleistungen unabhängig von der Packungsanzahl zu machen.Wie kann man die Zukunft eines Berufsstandes auf so unsichere Beine stellen? Das ist ja schon fahrlässig.  

Ann-Katrin Kossendey-Koch

Quailifizierte Beratung zum Tiefpreis

Für Beratungs- und Dienstleistungen und die dafür dringend nötige Honorierung gibt es laut Bundesversicherungsamt keine gesetzliche Grundlage - ein absolutes Totschlagargument! Es wäre wohl sinnvoll gewesen, die Leistungen für unser Packungshonorar genau zu definieren, bevor man Luftschlösser wie Medikationsmanagement und Arzneimitteltherapiesicherheit implementiert. Was heißt Information und Beratung? Zu welchem Umfang sind wir gesetzlich verpflichtet? Was kann von unserer Seite für so einen Hungerlohn definitiv nicht erbracht werden? Ab welcher Höhe ist das Packungshonorar kostendeckend und ab wann erwirtschaften wir einen Gewinn? 

Beratungsleistungen sind eine reine Interpretationssache - wer entscheidet über Dauer und Tiefe der Beratung? Natürlich wird keiner der Verantwortlichen freiwillig an dem jetzigen Zustand etwas ändern - eine qualifizierte Beratung eines Akademikers oder einer Fachkraft zum Discount-Preis, besser geht es doch nicht für die Krankenkassen und die Politik. 

Anstatt konsequent die Honorarforderungen in den Vordergrund zu stellen, um unsere finanzielle Basis zu sichern, unterstützt unsere Standesvertretung mit der neuen Apothekenbetriebsordnung auch noch die Sortimentsbeschränkung in Apotheken. Die Drogerie- und Badeschlappen-Apotheken sind doch nur der hilflose Versuch einer Mischkalkulation.

Warum kämpfen denn die Online-Apotheken um ihre Rx-Boni? Sie wollen ihre Frequenz erhöhen, um über die Masse die Zahlen stimmig zu machen. In jedem Wirtschaftsseminar für Apotheker geht es genau um die Themen „Sinkende Packungszahlen auffangen“ und „Kundenzahlen steigern“. Kein Wunder also, dass viele Kollegen kreativ werden, um mit ihrer täglichen Arbeit Gewinn zu erwirtschaften.

Plan B? Gegenangriff?  

Uns Apothekern geht es aber nicht nur um den blanken Rubel, sondern es ist auch die fehlende Wertschätzung, die uns unsere Arbeit verleidet. Das strikte Weigern von den Krankenkassen, uns gerecht zu bezahlen und die ambitionierten Versuche, uns für unsere geleistete Arbeit aufgrund von Formfehlern nicht zu entlohnen, führt auf Apotheker Seite zu Frustration. Auch die Politik nimmt uns nicht als kompetente Partner im Gesundheitswesen wahr, unsere Lobbyarbeit ist einfach nicht nachhaltig genug dafür. Und als Politiker klingen Worte wie „Liberalisierung“ und „Einsparung“ gerade vor Wahlen einfach zu verlockend - über die Konsequenzen denkt da so mancher gar nicht nach.

Was ist der Plan B, wenn der europäische Gerichtshof im Herbst nicht in unserem Sinne entscheidet? Pharmazeutische Dienstleistungen wie das Medikationsmanagement scheiden als Rettungsring ja schon mal aus. Natürlich kann man die Kapelle auf der sinkenden Titanic unbeirrt weiter spielen lassen, um den Passagieren zu suggerieren, dass alles in bester Ordnung sei. Ob das allerdings eines guten Kapitäns würdig ist, bleibt dahin gestellt. 

Wo bleibt der Gegenangriff? Warum fragt denn keiner unserer Standesvertreter das Bundesversicherungsamt, welche gesetzliche Grundlage das massive Schalten von Werbung der Krankenkassen rechtfertigt? Wenn laut Perspektivpapier 2030 unsere Zukunft in pharmazeutischen Dienstleistungen liegt, dann darf man wohl eine engagierte Antwort unserer Standesvertreter auf das Säbelrasseln der Krankenkassen erwarten. Man kann aber auch realistisch sein und sich einen eigenen Plan B stricken.


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7 Kommentare

Plan B ?

von Heiko Barz am 23.06.2016 um 18:17 Uhr

Einen Plan B brauchen wir gar nicht.
Im Frühherbst, wenn der so medienwirksame Apothekertag wieder ansteht, wird Fürst Friedemann der 1. eine weitere flammende Grundsatzrede zur Lage geben und uns mit wirkungsvollen Vorschlägen bombardieren, die nur einen Schluß zulassen, wir sind die Größten, uns kann keiner.......
Danach erschallen, wie im letzten Jahr, die Hochrufe der stehend beifallklatschenden Delegierten, die sich dann mit erregter Freuden in die Region verabschieden.
Tage später kommt dann der Genickschuß vom "Polen".
Ob dann Friedemann und Co um 5 Uhr 45 zurückparlamentieren? Ich wage das zu bezweifeln!

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tja, der Plan B ...

von Alfons Neumann am 22.06.2016 um 22:10 Uhr

Wenn der EuGH uns tatsächlich abserviert, wird auf die Frage "Plan A ist für´n Popo - gibt´s auch ´nen Plan B ?" von unserer ABDA wohl derzeit als Antwort kommen "ja klar - der gleiche wie Plan A !"

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Max Müller

von Christiane Patzelt am 22.06.2016 um 21:46 Uhr

Und wenn die Kette in D kommt, stehen die Herren Schmidt und Schmitz ganz schnell ohne Hose da....
ich könnte es mir fast wünschen...

Ich will mich ja gar nicht darauf verlassen, dass meine "Standesvertretung" was macht, wenn der EuGh gegen uns entscheidet -- die Frage ist, was machen wir InhaberInnen??
Haben wir einen Plan für den Tag danach? Oder lassen wir uns alles gefallen, fressen wir alles, was uns zum Verdauen geboten wird?
Manchmal habe ich das Gefühl, wir halten immer noch die andere Wange hin...wie blöde sind wir eigentlich?

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AW: Christliche und andere Werte

von Dr. Christoph Klotz am 23.06.2016 um 10:49 Uhr

"Die andere Wange hinhalten" gehört ja, wie wir gelernt haben, zu unserer Europäischen Wertegemeinschaft, christlich abendländisch geprägt. Die Psychologen sprechen von Masochisten, die Christen von Märtyrern.
Es wird sich nichts ändern, solange hausgemachte Ursachen die Quelle der berufspolitischen Schwäche sind.

Was macht ein Baum, wenn ein Ast nichts mehr taugt? Er treibt einen neuen aus. Das müssen wir ebenfalls tun.
Die Briten haben ihren Brexit, wir brauchen unseren ABDA-Exit.
Kollege Stefan Göbel (Brücken Apotheke im hessischen Heringen) macht es vor, wie man neue pharmazeutische Dienstleistung als win-win-Situation für alle Beteiligten erfolgreich vermarktet.
Die "Teilen-Generation" im Berufsstand sollte Kolleginnen und Kollegen wie ihn austauschen gegen die faulen und unkreativen Köpfe in der Berufsvertretung.

Brexit,dann Exit?

von Ulrich Ströh am 22.06.2016 um 21:13 Uhr

Rettungsringe für die Präsenz -Vorortapotheke wird es bei einem für uns fatalen Prozessausgang seitens der ABDA nicht geben.
Das 17 plus 17 System verspricht dann auch keine Krisenlösung.

ABDA,Du gehst in den nächsten 6 Monaten vermutlich einen schweren Gang!

Morgen Brexit,dann ABDA-Exit ?
Manchmal geht es schneller,als man denken kann ....

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Plan B ...

von gabriela aures am 22.06.2016 um 19:12 Uhr

..braucht es nicht !
Wir haben eine Vision, die uns engelsgleich bis ins Jahr 2030 tragen wird:
Unser heiliges PP (Pharmazeutische Pamphlet) !
Die ABDABAKDAV haben sich daran festgebissen wie ein Dobermann in den Arm des Angreifers - und ein Dobermann läßt nicht nach, sei die Situation noch so aussichtslos.
Gut, ich möchte jetzt unsere Standesvertretung nicht mit einem Hund vergleichen, aber dieses Zwangsverhalten hat schon was Animalisches.

Da stören solche Imponderabilien wie EuGH und die Frage, ob MedMan überhaupt bezahlt werden DARF natürlich nur die
sommerliche (oder herbstliche, winterliche, frühlingshafte) Ruhe in der Lindenstraße.
Dazu noch ewig dieses Genöle der Front-Vor-Ort-Apotheker....

Wenn das Urteil denn da ist, haben unsere StandesfürstInnen immer noch alle Zeit (und finanziellen Rücklagen) ihrer eigenen kleinen Welt, in gemächlicher Ruhe mal zu überlegen, ob man vielleicht eine Arbeitsgruppe "Plan B" gründen könnte.
Bis alle 17+17 Meinungen dazu unter einem Hut versammelt ,die entsprechenden Posten verteilt sind usw., gehen nochmal ein paar Tage ins Land.

Aber sicher werden wir zukünftig über den Verlauf der diversen Gedanken- und Menügänge tagesaktuell via "Newsroom" dem nahezu atemlosen Treiben(ABDABAKDAV) fassungslos (bundesweiter Rest der Apothekerschaft nebst Angestellten) folgen können !
Ach wird das schön - endlich "Livestream" aus der
ABDA ( Abwicklungs Behörde Deutsche Apotheken).

Schmidt und Schmitz im "Breaking News"- Format .

Die Umsetzung dieser technischen Revolutionen haben jetzt erstmal Vorrang, der Rest muß halt warten.
Heißt ja schließlich "PP 2030" !


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AW: Nachtrag

von gabriela aures am 22.06.2016 um 19:45 Uhr

Mancher Pharmazierat möchte übrigens jetzt schon alles mit "Medikation" vornedran im QMS festgelegt sehen !
Gibt noch keine bundeseinheitlich richtige FoBi dazu, es gibt keinen Plan ist , es wird nie Geld dafür geben - aber wir sollen nach dem Willen von einigen Oberverwaltungsfanatikern in einem in diesem Aumaß bisher unbekanntem übereiltem Eifer weitere hausgemachte Fleißaufgaben auferlegt bekommen !

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