Mylan

Hohe Preissteigerungen für Arzneien wecken Argwohn

Amsterdam - 17.06.2016, 07:00 Uhr

Nach einer Analyse des US-Finanzunternehmens Wells Fargo soll Mylan die Preise für einige Arzneimittel stark erhöht haben - um 15 bis zu 500 Prozent. (Screenshot: DAZ.online)

Nach einer Analyse des US-Finanzunternehmens Wells Fargo soll Mylan die Preise für einige Arzneimittel stark erhöht haben - um 15 bis zu 500 Prozent. (Screenshot: DAZ.online)


Gerät mit dem niederländisch-britischen Pharmakonzern Mylan ein weiteres Unternehmen wegen starker Preissteigerungen für Arzneimittel in die Kritik? Darauf deutet zumindest ein Analystenreport des US-Finanzhauses Wells Fargo hin. In diesem Jahr soll das Unternehmen die Preise für einige Arzneimittel um teilweise mehr als 400 Prozent erhöht haben.

Seit Monaten tobt insbesondere in den USA ein politischer und öffentlicher Streit um hohe Arzneimittelpreise. Nun könnte der Pharmakonzern Mylan in den Mittelpunkt der Kritik geraten. Nach einer Analyse des US-Finanzunternehmens Wells Fargo hat das Pharmaunternehmen mit Hauptsitz in Amsterdam und operativer Hauptzentrale in Hatfield in Großbritannien die Preise für einige Arzneimittel allein in diesem Jahr stark erhöht.

Die Steigerungen reichen laut Wells Fargo-Analyst David Maris von 15 bis zu 500 Prozent. Im Detail erhöhte Mylan demnach von Januar bis Juni die Preise für sieben Produkte um mehr als 100 Prozent und für mehr als 24 Produkte um rund 20 Prozent und mehr. Den größten Preissprung gab es demnach bei dem Gallensteine-Präparat Ursodiol mit einem Zuwachs von 542 Prozent. Die Reflux-Arznei Metoclopramid und das Reizdarm-Medikament Dicyclomin wurden um 444 Prozent beziehungsweise 400 Prozent teurer.

In einer Mitteilung an seine Kunden schrieb Maris, dass dies in der augenblicklichen Preisdiskussion Anlass für genauere Untersuchungen durch Politik und Behörden geben könnte. Die Aktien von Mylan gerieten nach Veröffentlichung des Wells-Fargo-Reports deutlich unter Druck.

Konzern: Bericht ist mangelhaft

Mylan weist den Bericht allerdings zurück und teilte mit, dass die Analyse „mangelhaft“ und „irreführend“ sei, da sie sich auf einige kleinere Produkte konzentriere, während Mylan weltweit insgesamt mehr als 1400 Arzneimittel vertreibe.

„Mylan ist dafür bekannt, in der Pharmabranche über eines der breitesten und global am meisten diversifizierten Businessmodelle und Portfolios zu verfügen. Dieses Portfolio balancieren wir stets durch eine Reihe von Variablen aus. Das schließt auch Preisreduzierungen ein, die ein normaler Bestandteil der Generikaindustrie sind“, teilte das Unternehmen mit. Im übrigen basiere Mylans Businessmodell nicht auf starken Preiserhöhungen - weder heute noch in der Vergangenheit. 

Ein Report der Susquehanna Financial Group weist darauf hin, dass die Mehrheit der von Wells Fargo genannten Produkte „small sellers“ seien. Allerdings wird darin auch festgestellt, dass andere Pharmahersteller wie Teva, Mallinckrodt und Allergan die Preise für ihre entsprechenden Arzneimittel nicht so stark erhöht hätten wie Mylan. 

US-Senat untersucht Preise

Die neue Aufmerksamkeit dürfte Mylan jedenfalls nicht gefallen. Pharmaunternehmen versuchen derzeit, nicht in den Sog der Wettbewerber Valeant und Turing Pharmaceuticals zu geraten, die wegen ihrer Praktiken insbesondere in den USA seit rund einem Jahr im Zentrum der öffentlichen Diskussion und politischer Untersuchungen stehen. In der Folge ist die gesamte Pharmabranche wegen ihrer Preispolitik in den Blick des US-Senats geraten.

Anfang dieses Monats wurden unter anderem Mylan und Pfizer aufgefordert, den Preisanstieg von Naloxon zu erklären, einem Opioid-Antagonisten. „Wir arbeiten daran, eine komplexe Krise unseres Gesundheitssystems zu lösen. Daher ist es wichtig, dass Naloxon, ein möglicherweise lebensrettendes Mittel, verfügbar ist“, teilte das Untersuchungsgremium des Senats mit.

Novartis in Kolumbien unter Druck   

Kräftigen Druck auf den Preis eines Krebsmittels spürt derzeit auch der Pharmakonzern Novartis in Kolumbien. Nach einem Bericht von Pharmalot, einem Onlinemedium von Boston Globe Media Partners, versucht der kolumbianische Gesundheitsminister Alejandro Gaviria seit Wochen, Novartis dazu zu bringen, den Preis für das Leukämie-Präparat Glivec zu senken. Anfangs habe er damit gedroht, eine sogenannte Zwangslizenz auszustellen, mit der Generikahersteller trotz Patentschutz günstige Glivec-Nachahmerpräparate herstellen dürfen. Zuletzt habe er Anstrengungen unternommen, den Preis, den die Regierung für das Arzneimittel zahlt, einseitig zu senken. Nach dem Bericht argumentiert Novartis damit, dass jede Patentverletzung gegen weltweite Rechte verstoße.

Kürzlich schalteten sich sogar die US-Regierung und der amerikanische Kongress in den Disput ein. Offenbar wollen die USA verhindern, dass der Patentschutz für Medikamente in einem weiteren Entwicklungsland ausgehöhlt werden könnte. So hatte Indien bereits 2012 zum Instrument der Zwangslizenz gegriffen. Das Land erlaubte einem Generikahersteller die Produktion eines patentgeschützten Krebsmedikaments von Bayer. Dadurch konnten indische Patienten das Arzneimittel für einen Bruchteil des ursprünglichen Preises erwerben. 


Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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