PlOS one-Studie

Wann folgten Ärzte der Medikationsanalyse des Apothekers?

Berlin - 14.06.2016, 07:30 Uhr

Ein Fall für den Apotheker: Menschen, viele Arzneimittel einnehmen profitieren besonders von der Betreuung durch die Apotheke. (Foto: chromorange / picture-alliance)

Ein Fall für den Apotheker: Menschen, viele Arzneimittel einnehmen profitieren besonders von der Betreuung durch die Apotheke. (Foto: chromorange / picture-alliance)


Welche Patienten profitieren ganz besonders von Medikationsanalyen und unter welchen Umständen setzen eigentlich Ärzte die Vorschläge von Apothekern am ehesten um? Mit diesen Fragen beschäftigt sich eine aktuelle Untersuchung, die im Fachmagazin PLoS one erschienen ist.

Medikationsanalysen können die Qualität der Arzneimitteltherapie verbessern und das mit einer Behandlung  verbundene Risiko minimieren. Das ist mittlerweile anerkannt. Aber wem nützt eine derartige Maßnahme eigentlich am meisten? Die Auswahl der Patienten basiert bislang eher auf Vermutungen als auf validen Daten. Daher hat sich eine aktuelle Analyse mit der Fragestellung befasst.  

Da eine Medikationsanalyse durch Apotheker aber nur erfolgreich sein kann,  wenn die Ärzte die vorgeschlagenen Interventionen auch  an umsetzen, versuchte man außerdem herauszuarbeiten, wann sie das am ehesten tun. 

Analyse aus WestGem-Daten

Als Grundlage dienten die Daten aus der WestGem-Studie –  eine cluster-randomisierte prospektive kontrollierte Studie, in der die Wirksamkeit einer umfassenden Medikationsanalyse untersucht wurde.

Um quantifizieren zu können, ob ein Patient von einem Medikationsmanagement im Rahmen einer interprofessionellen Betreuung von Apothekern, Ärzten und Pflegedienst profitiert, wurde der sogenannte Medication Appropriateness Index (MAI) herangezogen. Er ist ein Maß für die Qualität und Angemessenheit der Arzneimitteltherapie. Um ihn zu ermitteln,  werden zu jedem eingesetzten  Wirkstoff zehn Fragen, unter anderem zur Indikation der Dosierung oder zu Interaktionen beantwortet.  Aus den Antworten wird ein Mittelwert gebildet.  Als Nutzen  wurde im Rahmen der Studie eine Verbesserung beim MAI-Score um 3,88 oder mehr Punkte definiert. 

Alter und Geschlecht eignen sich nicht zur Patientenselektion

Der Auswertung zufolge scheint die Wahrscheinlichkeit, von Medikationsanalysen zu profitieren, vor allem mit zwei Parametern zu korrelieren: Zum einen mit der Zahl der eingenommenen Arzneimittel, zum anderen mit der Diskrepanz zwischen verordneten und tatsächlich eingenommen Präparaten.

Anhand von beispielsweise Alter, Geschlecht, Zahl der Diagnosen oder die Nierenfunktion hingegen scheint sich nicht vorhersagen zu lassen, ob ein Medikationsmanagement dem Patienten nützt.,

Den Autoren zufolge eignet sich insbesondere die Zahl der eingenommenen Arzneimittel als erster Hinweis. Da sie leicht erfassbar ist. Demnach sind Patienten, die an Herzkreislauf-Erkrankungen leiden und mehr als fünf Arzneimittel einnehmen, geeignete Kandidaten für Medikationsanalysen.

Je länger, desto besser

In der Studie war übrigens der Benefit besonders groß, wenn die Therapie-Qualität zu Studienbeginn sehr niedrig war (MAI ≥ 24) und die Patienten längerfristig mit mehreren Medikationsanalysen  betreut wurden. Der MAI-Score ist aber aufwendig zu bestimmen und kann eher  als Bestandteil des Medikationsmangementes selbst betrachtet werden, schreiben die Autoren. Für eine erste Selektion von Patienten eignet er sich ihrer Ansicht nach nicht.  

Akzeptanz bei den Ärzten wächst mit der Zeit

Nicht nur der positive Effekt für die Patienten wuchs mit der Dauer der Betreuung, sondern auch die Akzeptanz  bei den Ärzten. Die Tatsache, dass über die Hälfte der Vorschläge der Apotheker von den Ärzten angenommen wurden zeigt, dass die  Arbeit der Pharmazeuten bereits jetzt geschätzt wird, heißt es. Durch längerfristige Zusammenarbeit könnten aber das Vertrauen zwischen den beiden Heilberufen und somit auch der Erfolg der Interventionen weiter zunehmen, schreiben die Autoren.

Wurden die Vorschläge des Apothekers nicht umgesetzt, lag das nach Aussage der Ärzte vor allem daran, dass dem Apotheker die Krankengeschichte nicht vollständig bekannt war.

Auf jeden Fall sollten längerfristige Intervention einmaligen oder kurzfristigen vorgezogen  werden, so das Fazit der Autoren. Der Nutzen für die Patienten sei dann größer. Die bereits vorhandene Akzeptanz der pharmazeutischen Intervention durch die Ärzte unterstütze eine weitere Implementierung in das Gesundheitssystem.  


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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1 Kommentar

Erkenntnisse

von Florian Becker am 16.06.2016 um 10:32 Uhr

Wow. Das sind ja wirklich bahnbrechende Erkenntnisse.
Die Nierenwerte und das Alter sind keine nützlichen Kriterien, um Patienten für ein MM auszuwählen.
Die Anzahl der Medikamente macht´s. Und wie viele davon eingenommen werden.
Und Patienten profitieren am Meisten davon, wenn die Ausganslage schlecht ist und sie möglichst lange betreut werden.
Es würde mich mal interessieren, wie lange es gedauert hat, diese doch sehr überraschenden Fakten herauszuarbeiten..

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