Organfabrik

Mensch-Schwein-Chimären sollen Spenderorgane liefern 

Davis / München - 13.06.2016, 07:00 Uhr

Hausschweine: Organlieferanten der Zukunft? (Foto: textograf.de / Fotolia)

Hausschweine: Organlieferanten der Zukunft? (Foto: textograf.de / Fotolia)


Spenderorgane sind rar. Und Vergabeskandale haben mancherorts die Bereitschaft gedämpft, Organe zu spenden. Einige Forscher sehen in tierischen Organfabriken eine mögliche Alternative: Schweine, in denen menschliche Organe heranwachsen. Kritiker warnen vor Risko. 

Schweine als lebende Organbank für Menschen? Noch ist das Zukunftsmusik, aber Forscher arbeiten daran. Ein Forscherteam der University of California in Davis pflanzte einer Sau kürzlich Embryonen ein, die neben tierischem auch menschliches Erbgut enthielten. Das Ziel: In den ungeborenen Ferkeln sollten menschliche Bauchspeicheldrüsen heranwachsen. Mit dem Ansatz könnten irgendwann passgenaue Spenderorgane gezüchtet werden, hoffen Prof. Pablo Ross und seine Kollegen. Allerdings gibt es noch viele Fragezeichen – und große ethische Bedenken.

Ein Problem ist: Die menschlichen Erbgut-Bestandteile könnten auch in andere Körperteile des Tieres vordringen, etwa in das Gehirn. Im Extremfall könnten Schweine mit vermenschlichtem Hirn entstehen. Dieses Risiko sei gering, sagt Ross. Aber auszuschließen sei es nicht. In vorangegangenen Versuchen hatten sich die verwendeten menschlichen Stammzellen tatsächlich in verschiedenen Körperregionen heranwachsender Schweineföten angesiedelt.

Die US-Forschungsbehörde NIH legte die Bezuschussung derartiger Chimären-Versuche deshalb wegen ethischer Bedenken im vergangenen Herbst zunächst auf Eis. Bei den jüngsten Versuchen wählten die Forscher einen veränderten, zielgenaueren Ansatz und beendeten die Trächtigkeit nach 28 Tagen. Das bis dahin in den Ferkelembryonen entstandene Gewebe wurde untersucht. Tatsächlich habe sich eine Art Bauchspeicheldrüsengewebe entwickelt, berichteten die Forscher nun. Auch andere US-Teams erzeugten bereits Schweine-Mensch-Chimären, die vor der Geburt getötet wurden.

Auch in Deutschland wird mit ipS-Zellen gearbeitet

In der griechischen Mythologie ist die Chimäre ein feuerspeiendes Mischwesen, in der Biologie werden Organismen mit Erbgut-Bausteinen verschiedener Lebewesen so genannt. Für die Schweine mit winzigen Anteilen menschlicher DNA schnitt das Team um Ross aus dem Erbgut im Labor gezeugter Embryonen zunächst diejenigen Stücke heraus, die für die Bildung der Bauchspeicheldrüse verantwortlich sind. Dann wurden menschliche Stammzellen injiziert, um die entstandene Lücke zu füllen.

Verwendet wurden sogenannte ipS-Zellen. Das sind ausgereifte Körperzellen, die über spezielle Verfahren in einen frühen Zustand rückprogrammiert wurden. In der Folge können aus ihnen verschiedene Zelltypen entstehen. Solche Stammzellen werden pluripotent genannt. Auch in Deutschland wird an mehreren Standorten mit ipS-Zellen gearbeitet. Vergleichbare Chimären-Vorhaben sind allerdings verboten.

Prof. Eckhard Wolf vom Genzentrum der Ludwig-Maximilians-Universität München betont, dass bei solchen Versuchen eine eventuelle Beteiligung der pluripotenten Zellen an anderen als den erwünschten Geweben verhindert werden müsse. „Denn dies wäre in der Konstellation Mensch-Schwein natürlich ein ethisches Problem.“ Eine japanische Studie habe 2015 erste Erfolge dabei gezeigt, das Entwicklungspotenzial solcher Zellen einzuschränken.

Unklar sei, ob die unterschiedliche Embryonalentwicklung von Schwein und Mensch das Heranwachsen kompletter humaner Gewebe oder Organe überhaupt zulasse, erklärt Wolf. „Eine weitere offene Frage ist, ob potenziell verbleibende Reste von Schweinegewebe im humanen Organ nach einer Transplantation eine Abstoßungsreaktion auslösen würden.“

Bedenken haben auch Tierschützer. „Ich mache mir Sorgen, dass wir damit eine neue Quelle für Tierleiden schaffen“, erklärte Peter Stevenson von der Organisation Compassion in World Farming dem britischen Sender BBC. „Lasst uns doch zunächst hingehen und mehr Menschen als Organspender gewinnen.“


Andrea Barthélémy, dpa
redaktion@daz.online


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