EU-Ombudsman im Humira-Streit

EMA muss für mehr Daten-Transparenz sorgen

Stuttgart - 10.06.2016, 16:30 Uhr

Unabhängige Forscher und Patienten sollen laut dem EU-Ombudsgremium Zugang zu praktisch allen Ergebnissen bekommen. (Foto: PhotoSG / Fotolia)

Unabhängige Forscher und Patienten sollen laut dem EU-Ombudsgremium Zugang zu praktisch allen Ergebnissen bekommen. (Foto: PhotoSG / Fotolia)


Welche Studienergebnisse müssen von Pharmafirmen veröffentlicht werden? Nach langen Streitigkeiten gab die Arzneimittelbehörde EMA Teile der Studienberichte zum Blockbuster Humira von AbbVie frei. Doch dies reicht nicht aus, erklärt das Ombudsgremium der EU nun. Die öffentliche Gesundheit solle immer Geschäftsgeheimnisse übertrumpfen.

Im Streit um die Transparenz bei klinischen Studien hat der EU-Ombudsman am heutigen Freitag von der EMA gefordert, zukünftig noch weiter zu gehen: Der Humira-Hersteller AbbVie war gerichtlich gegen eine Entscheidung der EMA vorgegangen, Studienberichte zukünftig zu veröffentlichen – am Ende gab es eine außergerichtliche Einigung, dass einige Teile der Berichte geschwärzt werden sollen. Nach einer Prüfung der Schwärzungen sowie der Begründungen der EMA hierfür entschied nun die Ombudsstelle der EU, dass den Transparenzpflichten noch nicht ausreichend Genüge getan sei. „Alle klinischen Informationen, die für Ärzte, Patienten und Forscher von Wert sind, müssen im öffentlichen Interesse veröffentlicht werden“, erklärte die europäische Ombudsfrau Emily O'Reilly in einer Stellungnahme.

Sie akzeptierte einige Schwärzungen, die nötig waren, um persönliche Daten der Patienten zu schützen – kommerzielle Interessen und Betriebsgeheimnisse der Hersteller seien jedoch generell kein ausreichender Grund. Deshalb ruft das Ombudesgremium die EMA auf, die Schwärzungen zu überdenken. Das Prinzip müsse aufrechterhalten werden, dass die öffentliche Gesundheit wichtiger ist als unternehmerische Interessen.

Geschäftsgeheimnisse schlagen Transparenzpflichten nicht

Betriebsgeheimnisse könnten höchstens geltend gemacht werden, um manche Informationen vorübergehend zurückzuhalten. Doch letztendlich müssten alle Informationen öffentlich gemacht werden – mit der Ausnahme von personenbezogenen Daten der Probanden, forderte die Ombudsfrau. Daher rief sie die EMA dazu auf, von den Firmen einen Zeitplan zu verlangen, wann die zurückgehaltenen Informationen jeweils veröffentlicht werden.

„Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA hat bereits signifikante Schritte unternommen, um ihre Arbeit transparenter zu machen“, sagte O'Reilly. Dies beträfe insbesondere die proaktive Veröffentlichung von Studienberichten. „Mein Aufruf für weitere Transparenz soll im Zusammenhang mit den neuen Verantwortlichkeiten der EMA gesehen werden“, erklärte die Ombudsfrau. „Sobald die EU-Verordnung für klinische Studien volle Anwendung findet, wird die EMA eine noch stärkere Rolle haben, die Transparenz von in der EU durchgeführten Studien sicherzustellen.“

AbbVie gegen EMA

Um die Berichte zu vier Studien über den monoklonalen Antikörper Humira® (Adalimumab), dem umsatzstärksten Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung, gibt es seit einigen Jahren weitreichende Auseinandersetzungen. Im Jahr 2012 hatte die EMA neue Empfehlungen für Transparenzpflichten veröffentlicht. Im Januar 2013 entschied die Behörde, Zugang zu den Studienberichten zu gewähren – doch AbbVie kam ihr zuvor und beantragte beim Gericht der Europäischen Union eine einstweilige Verfügung. Auch der EU-Ombudsman schaltete sich in das Verfahren ein.

Doch EMA und AbbVie einigten sich außergerichtlich, so dass der Fall nicht zu einem Urteil führte. Als Aufsichtsgremium verlangte der Ombudsman der EU Einsicht in die Unterlagen – und forderte Begründungen für die erfolgten Schwärzungen in den Berichten an, was zu der aktuellen Entscheidung führte


Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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