Empagliflozin

Experten entsetzt über IQWiG-Bewertung

Stuttgart - 08.06.2016, 17:40 Uhr

Die DDG hält die Behandlungsqualität der Menschen mit Diabetes in Deutschland für gefährdet. (Foto: Boehringer /DAZ.online)

Die DDG hält die Behandlungsqualität der Menschen mit Diabetes in Deutschland für gefährdet. (Foto: Boehringer /DAZ.online)


Kein Zusatznutzen für Empagliflozin (Jardiance) – zu diesem Schluss kam das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen bei seiner Nutzenbewertung.  Der Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft ist entsetzt über diese Einschätzung. 

Bislang war unter den Antidiabetika eine positive Wirkung auf das kardiovaskuläre System nur für Metformin belegt. Die EMPA-REG-OUTCOME-Studie konnte genau diese aber auch für Empagliflozin (Jardiance®) nachweisen. Fachgesellschaften gingen davon aus, dass die aktuellen Erkenntnisse über Empagliflozin zu einer Anpassung der Leitlinien führen werden.

Allerdings war das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) anderer Ansicht. Ebenso wie bei der ersten Nutzenbewertung 2014 ist das IQWiG der Aufassung, dass die eingereichten Unterlagen keine Daten und Auswertungen enthalten, die für die Fragestellung relevant oder geeignet sind. Daher sieht es weder für das Monopräparat noch für die Fixkombination von Empagliflozin mit Metformin (Synjardy®) Anhaltspunkte für einen Zusatznutzen.

Meinung des IQWiG war vorgefertigt

Der Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), Prof. Dr. med. Baptist Gallwitz, hat kein Verständnis für die Einschätzung des IQWiG. Gegenüber DAZ. online sagte er, dies sei die übliche Art des IQWiG, mit Daten umzugehen und mit einer vorgefertigten Meinung zu einer negativen Nutzenbewertung zu kommen. Besonders entsetzt habe ihn die Pressemeldung, die das IQWiG vergangene Woche herausgegeben hatte. Die Aussage, der Hersteller habe mit der Studie EMPA-REG-OUTCOME-Studie eine selbstgestellte Frage beantworten wollen, sei schlichtweg falsch, so Gallwitz. Seit 2008 fordere die FDA für alle Antidiabetika Daten zu kardiovaskulären Sicherheit. Die Studie sei in enger Absprache mit der FDA designt worden.

Das IQWiG, das die Studie als vertane Chance bezeichnete, stelle sich aber auf den Standpunkt, dass man, wenn man denn gefragt worden wäre, die Studie und die Vergleichstherapie ganz anders gewählt hätte. 

Über Kostenbegrenzung muss offen gesprochen werden

Er habe natürlich Verständnis dafür, dass die Kostenträger versuchen, die Kosten in Grenzen zu halten, sagt Gallwitz. Aber dann solle darüber offen gesprochen werden und nicht über Bande mit anderen, vorgeschobenen Argumenten.

Gallwitz hält es ohnehin für bemerkenswert, dass aus der gesamten Gruppe der SGLT2-Inhbitoren keine einziges Präparat eine positive Nutzenbewertung erhalten hat. Hier müsse ein offeneres und faires Spiel gespielt werden. So wäre es beispielsweise begrüßenswert, wenn bei der Festlegung der zweckmäßigen Vergleichstherapie die Fachgesellschaften einbezogen würden. Man führe diesbezüglich seit langem Gespräche mit dem G-BA – nicht nur seitens der DDG und anderer Fachgesellschaften, sondern auch seitens der Dachorganisation der AMWF – bislang aber ohne Erfolg.

IQWiG stellt falsche Fragen

In einer Pressemitteilung der DDG heißt es, das IQWiG habe eine große wichtige Studie nicht berücksichtigt, da sie nicht in das vorgegebene enge Schema des Prüfauftrages passte. Leider sei es auch nicht der Frage nachgegangen, ob weniger Patienten mit Diabetes versterben, wenn sie Empagliflozin verordnet bekommen. „In diesem Fall hätte das IQWiG zu einer anderen Bewertung kommen müssen“, meint Professor Dr. med. Monika Kellerer, Leitlinienbeauftragte der DDG. „Wer falsche Fragen stellt, bekommt falsche Antworten“, so Professor Dr. med. Dirk Müller-Wieland, Mediensprecher der DDG. Angesichts der Einschätzung des IQWiG hält die DDG die Behandlungsqualität der Menschen mit Diabetes in Deutschland für gefährdet.

Auch Boehringer Ingelheim und Lilly, die Empgaliflozin gemeinsam entwickelt haben, teilen die Einschätzung des IQWiG nicht und sehen für Jardiance® und Synjardy®  in der Versorgung von Patienten mit Typ-2-Diabetes einen klaren Zusatznutzen. Dabei beziehen sich die Hersteller ebenfalls auf die Daten aus der EMPA-REG-OUTCOME-Studie. Man werde dem G-BA, der abschließend über den Zusatznutzen entscheidet, im Rahmen des jetzt folgenden Stellungnahme- und Anhörungsprozesses die eigenen Argumente auf Basis dieser validen und patientenrelevanten Daten darlegen, so ein Sprecher von Boehringer gegenüber DAZ.online.  

Die EMPA-REG-OUTCOME-Studie

In die Studie waren über 7000 Teilnehmer mit Typ-2-Diabetes weltweit eingeschlossen. Alle Probanden hatten eine kardiovaskuläre Vorerkrankung, zudem waren ihre Blutzuckerwerte nur unzureichend eingestellt. Die Patienten wurden im Mittel 3,1 Jahre beobachtet. In drei Studienarmen wurden die Teilnehmer mit 25 mg sowie 10 mg Empagliflozin oder Placebo behandelt. Zusätzlich erhielten die Probanden in allen Gruppen während des Studienverlaufs eine dem aktuellen Standard entsprechende Diabetes-Therapie sowie Wirkstoffe zur Reduzierung des kardiovaskulären Risikos (z. B. Blutdruck- und Lipidsenker). 

Unter Empagliflozin kam es im Vergleich zu Placebo zu einer          

  • Risikoreduktion der kardiovaskulären Mortalität um 38 %
  • Risikoreduktion der Gesamtsterblichkeit um 32 % 
  • Risikoreduktion für Krankenhauseinweisungen aufgrund von Herzinsuffizienz um 35 %
  • Reduktion des gesamten Risiko für einen Schlaganfall, Herzinfarkt oder Tod durch ein kardiovaskuläres Ereignis um 14 %

Das IQWiG hält diese Daten aber aus verschiedenen Gründen für eine Bewertung des Zusatznutzens in Deutschland nicht geeignet.  


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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