Medikamentenvergiftung

Notretter helfen Kindern auf hoher See

Bremen - 06.06.2016, 11:37 Uhr

Medikamentenvergiftung: Ein Kind zitterte, zwei andere sanken in Tiefschlaf. Die Seenotrettung setzte den Kreuzer Hannes Glogner ein. (Foto: DGzRS)

Medikamentenvergiftung: Ein Kind zitterte, zwei andere sanken in Tiefschlaf. Die Seenotrettung setzte den Kreuzer Hannes Glogner ein. (Foto: DGzRS)


Ein Arzneimittel gegen Seekrankheit führte am Wochenende bei drei Kindern auf einer Segelyacht vor der Nordseeinsel Borkum zu schweren Komplikationen. Die Besatzung eines Kreuzers der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger half der Familie aus der Not.

Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand, heißt es. Allerdings gibt es auch menschliche Schutzengel, die auch im Fall von Notfällen mit Arzneimitteln zum Retter in der Not werden können. Diese Erfahrung hat am Samstag eine Familie gemacht, die auf der Nordsee mit einer Segelyacht unterwegs war.

Auf dem Weg zwischen den Nordseeinseln Borkum und Norderney hatten die drei Kinder der Familie – ein zehn Jahre alter Junge, ein acht und ein sechs Jahre altes Mädchen – über Seekrankheit geklagt. Die Eltern gaben den Kindern daher ein Mittel gegen Seekrankheit – mit ungeahnten Folgen.

Versehentlich zu starke Dosis verabreicht

„Die Eltern hatten den Kindern wohl versehentlich ein Medikament für Erwachsene verabreicht, dessen Dosierung wohl stärker war“, sagt Christian Stipeldey, Sprecher der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS). Einige Kilometer vor der Insel Borkum hätten die Kinder plötzlich außergewöhnlich starke Reaktionen gezeigt, berichtet Stipeldey.

Bei der Sechsjährigen hätten die Beine gezittert und sie sei benommen gewesen, die beiden älteren Kinder jedoch seien in Tiefschlaf gesunken. Während die Eltern den Jungen wecken konnten, habe das acht Jahre alte Mädchen sogar Anzeichen von Bewusstlosigkeit gezeigt. Die Eltern setzten daraufhin einen Notruf ab, den die Seenotleitung Bremen der DGzRS auffing. 

Mit freiwilliger Seenotärztin der Yacht entgegen geeilt

Der Seenotkreuzer Hannes Glogner der DGzRS habe dann sofort eine freiwillige Seenotärztin in Borkum an Bord genommen und Kurs auf die Segelyacht genommen, berichtet Stipeldey. „Normalerweise sind an Bord unserer Rettungsschiffe nur Seemänner. Wenn wir wissen, dass es einen medizinischen Notfall gibt, dann können wir Notärzte mit an Bord nehmen“, erklärt der DGzRS-Sprecher. Die Ärztin, die auf der Insel arbeitet, habe man dann bei rund einem Meter Seegang und Windstärke drei auf die Yacht übergesetzt, die den Rettern bereits entgegenlief.

„Die Kinder waren zu dem Zeitpunkt bereits wieder ansprechbar“, sagt Stipeldey. Sicherheitshalber habe die Ärztin jedoch nach einer ersten Diagnose entschieden, die Kinder mit dem Seenotkreuzer schnellstmöglich an Land zu bringen. Mit voller Fahrt sei die Hannes Glogner dann zum Borkumer Hafen gelaufen.

Mutter begleitete die Kinder ins Krankenhaus Borkum

Unterwegs hielt die Ärztin Rücksprache mit der Kinderklinik Emden und bestellte einen Krankenwagen zum Hafen, der die Kinder, die von ihrer Mutter begleitet wurden, ins Borkumer Krankenhaus brachte. „Den Kindern ging es dann wohl bald wieder gut“, sagt der DGzRS-Sprecher. Der Familienvater habe unterdessen die Yacht alleine wieder in den Borkumer Hafen gesteuert.

Ein solcher Einsatz, bei dem es um eine Medikamentenvergiftung geht, sei recht ungewöhnlich für die Retter. „Ich kenne jedenfalls keinen anderen Fall“, sagt Stipeldey. Fälle von medizinischer Hilfe oder Krankentransporte gab es im vergangenen Jahr allerdings insgesamt 400. „Wir helfen auf Schiffen oder auf den Halligen in der Nordsee, wenn es etwa keine Fähre gibt und auch kein Hubschrauber zur Verfügung steht oder wenn bei starkem Wind nicht geflogen werden kann“, erklärt Stipeldey. 


Volker Budinger, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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