Defekte

Nicht lieferbar - und jetzt?

Stuttgart - 03.06.2016, 15:32 Uhr

In der Apotheke ist Flexibilität gefragt. (Foto: Constantinos / Fotolia)

In der Apotheke ist Flexibilität gefragt. (Foto: Constantinos / Fotolia)


Lieferengpässe sind in der öffentlichen Apotheke in doppelter Hinsicht ein Problem. Die Versorgung der Patienten leidet, zum anderen steigt die Retaxgefahr, weil alternative Päparate  abgegeben werden müssen – vorausgesetzt, es gibt welche. 

Das benötigte Präparat ist nicht lieferbar. Was ist zu tun, damit der Patient sein Arzneimittel erhält, die Apotheke dabei aber keine Retaxation riskiert? Die Antwort lautet, wie so oft, „kommt drauf an“. Beispielsweise darauf, ob es  überhaupt Alternativen gibt - oder ob ein Rabattvertag besteht.

Das wichtigste Tool, Retaxationen vorzubeugen, war  bislang die Sonder-PZN 02567024. Außerdem stellte sich die Frage, welcher Faktor ist der richtige ist und ob ein zusätzlicher Vermerk auf das Rezept muss. Mit den Neuregelungen des § 3 des Rahmenvertrages nach § 129 Abs. 2 SGB V hat sich die Sache ein wenig vereinfacht.  Apotheken dürfen zukünftig nicht mehr retaxiert werden, wenn entweder die Sonder-PZN oder ein Vermerk auf dem Rezept fehlen. Ist beides nicht vorhanden, so kann der Apotheker noch durch Erbringen eines „objektivierbaren“ Nachweises eine Retaxation widerlegen. Unverändert bleiben die Regeln zur Abgabe von möglichen Alternativen bei Lieferengpässen.

Folgende Faktoren spielen zum Thema Nichtverfügbarkeit  eine Rolle:

  • nicht-verfügbarer Rabattartikel
  • nicht verfügbarer Importartikel
  • nicht verfügbarer Rabatt- und Importartikel

Die folgenden Angaben gelten uneingeschränkt für Ersatzkassen (vdek). Lieferverträge von Regionalkassen können abweichende  Regelungen enthalten.

Es gibt Rabattverträge

Fall 1: Alle Rabattartikel sind nicht lieferbar:  

  • Abgabe: alternativ kann das namentlich verordnete, eines der drei preisgünstigsten Arzneimittel oder ein günstiger Import (15 / 15; § 5 Rahmenvertrag nach § 129 Absatz 2 SGB V) abgegeben werden.  
  • Sonder-PZN und Faktor 2 und/oder handschriftlicher Vermerk Stolperfalle: Wenn das namentlich verordnete Präparat zu den drei preisgünstigsten gehört, darf das abgegebene nicht teurer sein (Preisanker beachten!)

Achtung Mehrkosten: wird statt des Rabattartikels ein nicht rabattiertes, namentlich verordnetes Präparat abgebeben, dessen Abgabepreis über dem Festbetrag liegt (zum Beispiel das Original) können Mehrkosten anfallen.

Fall 2: Alle Rabattartikel und 15/15-Importe sind nicht lieferbar

  • Abgabe: alternativ kann das namentlich verordnete oder eines der drei preisgünstigsten Arzneimittel abgeben werden. Auch hier ist der Preisanker zu beachten.
  • Sonder-PZN und Faktor 4 und/oder handschriftlicher Vermerk: Auch hier können bei Abgabe einen namentlich verordneten Präparats, dessen Preis  über Festbetrag liegt Mehrkosten anfallen.
(Foto: Kahrmann / DAZonline)

Apothekerin Julia Borsch

Es gibt keine Rabattverträge

Das verordnete Präparat (Generikum, Original oder Import) ist nicht lieferbar:

Alternative Abgabe eines der drei preisgünstigsten Präparate oder eines günstigeren  Imports (bei Verordnung des Originals idealerweise 15/15)

Sonder-PZN und Faktorsind nicht erforderlich (Cave: Import-Malus; siehe Kasten „Kein 15/15-Import lieferbar“ )

Der verordnete Import und preisgünstigere Importe sind nicht lieferbar:

  • Abgabe eines teureren Imports oder des Original
  • Sonder-PZN und Faktor 3 und/oder Vermerk Zusätzlicher Vermerk: Bei Ersatzkassen handschriftlich mit Datum und Unterschrift vermerken, dass mit dem Arzt Rücksprache gehalten wurde (vdek-AVV § 4 Abs. 8). Bei Primärkassen gibt es möglicherweise abweichende Regelungen (Regionalverträge).
  • Nach den Neuregelungen des Rahmenvertrags § 3 besteht für den Apotheker keine Retax-Gefahr, wenn er nur den handschriftlichen Vermerk auf der Verordnung anbringt.   

Wenn gar nichts geht – Rücksprache mit dem Arzt

In manchen Fällen kommt man auch mit Sonder-PZN und Vermerken nicht weiter, da helfen bei Lieferschwierigkeiten nur die Rücksprache mit dem Arzt und die Änderung des Rezeptes:

Kein 15/15-Import lieferbar: 

Ist ein Original namentlich verordnet, kann dieses, wenn keine Rabattverträge entgegenstehen, grundsätzlich retaxsicher  abgegeben werden. Ist allerdings die Importquote noch nicht erreicht, wird die Abgabe des Originals anstatt eines 15/15 Imports auf den Import-Malus angerechnet. Die 15/15-Regel besagt: Das Importarzneimittel muss mindestens 15 Prozent oder 15 Euro billiger sein als das deutsche Original. Entscheidend sind übrigens nicht die Apothekenverkaufspreise in der Lauer-Taxe, sondern die Netto-Abgabepreise, also nach Abzug des gesetzlichen Herstellerrabattes.

Hat die Apotheke kein Import-Guthaben, führt dieser Malus zu Abzügen. Die Abgabe eine 15/15-Imports hingegen wird auf der Haben-Seite gutgeschrieben. Ist allerdings kein 15/15-Import lieferbar gibt es die Möglichkeit zu verhindern, dass  die Abgabe des Originals oder eines anderen Import Malus bringt und zwar mit Aufdruck der der Sonder-PZN und dem Faktor 3. Ein zusätzlicher Vermerk ist nicht notwendig.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Was tun, wenn ein Arzneimittel nicht lieferbar ist? Eine praktische Anleitung

Bei Defekten retaxsicher austauschen

Generika- und Importmarkt, Abgabereihenfolge

Fragen und Antworten zum neuen Rahmenvertrag (Teil 1)

Pharmazeutische Bedenken – wie werden sie richtig angewendet?

Heißer Draht statt lange Leitung

Retax statt Malus bei namentlich verordnetem Import

Den Unterschied kennen!

Preisanker muss beachtet werden

Importe im Sprechstundenbedarf

Änderungen von Importverordnungen

Retax trotz Stempel und Unterschrift

Mehrkosten bei Lieferproblemen gehen zulasten des Patienten

Defekt führt zu Aufzahlung

1 Kommentar

Lieferfähigkeit SonderPZN

von Sven Larisch am 04.06.2016 um 8:52 Uhr

Na alles verstanden nach dem Artikel? .-) Nein - ach ! Wen wunderts.
Tut hier nicht eine Vereinfachung not?
Importmalus und Importbonus, 15/15 er Regelung, Preisanker, nicht lieferbare Rabattpartner, verordnetes Medikament, aut-idem Kreuz....kann man alles wunderbar und zügig während des laufenden Geschäftes schaffen.
a) wenn der Kunde geduldig ist
b) der Arzt erreichbar ist (genau ansonsten Patienten wegschicken- der kommt ja wieder)
c) die Technik gerade mitspielt
d) auf dem Rezept überhaupt noch Platz ist für handschriftliche vermerke
e) am Besten noch einen Null-Auftrag beim Großhandel auslösen, um eine Bestätigung für die Nicht -Lieferfähigkeit zu bekommen
f) vielleicht doch noch den Hersteller anrufen und fragen warum, wann und überhaupt
Das macht alles in allem einen enormen Zeitaufwand, der natürlich durch unser immenses Honorar für Rx-Arzneimittel gedeckt ist.
g) Kunden beruhigen und beraten, dass die orange Packung die er bekommt genau das gleiche ist wie die grüne, die er sonst immer hat (Verständnisprobleme: kein Probleme wir können englisch, deutsch, türkisch, italienisch, spanisch, griechisch, Farsi und walisch= siehe "findet Nemo!)
oh Feierabend - sorry .. Oh Mittwoch Nachmittag keiner erreichbar.. Oh Freitag .. Oh Samstag.. wunderbar die Ärzte sind ja da und schicken uns das neue , korrekte Rezept*Lach*
Gruß
S. Larisch

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.