G-BA strebt Verordnungsausschluss an

Praluent ohne Zusatznutzen

Berlin - 04.05.2016, 17:15 Uhr

Der Gemeinsame Bundesausschuss geht bei PCSK9-Inhibitoren neue Wege. (Foto: G-BA)

Der Gemeinsame Bundesausschuss geht bei PCSK9-Inhibitoren neue Wege. (Foto: G-BA)


Nach Repatha® konnte mit Praluent® der zweite PCSK9-Inhibitor den Gemeinsamen Bundesausschuss in der frühen Nutzenbewertung nicht überzeugen: Dieser sah einen Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie als nicht belegt an. Nun geht das Gremium einen neuen Weg, der dafür sorgen könnte, dass Hersteller Sanofi am Ende doch einen guten Preis bekommt. 

Sie sind wirksam, aber teuer: die monoklonalen Antikörper einer neuen Substanzklasse, die den LDL-Cholesterin-Spiegel senken – und zwar auch in besonders schwierigen Fällen, die sogenannten PCSK9-Inhibitoren. Gleich zwei Vertreter gibt es auf dem deutschen Markt: Repatha® (Evolocumab von Amgen) und Praluent® (Alirocumab von Sanofi). Ersteres hatte die frühe Nutzenbewertung schon kürzlich erfolglos durchlaufen – das gleiche Schicksal trifft nun Alirocumab. „Kein Zusatznutzen belegt“ – heißt es im Beschluss des Gemeinsamen Bundesauschusses (G-BA). Und das bei allen Patientengruppen, für die eine jeweils andere Vergleichstherapie herangezogen wurde.

Zugelassen ist Praluent® – begleitend zu einer Diät – zur Behandlung  bei Erwachsenen mit primärer Hypercholesterinämie (heterozygote familiäre und nicht familiäre) oder gemischter Dyslipidämie:

  • in Kombination mit einem Statin oder mit einem Statin und anderen lipidsenkenden Therapieprinzipien bei Patienten, die mit einer maximal verträglichen Statintherapie die LDL-C-Zielwerte nicht erreichen, oder
  • als Monotherapie oder in Kombination mit anderen lipidsenkenden Therapieprinzipien bei Patienten mit einer Statin-Unverträglichkeit oder wenn Statine kontraindiziert sind.

Alirocumab

Alirocumab gehört zur Klasse der PCSK9-Inhibitoren. Das Enzym PCSK9 kann wie LDL-Cholesterol an LDL-Rezeptoren hepatischer Zellen binden. Der gebildete PCSK9-Rezeptor-Komplex gelangt in die Zelle und wird dort abgebaut. Der Rezeptor steht nicht mehr für die Cholesterin-Aufnahme zur Verfügung. Blockiert man PCSK9, wird die Zahl der LDL-Rezeptoren auf der Oberfläche der Hepatozyten erhöht und der Cholesterin-Spiegel somit gesenkt. Alirocumab wird gemeinsam mit anderen Lipidsenkern bei primärer familiärer Hypercholesterinämie oder kombinierter Dyslipidämie eingesetzt, wenn die Cholesterinwerte trotz der maximalen verträglichen Statin-Dosis nicht ausreichend gesenkt werden können. Bei Statin-Unverträglichkeit ist auch eine Monotherapie möglich.
Handelsname: Praluent®

Nutzen, aber kein Zusatznutzen

Der G-BA unterschied nun drei Patientengruppen: Solche, für die Statine infrage kommen – und diese Arzneimittel damit auch zweckmäßige Vergleichstherapie sind –, solche für die die Statine aufgrund von Kontraindikationen oder therapielimitierenden Nebenwirkungen nicht infrage kommen (ZVT: andere Lipidsenker) und zudem solche, bei denen medikamentöse und diätetische Optionen zur Lipidsenkung ausgeschöpft sind und die eine LDL-Apherese als „ultima ratio“ erhalten. In keinem der Fälle hielt der G-BA den Zusatznutzen gegenüber der Vergleichstherapie belegt. Entweder waren die Studiendaten aus seiner Sicht ungeeignet – oder es ließ sich kein Zusatznutzen aus ihnen ableiten. Langzeitdaten zu patientenrelevanten Endpunkten stünden zudem aus.

Knackpunkt Mischpreis

Sanofi sieht das selbstverständlich anders: Für Höchstrisikogruppen, etwa Patienten mit einem genetischen Defekt, bei denen nur die Apherese, also eine Blutwäsche, die das LDL-Cholesterin aus dem Körper „wäscht“, hilft, gebe es durchaus einen Zusatznutzen. Doch nun ist der G-BA-Beschluss gefallen – und das Verfahren geht seinen weiteren Gang. Das heißt: Sanofi und GKV-Spitzenverband müssen sich auf einen wirtschaftlichen Erstattungsbetrag einigen. Soll dieser auf Grundlage des G-BA-Beschlusses als Mischpreis verhandelt werden, müsste Sanofi hinnehmen, dass die Jahrestherapiekosten für eine Therapie mit Lipidsenkern (zwischen etwa 70 und 3100 Euro) als Verhandlungsgrundlage herangezogen wird. Alirocumab kostet hingegen rund 9000 Euro.

Stellungnahmeverfahren für Verordnungsausschluss eingeleitet

Doch es könnte anders kommen. Denn der G-BA hat nun ein Stellungnahmeverfahren für einen Verordnungausschluss von Alirocumab in die Wege geleitet. Dies hat er auch schon für den Konkurrenzwirkstoff Evolocumab getan. Ist das angestrebte Behandlungsziel der LDL-Cholesterinsenkung mit anderen Lipidsenkern kostengünstiger zu erreichen, so sollen die PCSK9-Inhibitoren keine Chance haben. Wegen Unwirtschaftlichkeit sollen sie nicht mehr verordnungsfähig sein.

Eine Ausnahme soll es nach dem Beschlussvorschlag des G-BA  aber geben. Und zwar für  Patienten mit heterozygot familiärer oder nicht-familiärer Hypercholesterinämie oder gemischter Dyslipidämie bei therapierefraktären Verläufen, bei denen Diät und Lipidsenker nicht helfen und die Indikation zur Durchführung einer LDL-Apherese besteht. Unter engen Voraussetzungen und der Bedingung, dass das Arzneimittel von Kardiologen, Nephrologen, Diabetologen, Endokrinologen oder an Ambulanzen für Lipidstoffwechselstörungen tätigen Fachärzte verordnet, soll Alirocumab also erstattungsfähig sein. Denn: Die LDL-Apherese ist tatsächlich nicht wirtschaftlicher als der monoklonale Antikörper. Sie schlägt mit Jahrestherapiekosten zwischen 23.000 und 67.000 Euro zu Buche – je nachdem, wie häufig ein Patient die Blutwäsche benötigt.

Gelingt dieser Verordnungsausschluss, wäre die Patientengruppe zwar klein – doch sicherlich könnte Sanofi einen aus Unternehmenssicht akzeptablen Erstattungsbetrag aushandeln.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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Eine neue Option nicht nur bei Statin-Intoleranz

3 Kommentare

Einzig verträgliches Medikament ist nicht mehr verschreibungsfähig !!!

von Hedda Turk am 01.11.2019 um 12:52 Uhr

Hallo...!
Jetzt möchte auch ich (w, 54 Jahre, familiäre Hypercholesterienämie : Mutter bereits verstorben ) hierzu meinen Kommentar abgeben ....
Nach einem Hinterwandinfarkt mit Komplettverschluss wurde man auch bei mir auf einen Risiko-Cholesterinwert aufmerksam und mir Statine verschrieben.
Sämtliche gängigen Statine ausprobiert und nicht vertragen ( Muskelschmerzen , starke Depressionen mit Suizidgedanken !!) !
Ich habe nie in meinem Leben geraucht, war nie übergewichtig, habe stets auf eine gesunde, fettarme Ernährung geachtet und treibe mit Begeisterung 12-15 Stunden Sport in der Woche.....
Mit der 14tägigen Praluentinjektion mit 150 mg Alirocumab (und der morgendlichen zusätzlichen Einnahme von Ezetimib) ging es mir gut!!!!
Keine Nebenwirkungen .. : Grosse Erleichterung und Zufriedenheit !!!!
Jetzt wurde mir aufgrund der neuen Gesetzeslage Repatha mit dem Wirkstoff Evolocumab als Minipumpe verschrieben....und nach 2 Monaten ( also 2 Dosierungen a 430 mg Evolocumab ) geht es mir psychisch wieder sehr schlecht !!!
Kann sein, dass ich eine auffallend sensibel reagierende Patientin bin ( die in der Vergangenheit auch auf diverse andere Medikamente hochsensibel reagierte )..aber muss ich etwa meine Depressionen ( und die damit verbundenen starken Einschränkungen der Lebensaktivitäten und Lebensqualität ) in Kauf nehmen, um einen " zufriedenstellenden" Cholesterinwert zu erreichen ????
Oder aber als Alternative zur Blutwäsche ???
Was bringt mir ein " guter Cholesterinwert" und eine Reduzierung der Gefahr eines weiteren Herzinfarktes oder eines Schlaganfalls, wenn ich dafür sämtliche Lebensfreude und - qualität verliere und mir irgendwann das Leben nehme ?????
Anscheinend wird der Unterschied zwischen den Wirkstoffen Alirocumab und Evolocumab erheblich unterschätzt und unterbewertet !!!
Aber natürlich geht es - wie immer - nur um Wirtschaftlichkeit.....auch auf Kosten der Patienten !!!

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Praluent "Test-Patient"

von Bernd E. Scholz am 13.05.2016 um 12:34 Uhr

Vorderwandinfarkt 2003, danach Unverträglichkeit sämtlicher Statine, da mit schweren Knieschmerzen verbunden. Hohe Cholesterinwerte (Kardiologe: "genetisch bedingt") bis Aneurysma und Bypass OP März 2015. Trotz Hinweis auf Statinunverträglichkeit erneute Verschreibung von Simvastatin in der Reha mit dem Ergebnis, dass nach Verlassen der Reha ca. 6 Wochen später schwerste Knieschmerzen erneut das Absetzen erzwingen. Hausarzt, selber Bypass OP, nimmt meine Hinweise und die Hinweise in der Krankenakte nicht zur Kenntnis. Kardiologe ratlos. Cholesterinwerte weiterhin stark erhöht. 11/2015 Hinweis der neuen Hausärztin auf Praluent. Kardiologe entscheidet Verschreibung auf "SEIN eigenes finanzielles Risiko". In 1/2015 zweimalige Anwendung von Praluent, Cholesterinwerte signifikant niedriger. Keinerlei Nebenwirkungen, Weiterbehandlung, Anfang Mai 2016, Hinweis des Kardiologen, es gäbe Probleme mit der AOK. Nur noch Verschreibung einer Spritze. Was danach sein wird, wissen die Götter.
Der von Ihnen jetzt referierte Bericht ist schlicht und einfach eine im Auftrag der Kassen erstellte pharmaindustriekritische Auftragsarbeit (meine älteste Tochter arbeitet selber bei Sanofi!), um Kosten zu sparen auf Kosten betroffener Patienten. Nicht gerade besonders originell, und eigentlich ein Fall für die Gerichte.
Ihr Bericht wird jetzt benutzt werden, die Verschreibung von Praluent

zu stoppen, obwohl nachweislich kein anderes Mittel mit vergleichbarer Wirkung auf dem Markt exisitert, das den etwa 30% statinsensiblen Patienten helfen könnte.

Postscriptum: Nach der ersten Einnahme von Simvastatin und den danach aufgetretenen bestialischen Knieschmerzen (ohne dass der Zusammenhang klar war), Besuch beim Orthopäden, MRT des linken Knies. Weiterleitung aufgrund der "Diagnose" zum Kniespzialisten: "Sie brauchen eine Prothese." Ich lehne das ab, laufe jeden Tag bei abgesetztem Symvastatin unter Schmerzen bis zu zwei Stunden, nach drei Monaten sind die Knieschmerzen weg, und das angeblich "mazerierte Knie" hält bis heute – 12 Jahre ist das jetzt her!

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Wer bewertet...

von Christiane Patzelt am 05.05.2016 um 11:53 Uhr

..eigentlich die Bewertungen des G-BA? Diese Allmacht, Therapien in D zu ermöglich, zu lenken, zu verbieten finde ich sehr merkwürdig. Der G-BA hat in der Regel die Wirtschaftlichkeit für die Krankenkassen im Focus, nicht die Volksgesundheit! Ich würde keine Blutwäsche wollen, wenn es wirksame Oralia gäbe, aber hey, ist der G-BA, kannste nichts machen -- Apotheker sucht man auch da ja leider vergeblich..

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